Bundesgesetz vom 21. Mai 1958 über besondere Vorschriften fur die bäuerliche Erbteilung (Anerbengesetz).

Der Nationalrat hat beschlossen:

  1. Abschnitt.

    Der Erbhof.

    Begriff.

    § 1. (1) Erbhöfe sind behauste landwirtschaftliche Betriebe, die 1. im Alleineigentum einer natürlichen Person oder im Eigentum von Ehegatten stehen und 2. mindestens einen zur angemessenen Erhaltung einer bäuerlichen Familie von fünf erwachsenen Personen ausreichenden, jedoch das Siebenfache dieses Ausmaßes nicht übersteigenden Durchschnittsertrag haben.

    (2) Zu landwirtschaftlichen Betrieben im Sinne des Abs. 1 zählen auch solche, die ausschließlich oder vorwiegend dem Wein-, Obst- oder Gemüsebau dienen. Ausschließlich forstwirtschaftlich genutzte Besitzungen sind keine landwirtschaftlichen Betriebe im Sinne des Abs. 1.

    (3) Ob die Erhaltung einer bäuerlichen Familie im Sinne des Abs. 1 Z. 2 angemessen ist, ist nach den örtlichen Verhältnissen zu beurteilen.

    Umfang.

    § 2. (1) Der Erbhof besteht aus den dem Eigentümer des Erbhofs gehörenden Grundstücken,

    die den Zwecken der Landwirtschaft (§ 1) dienen und eine wirtschaftliche Einheit bilden, samt den auf diesen Grundstücken befindlichen Wohn-

    und Wirtschaftsgebäuden.

    (2) Bewegliche körperliche Sachen gehören insoweit zum Erbhof, als sie dem Eigentümer des Erbhofs gehören und zur Führung eines ordentlichen Wirtschaftsbetriebs erforderlich sind.

    (3) Zum Erbhof gehören ferner die damit verbundenen Nutzungsrechte sowie Anteilsrechte an agrargemeinschaftlichen Grundstücken, die Rechte des Eigentümers des Erbhofs aus der Mitgliedschaft zu landwirtschaftlichen Genossenschaften und die auf dem Erbhof betriebenen gewerblichen Unternehmungen des Eigentümers,

    sofern diese nicht die Hauptsache bilden und vom landwirtschaftlichen Betrieb nicht getrennt werden können oder ihre Trennung unwirtschaftlich wäre.

  2. Abschnitt.

    Der Anerbe.

    Gesetzliche Erbfolge.

    § 3. (1) Sind bei der gesetzlichen Erbfolge nach dem. Alleineigentümer eines Erbhofs mehrere Miterben berufen, so kann nur einer von ihnen,

    der Anerbe, Eigentümer des Erbhofs werden.

    Einigen sich die Miterben nicht über die Person des Anerben, so gelten für dessen Bestimmung folgende Regeln:

    1. Leibliche Kinder gehen Wahlkindern vor;

      legitimierte Kinder stehen den ehelichen Kindern gleich.

    2. Uneheliche Kinder der Erblasserin reihen hinter deren ehelichen Kindern; sie kommen außerdem nur dann als Anerbe in Betracht,

      wenn sie auf dem Erbhof erzogen worden sind.

    3. Sind Abkömmlinge des Erblassers vorhanden,

      so haben diese den Vorzug vor dem überlebenden Ehegatten; dagegen reiht dieser vor den

      übrigen Verwandten. Unter Abkömmlingen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind auch Wahlkinder zu verstehen.

    4. Miterben, die für einen anderen Beruf als den der Landwirtschaft erzogen wurden oder im Zeitpunkt des Todes des Erblassers seit mindestens zwei Jahren erzogen werden oder die anderweitig versorgt sind, scheiden als Anerbe aus, wenn in derselben Linie (§ 731 ABGB.) Miterben vorhanden sind, die für die Landwirtschaft erzogen wurden oder werden und nicht anderweitig versorgt sind.

    5. Sind Abkömmlinge aus mehreren Ehen vorhanden und stammt der Erbhof ganz oder über-

      wiegend von der Seite eines der früheren oder des letzten Ehegatten des Erblassers, so haben die Abkömmlinge des Erblassers mit diesem bestimmten Ehegatten den Vorzug.

    6. Sind weder Abkömmlinge noch ein Ehegatte des Erblassers vorhanden und stammt der Erbhof ganz oder überwiegend von der Vaterseite oder von der Mutterseite, so haben die Erben von dieser bestimmten Seite den Vorzug.

