Bundesgesetz vom 14. Dezember 1961 über das Dienstverhältnis der Richter und Richteramtsanwärter (Richterdienstgesetz ? RDG.).

Der Nationalrat hat beschlossen:

ARTIKEL I.

Anwendungsbereich.

Dieses Bundesgesetz ist auf die Richter und die Richteramtsanwärter anzuwenden.

ARTIKEL II.

Richter.

Richter im Sinne dieses Bundesgesetzes sind die gemäß Artikel 86 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ernannten Organe.

ARTIKEL III.

Richteramtsanwärter.

(1) Richteramtsanwärter sind die Bundesbeamten im richterlichen Vorbereitungsdienst. Sie führen den Amtstitel Richteramtsanwärter.

(2) Soweit dieses Bundesgesetz nicht besondere Vorschriften für die Richteramtsanwärter enthält,

sind die für die Richter geltenden Vorschriften sinngemäß auf die Richteramtsanwärter anzuwenden; ausgenommen die Vorschriften der

§§ 25 Abs. 3 und 4, 30 bis 33, 36 bis 49, 70,

77, 81, 82, 90, 92 bis 98.

  1. TEIL.

    Dienstrecht.

    1. ABSCHNITT.

    Richterlicher Vorbereitungsdienst. Begründung und Auflösung des Dienstverhältnisses.

    Aufnahme in das Dienstverhältnis.

    § 1. (1) Die Aufnahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst erfolgt durch Ernennung zum Richteramtsanwärter.

    (2) Der Richteramtsanwärter ist ohne Bestimmung eines Dienstortes für den Oberlandesgerichtssprengel zu ernennen.

    Aufnahmeerfordernisse.

    § 2. Zum Richteramtsanwärter darf nur ein

    österreichischer Staatsbürger von ehrenhaftem Vorleben ernannt werden, dessen Handlungsfähigkeit nicht beschränkt ist, der die körperliche und geistige Eignung für den Richterberuf besitzt und die in der juristischen Studien- und Staatsprüfungsordnung vorgesehenen Staatsprüfungen mit Erfolg abgelegt hat.

    Provisorisches Dienstverhältnis. Definitivstellung,

    § 3. (1) Das Dienstverhältnis ist zunächst provisorisch und wird nach vierjähriger Dauer und bestandener Richteramtsprüfung auf Ansuchen des Richteramtsanwärters definitiv.

    (2) In die provisorische Dienstzeit können die für die Vorrückung angerechneten Vordienstzeiten ganz oder zum Teil eingerechnet werden.

    Bei der Einrechnung ist auf die bisherige Berufslaufbahn im Hinblick auf die künftige Verwendung des Richteramtsanwärters Bedacht zu nehmen.

    (3) Während eines Disziplinarverfahrens und vor Ablauf von drei Monaten nach rechtskräftigem Abschluß desselben kann das provisorische Dienstverhältnis des Richteramtsanwärters nicht definitiv werden. Ist das Disziplinarverfahren durch Einstellung oder Freispruch beendet worden,

    so kann die Definitivstellung mit Wirkung auf einen Zeitpunkt vorgenommen werden, zu dem sie ohne das Disziplinarverfahren möglich gewesen wäre.

    Ernennungsdekret.

    § 4. Über die Ernennung zum Richteramtsanwärter ist ein Dekret auszufertigen, in dem der Dienstposten und der Amtstitel anzugeben und darauf hinzuweisen ist, daß das Dienstverhältnis provisorisch ist.

    Pflichtenangelobung des Richteramtsanwärters.

    § 5. Der Richteramtsanwärter hat bei Antritt seines Dienstes beim Präsidenten des Oberlandesgerichtes folgende Pflichtenangelobung zu leisten:

    Ich gelobe, daß ich die Verfassung und die Gesetze der Republik Österreich unverbrüchlich beachten und meine ganze Kraft in den Dienst der Republik Österreich stellen werde.

    Versetzung des Richteramtsanwärters.

    § 6. Der Richteramtsanwärter kann im dienstlichen Interesse von Amts wegen in einen anderen Oberlandesgerichtssprengel versetzt werden;

    hiebei ist ihm unter Wahrung der dienstlichen Interessen und mit tunlicher Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse eine angemessene

    Übersiedlungsfrist zu gewähren.

    Auflösung des Dienstverhältnisses.

    § 7. (1) Das provisorische Dienstverhältnis kann vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes durch schriftliche Kündigung zum Ende jedes Kalendermonates gelöst werden. Die Kündigungsfrist beträgt während der ersten sechs Monate des Dienstverhältnisses einen Monat, nach Ablauf von sechs Monaten zwei Monate und nach Vollendung des zweiten Dienstjahres drei Monate.

    Die Kündigung ist nur mit Angabe eines Grundes möglich.

    (2) Die Gründe zur Auflösung des Dienstverhältnisses sind:

  2. Nichtablegung der Richteramtsprüfung innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Ausbildungsdienstes oder Nichtbestehen der wiederholten Richteramtsprüfung;

  3. auf Grund amtsärztlichen Gutachtens festgestellter Mangel der körperlichen oder geistigen Eignung;

  4. unbefriedigender Arbeitserfolg;

  5. pflichtwidriges Verhalten im oder außer Dienst;

  6. Bedarfsmangel.

    (3) Die Kündigung wegen pflichtwidrigen Verhaltens ist während eines Disziplinarverfahrens

    über dieses Verhalten unzulässig. Die Kündigung ist auch unzulässig, wenn das pflichtwidrige Verhalten Gegenstand eines Disziplinarverfahrens gewesen ist, das durch Einstellung oder Freispruch geendet hat.

