Bundesgesetz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975)

Der Nationalrat hat beschlossen:

  1. Eröffnung und Bildung des Nationalrates

    § 1

    (1) Jedem Abgeordneten wird nach seiner Wahl oder nach seiner Berufung als Ersatzmann von der Hauptwahlbehörde ein Wahlschein ausgestellt, der in der Parlamentsdirektion zu hinterlegen ist.

    (2) Die Parlamentsdirektion stellt jedem Abgeordneten,

    für den der Wahlschein hinterlegt ist, eine amtliche Legitimation mit seinem Lichtbild aus.

    § 2

    (1) Ein Abgeordneter wird seines Mandates verlustig:

    1. wenn er die Angelobung nicht in der im

      § 4 vorgeschriebenen Weise oder überhaupt nicht leistet oder sie unter Beschränkungen oder Vorbehalten leisten will;

    2. wenn er durch 30 Tage den Eintritt in den Nationalrat verzögert hat oder 30 Tage ohne einen vom Nationalrat anerkannten triftigen Grund (§ 12 Abs. 2) von den Sitzungen des Nationalrates ausgegeben ist und der nach Ablauf der 30 Tage an ihn öffentlich und im Nationalrat gerichteten Aufforderung des Präsidenten,

      binnen weiterer 30 Tage zu erscheinen oder seine Abwesenheit zu rechtfertigen, nicht Folge geleistet hat;

    3. wenn er nach erfolgter Wahl die Wählbarkeit verliert;

    4. in den Fällen der §§ 7 und 8 des Unvereinbarkeitsgesetzes,

      BGBl. Nr. 294/1925, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 100/1931.

      (2) Wird einer der im Abs. 1 Z. 1 bis 3 vorgesehenen Fälle dem Präsidenten zur Kenntnis gebracht, so hat er dies dem Nationalrat bekanntzugeben, der mit einfacher Mehrheit über den im Art. 141 Abs. 1 B-VG vorgesehenen Antrag beschließt. Dieser Beschluß ist durch den Hauptausschuß vorzubereiten.

      (3) Wird ein Beschluß nach Abs. 2 vom Nationalrat gefaßt, so hat dessen Präsident den Antrag namens des Vertretungskörpers beim Verfassungsgerichtshof einzubringen.

      (4) In den Fällen des Abs. 1 Z. 4 finden die Vorschriften des § 8 des Unvereinbarkeitsgesetzes,

      BGBl. Nr. 294/1925, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 100/1931, Anwendung.

      (5) Nach Einlangen eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes beim Präsidenten des Nationalrates, mit dem der Verlust eines Mandates ausgesprochen wird, hat der Präsident jene Person, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ihres Mandates für verlustig erklärt worden ist, hievon zu verständigen. Der Verlust des Mandates tritt ein mit dem auf die Zustellung des diesen Ausspruch enthaltenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes an den Präsidenten des Nationalrates folgenden Tag. Der Präsident hat in der nächsten Sitzung des Nationalrates das Erkenntnis bekanntzugeben.

      (6) Abs. 5 gilt sinngemäß auch für den Fall,

      daß der Verfassungsgerichtshof einer Wahlanfechtung stattgegeben hat, weil eine nicht wählbare Person für gewählt erklärt oder einer wählbaren Person die Wählbarkeit zu Unrecht aberkannt worden ist.

      (7) Im Falle des Art. 141 Abs. 2 B-VG verlieren die betroffenen Abgeordneten ihr Mandat erst mit dem Zeitpunkt der Hinterlegung der Wahlscheine der bei der Wiederholungswahl gewählten Abgeordneten in der Parlamentsdirektion.

      (8) Verzichtet ein Abgeordneter auf die weitere Ausübung seines Mandates, so wird dieser Verzicht mit dem Einlangen der Mitteilung der Hauptwahlbehörde hierüber beim Präsidenten des Nationalrates rechtswirksam, sofern in der Verzichtserklärung nicht ein späterer Zeitpunkt angeführt ist. :

      (1) Der neugewählte Nationalrat wird vom Bundespräsidenten innerhalb dreißig Tagen nach der Wahl einberufen.

      (2) Der Präsident des früheren Nationalrates eröffnet die Sitzung und führt bis zur Wahl des neuen Präsidenten den Vorsitz.

      (3) Er beruft vier Abgeordnete zur vorläufigen Besorgung der Geschäfte der Schriftführer.

      § 4

      (1) Über Aufforderung des Vorsitzenden haben die Abgeordneten bei Namensaufruf durch die Worte „Ich gelobe" unverbrüchliche Treue der Republik, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung ihrer Pflichten zu geloben.

      (2) Später eintretende Abgeordnete leisten die Angelobung bei ihrem Eintritt.

      § 5

      (1) Nach der Angelobung wählt der Nationalrat aus seiner Mitte den Präsidenten, den Zweiten und den Dritten Präsidenten.

      (2) Nach den Präsidenten werden fünf Schriftführer und mindestens drei Ordner gewählt.

      (3) Alle Wahlen gelten für die ganze Gesetzgebungsperiode.

      (1) Die Präsidenten und der Hauptausschuß,

      an Stelle des letzteren im Falle der Auflösung des Nationalrates gemäß Art. 29 Abs. 1 B-VG der Ständige Unterausschuß des Hauptausschusses,

      bleiben im Amte, bis der neugewählte Nationalrat die Präsidenten und den Hauptausschuß neu gewählt hat.

      (2) Wenn die gewählten Präsidenten an der Ausübung ihres Amtes verhindert oder ihre

      Ämter erledigt sind, führt der an Jahren älteste am Sitz des Nationalrates anwesende Abgeordnete den Vorsitz, sofern er an der Ausübung seiner Funktionen nicht gehindert ist und einer Partei angehört, die im Zeitpunkt der Verhinderung der Gewählten beziehungsweise der Erledigung der Ämter im Präsidium des Nationalrates vertreten war; dieser Abgeordnete hat den Nationalrat sofort einzuberufen und nach Eröffnung der Sitzung die Wahl von drei Vorsitzenden,

      welche die Funktionen der verhinderten Präsidenten

      übernehmen, oder im Falle der Erledigung der Ämter die Wahl des Präsidenten vornehmen zu lassen.

      (3) Wenn er dieser Pflicht binnen acht Tagen,

      vom Eintritt der Verhinderung der Präsidenten beziehungsweise der Erledigung der Ämter an gerechnet, nicht nachkommt, gehen die vorher genannten Rechte an den nächsten jeweils ältesten Abgeordneten über, bei dem die vorstehend angeführten Voraussetzungen zutreffen.

      (4) Die so gewählten Vorsitzenden bleiben im Amt, bis mindestens einer der an der Ausübung ihrer Funktionen verhinderten Präsidenten sein Amt wieder ausüben kann.

      § 7

      Abgeordnete derselben wahlwerbenden Partei haben das Recht, sich in einem Klub zusammenzuschließen.

      Für die Anerkennung eines solchen Zusammenschlusses ist die Zahl von mindestens fünf Mitgliedern erforderlich. Abgeordnete,

      die nicht derselben wahlwerbenden Partei angehören,

      können sich in einem Klub nur mit Zustimmung des Nationalrates zusammenschließen.

      Die Ergebnisse der Konstituierung eines Klubs sind dem Präsidenten schriftlich mitzuteilen.

      § 8

      (1) Die Präsidenten und die Obmänner der Klubs bilden die Präsidialkonferenz. Die Obmänner der Klubs können sich vertreten lassen.

      (2) Die Präsidialkonferenz ist ein beratendes Organ. Sie erstattet insbesondere Vorschläge zur Erstellung und Durchführung der Arbeitspläne,

      zur Festlegung der Tagesordnungen und der Sitzungszeiten des Nationalrates, zur Zuweisung von Vorlagen an die Ausschüsse sowie zur Koordinierung der Sitzungszeiten der Ausschüsse.