      (2) Bleiben bei der Auslese nach den vorstehenden Regeln immer noch mehrere Miterben übrig,

      die als Anerbe in Betracht kommen, so gilt für die Bestimmung des Anerben ferner folgendes:

    7. Im Grade näher Verwandte gehen den im Grad entfernter Verwandten vor.

    8. Unter gleich nahen Verwandten gebührt den männlichen Verwandten der Vorzug vor den weiblichen.

    9. Unter gleich nahen Verwandten desselben Geschlechtes entscheidet je nach dem in der Gegend geltenden Brauch Ältesten- oder Jüngstenrecht;

      besteht kein Brauch, so gilt Ältestenrecht.

      Sind die mehreren in Betracht kommenden Miterben gleich alt, so entscheidet das Verlassenschaftsgericht.

      Es hat denjenigen von ihnen zum Anerben zu bestimmen, der als Landwirt am fähigsten ist oder am fähigsten zu werden verspricht.

      Ist dies nicht feststellbar, so sind allfällige Wünsche des überlebenden Ehegatten nach Tunlichkeit zu berücksichtigen; andernfalls hat das Verlassenschaftsgericht das Los entscheiden zu lassen.

      (3) Das Bundesministerium für Justiz kann feststellen, welcher Brauch im Sinne des Abs. 2

      Z. 3 in den einzelnen Gebieten Österreichs besteht oder ob ein bestimmter Brauch fehlt. Das Ergebnis dieser Feststellung ist mit bindender Wirkung durch Verordnung im Bundesgesetzblatt zu verlautbaren. Vor dieser Verlautbarung stellt das Verlassenschaftsgericht im Einzelfall den Brauch oder das Fehlen eines Brauches fest.

      Die spätere Verlautbarung hat auf die rechtskräftige Feststellung keinen Einfluß.

      § 4. (1) Stand der Erbhof im Eigentum von Ehegatten, so ist bei der gesetzlichen Erbfolge der überlebende Ehegatte Anerbe.

      (2) Starben die Ehegatten gleichzeitig, so bestimmt sich der Anerbe für den ganzen Erbhof nach den Vorschriften des § 3. Sind in diesem Falle nach einem Ehegatten Erben vorhanden,

      die nicht zugleich Erben des anderen Ehegatten sind, so sind sie hinsichtlich der Übernahme des Erbhofs so zu behandeln, ab würden sie auch zu diesem anderen Ehegatten im gleichen Verwandtschaftsverhältnis stehen; uneheliche Kinder der Erblasserin gelten hiebei zwar als eheliche Kinder des Erblassers, sie reihen jedoch hinter dessen übrigen ehelichen Kindern (§ 3 Abs. 1

      Z. 2). Stammt aber der Erbhof ganz oder überwiegend von einem Ehegatten, so haben dessen Verwandte den Vorzug.

      § 5. (0 Der nach dem Alleineigentümer eines Erbhofs im Sinne des § 3 bestimmte Anerbe ist,

      soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist,

      durch Beschluß des Verlassenschaftsgerichts von der Übernahme des Erbhofs auszuschließen,

      wenn er 1. voll oder beschränkt entmündigt ist;

    10. sonst wegen schwerer geistiger oder körperlicher Gebrechen zur Bewirtschaftung des Erbhofs offenbar unfähig wäre;

    11. eine auffällige Neigung zur Verschwendung oder Trunksucht zeigt oder 4. über zwei Jahre abwesend ist, ohne von seinem Aufenthalt Nachricht zu geben, und wenn seine Abwesenheit von Umständen begleitet ist,

      die es zweifelhaft machen, ob der Abwesende binnen einer angemessenen Frist zurückkehren wird. Abwesenheit durch Krieg oder in Kriegsgefangenschaft bleibt außer Betracht.

      (2) Das Verlassenschaftsgericht kann den Anerben nur ausschließen, wenn innerhalb derselben Linie (§ 731 ABGB.) mehrere Miterben vorhanden sind und wenigstens einer von ihnen nicht ausgeschlossen ist. Unter den nicht ausgeschlossenen Miterben wird jener Anerbe, der Anerbe geworden wäre, wenn der ausgeschlossene Anerbe nicht vorhanden gewesen wäre.

      (s) Die Vermutung spricht für das Fehlen von Ausschließungsgründen. Von Amts wegen ist nur zu entscheiden, wenn sich nicht die Miterben

      über die Person des. Anerben geeinigt haben und wenn ein Ausschließungsgrund offensichtlich vorliegt.

      § 6. (1) Ist der Anerbe zur Zeit des Erbanfalls bereits Alleineigentümer eines Erbhofs oder Eigentümer eines Erbhofs von...

Um weiterzulesen

FORDERN SIE IHR PROBEABO AN

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT