Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Durchführung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA-DG) erlassen und mit dem das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz, das Finanzstrafgesetz und das Strafgesetzbuch geändert werden (Strafrechtliches EU-Anpassungsgesetz 2021 ? StrEU-AG 2021)

94. Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Durchführung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA-DG) erlassen und mit dem das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz, das Finanzstrafgesetz und das Strafgesetzbuch geändert werden (Strafrechtliches EU-Anpassungsgesetz 2021 ? StrEU-AG 2021) Der Nationalrat hat beschlossen:

Inhaltsverzeichnis

Artikel 1 Bundesgesetz zur Durchführung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA-DG)
Artikel 2 Änderung des Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetzes
Artikel 3 Änderung des EU-JZG
Artikel 4 Änderung des Auslieferungs- und Rechtshilfegesetzes
Artikel 5 Änderung des Finanzstrafgesetzes
Artikel 6 Änderung des Strafgesetzbuches
Artikel 7 Inkrafttreten

Artikel 1Bundesgesetz zur Durchführung der Europäischen Staatsanwaltschaft (Europäische Staatsanwaltschafts-Durchführungsgesetz ? EUStA-DG) 1. AbschnittAllgemeine Bestimmungen und Strafverfahren der Europäischen Staatsanwaltschaft

Grundsätze

§ 1.

(1) Dieses Bundesgesetz dient der Durchführung der EUStA-VO (§ 2 Z 2).

(2) Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben hat die Europäische Staatsanwaltschaft, soweit sich aus der EUStA-VO oder den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nichts anderes ergibt, nach den allgemeinen Vorschriften über das Strafverfahren vorzugehen und in den Fällen des Art. 30 Abs. 2 und 3 EUStA-VO die nach innerstaatlichen Vorschriften vorgesehenen Voraussetzungen und Bedingungen für die Anordnung und Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen und für Beweisaufnahmen zu beachten.

Begriffsbestimmungen

§ 2.

Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeutet:

1. ?EUStA?: die Europäische Staatsanwaltschaft;
2. ?EUStA-VO?: die Verordnung (EU) 2017/1939 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA), ABl. Nr. L 283 vom 31.10.2017 S. 1;
3. ?Mitgliedstaat?: einen Staat, der Mitglied der Europäischen Union ist;
4. ?teilnehmender Mitgliedstaat?: einen Mitgliedstaat, der an der Errichtung der EUStA teilnimmt;
5. ?nicht teilnehmender Mitgliedstaat?: einen Mitgliedstaat, der nicht an der Errichtung der EUStA teilnimmt;
6. ?Drittstaat?: einen Staat, der nicht Mitgliedstaat ist.

Anwendungsbereich

§ 3.

Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind in Verfahren zur Aufklärung von Straftaten anzuwenden, für die die EUStA nach den Art. 22, 23 und 120 Abs. 2 EUStA-VO zuständig ist und ihre Zuständigkeit nach Art. 25 Abs. 1 bis 4 dieser Verordnung ausüben kann.

Wahrnehmung der Aufgaben im Bundesgebiet

§ 4.

(1) Der EUStA obliegt für das gesamte Bundesgebiet:

1. die Leitung des Ermittlungsverfahrens,
2. die Beendigung des Ermittlungsverfahrens nach Art. 39 und 40 EUStA-VO,
3. die Einbringung der Anklage und deren Vertretung im Hauptverfahren,
4. die Vertretung im Verfahren vor dem Oberlandesgericht sowie
5. die Vertretung im Verfahren zur Wiederaufnahme und zur Wiedereinsetzung.

(2) Die EUStA nimmt die ihr in der EUStA-VO zugewiesenen Aufgaben durch einen der Delegierten Europäischen Staatsanwälte wahr, die für die Republik Österreich ernannt wurden. In den in Art. 28 Abs. 4 EUStA-VO genannten Ausnahmefällen kann auch die für die Republik Österreich ernannte Europäische Staatsanwältin die Aufgaben wahrnehmen.

Datenschutz

§ 5.

Auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die EUStA sind die §§ 74 und § 75 der Strafprozessordnung (StPO), BGBl. Nr. 631/1975, nur in dem Fall anzuwenden, dass sich die Aktenführung nach innerstaatlichen Rechtsvorschriften richtet oder die EUStA Datenverarbeitungen des Bundes nutzt. In diesem Umfang unterliegt die EUStA jedoch nicht der Aufsicht durch die Datenschutzbehörde (§ 31 Datenschutzgesetz ? DSG, BGBl. I Nr. 165/1999).

Übertragung der Zuständigkeit

§ 6.

In Fällen des Art. 25 Abs. 4 EUStA-VO hat die zuständige Staatsanwaltschaft die Zustimmung dazu zu erteilen, dass die EUStA Straftaten verfolgt, wenn

1. die EUStA besser in der Lage ist, die Ermittlungen durchzuführen und die Straftaten aufzuklären, und
2. im Einzelfall schutzwürdige Interessen des Opfers nicht überwiegen.

Zuständigkeitskonflikt

§ 7.

Über Zuständigkeitskonflikte zwischen einer Staatsanwaltschaft und der EUStA (Art. 25 Abs. 6 EUStA-VO) hat der Oberste Gerichtshof durch Dreiersenate (§ 7 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1968 über den Obersten Gerichtshof, BGBl. Nr. 328/1968) zu entscheiden. Auf Verlangen nur eines Mitgliedes des Dreiersenates hat der einfache Senat die Entscheidung zu treffen.

Anzeigepflicht

§ 8.

Wird einer Behörde oder einer öffentlichen Dienststelle der Verdacht einer in die Zuständigkeit der EUStA fallenden Straftat nach § 3 bekannt, die ihren gesetzmäßigen Wirkungsbereich betrifft, so ist sie zur Anzeige an die EUStA verpflichtet.

Beginn des Strafverfahrens

§ 9.

Das Strafverfahren ist von der EUStA einzuleiten (Art. 26 Abs. 1 EUStA-VO). Die Einleitung durch die Kriminalpolizei oder Finanzstrafbehörde ist zulässig, wenn Maßnahmen zu setzen sind, die keinen Aufschub dulden.

Gerichtliche Zuständigkeit für Ermittlungsverfahren der EUStA

§ 10.

In Ermittlungsverfahren der EUStA obliegen gerichtliche Entscheidungen dem Landesgericht, an dessen Sitz sich die Staatsanwaltschaft befindet, die für das Strafverfahren nach den §§ 20a, 25 bis 27 StPO, nach den §§ 197 und 198 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG), BGBl. Nr. 21/1959, nach § 15 des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes (VbVG), BGBl. I Nr. 151/2005, oder nach § 29 des Jugendgerichtsgesetzes 1988 (JGG), BGBl. Nr. 599/1988, zuständig wäre. § 36 Abs. 2 und § 38 StPO sind anzuwenden.

Gerichtliche Zuständigkeit bei grenzüberschreitenden Ermittlungen nach Art. 31 EUStA-VO

§ 11.

(1) Abweichend von § 10 besteht keine gerichtliche Zuständigkeit im Inland, wenn eine Maßnahme in einem anderen teilnehmenden Mitgliedstaat durchgeführt werden soll und nach dessen Recht eine gerichtliche Bewilligung oder ein gerichtlicher Beschluss zur Durchführung der Maßnahme zu erwirken ist (Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 1 EUStA-VO).

(2) Ist im Fall von grenzüberschreitenden Ermittlungen der EUStA eine Maßnahme im Bundesgebiet durchzuführen, so obliegt die gerichtliche Entscheidung oder Bewilligung gemäß Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 1 erster Fall EUStA-VO jenem Landesgericht, an dessen Sitz sich die Staatsanwaltschaft befindet, die nach § 46 Abs. 1 oder § 55c des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), BGBl. I Nr. 36/2004, zuständig wäre.

Amtshilfe

§ 12.

Die EUStA kann nach Maßgabe des § 76 Abs. 1 bis 2a StPO die Unterstützung aller Behörden und öffentlichen Dienststellen des Bundes, der Länder und der Gemeinden sowie anderer durch Gesetz eingerichteter Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts unmittelbar in Anspruch nehmen.

Rechtsschutzbeauftragter

§ 13.

(1) Die EUStA hat im Ermittlungsverfahren den Rechtsschutzbeauftragten (§ 47a StPO) nicht um Ermächtigung zur Antragstellung nach § 147 Abs. 2 StPO zu ersuchen.

(2) Dem Rechtsschutzbeauftragen steht ein Recht auf Einbringung eines Antrags auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens in keinem Fall zu.

Einstellung des Ermittlungsverfahrens

§ 14.

(1) Die in den §§ 190 bis 192 StPO und in § 18 VbVG angeführten Einstellungsgründe sind auf Einstellungsentscheidungen der EUStA nicht anzuwenden.

(2) In einer Verständigung über die Einstellung ist das Opfer auch zu informieren, unter welchen Voraussetzungen eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), ABl. C 83 vom 30.3.2010 S. 1, beim EuGH eingebracht werden kann. Die Bestimmungen über den Antrag auf Fortführung nach den §§ 195 f StPO sind sinngemäß anzuwenden.

(3) Die Generalprokuratur ist für die Konsultation zur Einstellung eines Strafverfahrens durch die EUStA in den Fällen des Art. 39 Abs. 3 EUStA-VO zuständig. Sie hat sich gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die EUStA auszusprechen und um Übertragung des Strafverfahrens nach Art. 34 Abs. 6 EUStA-VO zu ersuchen, wenn

1. der Sachverhalt unter Berücksichtigung des § 108 Abs. 1 Z 2 StPO noch nicht ausreichend geklärt ist,
2. eine Verurteilung aufgrund ausreichend geklärten Sachverhalts naheliegt oder
3. kein Grund für die Einstellung des Verfahrens oder den Rücktritt von der Verfolgung vorliegt.

(4) Soll das Ermittlungsverfahren auf der Grundlage von mit dem Beschuldigten vereinbarten Bedingungen endgültig abgeschlossen werden (Art. 40 EUStA-VO), sind die Bestimmungen über den Rücktritt von der Verfolgung nach innerstaatlichem Recht sinngemäß anzuwenden.

Haupt- und Rechtsmittelverfahren

§ 15.

(1) Dem Landesgericht als Schöffengericht obliegt das Hauptverfahren aufgrund einer Anklage der EUStA (Art. 36 EUStA-VO).

(2) Ein Einspruch gegen die Anklageschrift kann auch aus dem Grund erhoben werden (§ 212 Z 6 StPO), dass die Anklageschrift entgegen Art. 36 Abs. 3 EUStA-VO ein Gericht im Inland anruft. Das Gericht kann derartige Bedenken gegen seine Zuständigkeit dem Oberlandesgericht mitteilen (§ 213 Abs. 6 StPO). Ruft die Anklageschrift entgegen Art. 36 Abs. 3 EUStA-VO ein Gericht im Inland an, hat das Oberlandesgericht die Anklageschrift zurückzuweisen.

(3) Die EUStA hat im Rechtsmittelverfahren vor dem OGH die Rechte der nationalen Staatsanwaltschaft.

Außergewöhnlich hohe Kosten einer Ermittlungsmaßnahme

§ 16.

Wenn die Kosten der Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme ein außergewöhnlich hohes Ausmaß erreichen, hat der Delegierte Europäische Staatsanwalt einen begründeten Antrag auf Kostenersatz an die EUStA zu stellen. Ein außergewöhnlich hohes Ausmaß ist jedenfalls anzunehmen, wenn die Kosten 100.000 Euro übersteigen. Die Entscheidung der EUStA, Kosten zu ersetzen, ist zum Akt zu nehmen oder im Akt zu dokumentieren.

2. AbschnittInternationale Zusammenarbeit

Allgemeine Voraussetzungen

§ 17.

Die EUStA hat lediglich die in diesem Abschnitt angeführten Bestimmungen des...

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