      (3) Die Erlassung der Hausordnung (§ 14

      Abs. 1) sowie die Verfügungen des Präsidenten hinsichtlich der Liste der Abgeordneten (§ 14

      Abs. 6) oder des Entfalls der Fragestunde (§ 94

      Abs. 5) bedürfen jedenfalls der vorherigen Beratung in der Präsidialkonferenz.

  2. Allgemeine Rechte und Pflichten der Abgeordneten

    § 9

    Jeder Abgeordnete, dessen Wahlschein in der Parlamentsdirektion hinterlegt ist, hat für die Dauer der jeweiligen Gesetzgebungsperiode so lange Sitz und Stimme im Nationalrat, als nicht seine Mitgliedschaft aus einem der im § 2 genannten Gründe erloschen ist.

    S 10

    (1) Die Abgeordneten können wegen der in Ausübung ihres Berufes geschehenen Abstimmungen niemals, wegen der in diesem Beruf gemachten mündlichen Äußerungen nur vom Nationalrat verantwortlich gemacht werden.

    (2) Kein Abgeordneter darf wegen einer strafbaren Handlung — den Fall der Ergreifung auf frischer Tat bei Verübung eines Verbrechens ausgenommen

    — ohne Zustimmung des Nationalrates verhaftet oder sonst behördlich verfolgt werden. Der Nationalrat hat über ein Ersuchen der zur Verfolgung berufenen Behörde um Zustimmung zur Verhaftung oder sonstigen behördlichen Verfolgung eines Abgeordneten binnen sechs Wochen zu beschließen. Beschließt der Nationalrat innerhalb dieser Frist, dem Ersuchen nicht stattzugeben, so ist die Verfolgung gemäß

    Art. 57 Abs. 2 B-VG auf die Dauer der Gesetzgebungsperiode aufzuschieben; andernfalls darf die Verhaftung oder sonstige behördliche Verfolgung stattfinden. Die tagungsfreie Zeit wird weder in diese Frist noch in die Verjährungszeit eingerechnet.

    (3) Im Fall der Ergreifung auf frischer Tat bei Verübung eines Verbrechens hat die Behörde dem Präsidenten des Nationalrates sogleich die geschehene Verhaftung bekanntzugeben. Wenn es der Nationalrat oder in der tagungsfreien Zeit der mit diesen Angelegenheiten betraute ständige Ausschuß (Immunitätsausschuß) verlangt, muß die Haft aufgehoben oder die Verfolgung überhaupt auf die Dauer der Gesetzgebungsperiode aufgeschoben werden.

    (4) Die Immunität der Abgeordneten (Abs. 1

    bis 3) endigt mit dem Tag des Zusammentrittes des neugewählten Nationalrates, bei Organen des Nationalrates, deren Funktion über diesen Zeitpunkt hinausgeht, mit dem Erlöschen dieser Funktion.

    § 11

    (1) Jeder Abgeordnete ist verpflichtet, an den Sitzungen des Nationalrates und der Ausschüsse,

    in die er gewählt ist, teilzunehmen.

    (2) Die Abwesenheit eines Abgeordneten von solchen Sitzungen kann nur durch Krankheit oder andere triftige Gründe entschuldigt werden.

    § 12

    (1) Ein Abgeordneter, der verhindert ist, an einer oder mehreren aufeinanderfolgenden Sitzungen des Nationalrates teilzunehmen, hat dies dem Präsidenten vor Beginn der Sitzung beziehungsweise der ersten von mehreren aufeinanderfolgenden Sitzungen schriftlich unter Angabe des Grundes mitzuteilen. Diese Mitteilung kann auch durch den Klub erfolgen, dem der verhinderte Abgeordnete angehört.

    (2) Teilt ein Abgeordneter dem Präsidenten eine Verhinderung von mehr als 30 Tagen mit und ist diese nicht durch Krankheit begründet,

    so hat der Präsident dies dem Nationalrat bekanntzugeben.

    Wird gegen die Triftigkeit des Grundes der Abwesenheit eine Einwendung erhoben,

    so entscheidet der Nationalrat ohne Debatte, ob der...

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