    Dienstentlassung infolge Verurteilung.

    § 8. Wird der Richteramtsanwärter zu einer Strafe verurteilt, die den Verlust des Amtes kraft Gesetzes nach sich zieht, so ist vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes die Dienstentlassung zu vollziehen.

    1. ABSCHNITT.

    Ausbildung des Richteramtsanwärters.

    Dauer des Ausbildungsdienstes.

    § 9. (1) Der Richteramtsprüfung hat ein dreijähriger Ausbildungsdienst voranzugehen, der beim Bezirksgericht, beim Gerichtshof erster Instanz und bei der Staatsanwaltschaft bei einem Gerichtshof erster Instanz zu leisten ist.

    (2) Ein Teil des Ausbildungsdienstes kann beim Obersten Gerichtshof, beim Oberlandesgericht,

    beim Arbeitsgericht und bei der Finanzprokuratur geleistet werden.

    (3) Die Dienstleistung beim Bezirksgericht und beim Gerichtshof erster Instanz hat mindestens je ein Jahr zu dauern; jede andere der genannten Dienstleistungen darf die Dauer von sechs Monaten nicht überschreiten.

    Gestaltung des Ausbildungsdienstes.

    § 10. (1) Der Ausbildungsdienst ist so einzurichten,

    daß der Richteramtsanwärter in sämtlichen Geschäftszweigen des gerichtlichen und des staatsanwaltschaftlichen Dienstes einschließlich des Dienstes in der Geschäftsstelle unterwiesen wird und die zur selbständigen Ausübung des Amtes eines Richters oder Staatsanwaltes erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben kann. Der Richteramtsanwärter ist soviel als möglich zur Ausarbeitung von Entscheidungsentwürfen und zu anderer konzeptiver Vorarbeit in Zivil- und in Strafsachen heranzuziehen. Er ist auch als Schriftführer zu beschäftigen, jedoch nur insoweit,

    als dies mit dem Zweck der Ausbildung vereinbar ist.

    (2) Bei der Gestaltung des Ausbildungsdienstes ist darauf Bedacht zu nehmen, daß dem Richteramtsanwärter zum Studium für die Richteramtsprüfung und seine wissenschaftliche Fortbildung genügend Zeit frei bleibt.

    Leitung des Ausbildungsdienstes.

    § 11. Der Präsident des Oberlandesgerichtes hat den Ausbildungsdienst zu leiten und die Verwendung des Richteramtsanwärters zu bestimmen.

    Beurteilung der Ausbildung.

    § 12. Jeder mit der Ausbildung des Richteramtsanwärters betraute Richter oder Beamte hat dessen Leistungen, Ausbildungsstand und Eignung für den Richterberuf schriftlich zu beurteilen.

    Nach Ablauf der Verwendung des Richteramtsanwärters bei einer Behörde hat deren Vorstand diese Beurteilungen unter Anschluß seiner Stellungnahme dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes zu übersenden.

    Nichteinrechnung in den Ausbildungsdienst.

    § 13. Die Zeit, während der der Richteramtsanwärter wegen Krankheit, Sonderurlaubes oder Wehrdienstes dem Ausbildungsdienst entzogen ist, wird, soweit sie jährlich zusammen sechs Wochen überschreitet, in die vorgeschriebene Dauer des Ausbildungsdienstes nicht eingerechnet.

    Ãœbungskurse zur Ausbildung.

    § 14. (1) Beim Oberlandesgericht, erforderlichenfalls auch beim Gerichtshof erster Instanz sind Übungskurse zur Ausbildung der Richteramtsanwärter einzurichten.

    (2) Die Übungskurse sollen den Richteramtsanwärter in Stand setzen, seine Rechtskenntnisse praktisch zu verwerten, seine Fähigkeit, Rechtsfälle mündlich und schriftlich darzustellen und zu entscheiden, fördern und sein Verständnis für die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenhänge und ihre Bedeutung für die Rechtsanwendung wecken.

    (3) Der Richteramtsanwärter soll auch die für den Richter unerläßlichen Kenntnisse auf dem Gebiete der Kriminologie, des Strafvollzuges sowie auf kulturellem und wirtschaftlichem Gebiet erwerben. Zu diesem Zwecke sind besondere Kurse und Übungen abzuhalten.

    Einrechnung in den Ausbildungsdienst.

    § 15. Die vor der Ernennung zum Richteramtsanwärter zurückgelegte Praxis als Rechtspraktikant,

    bei der Finanzprokuratur oder bei einer anderen Dienststelle der Verwaltung, als Rechtsanwaltsanwärter oder Notariatskandidat ist vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes ganz oder teilweise in den Ausbildungsdienst einzurechnen,

    soweit durch diese Praxis eine den Zwecken des Ausbildungsdienstes entsprechende Verwendung und Ausbildung des Richteramtsanwärters gewährleistet ist.

    Richteramtsprüfung.

    § 16. (1) Durch die Richteramtsprüfung sollen die für den Gerichtsdienst nötigen theoretischen und praktischen Kenntnisse und die Fähigkeit des Kandidaten zur gewandten und richtigen rechtlichen Beurteilung und Entscheidung von Zivil- und von Straffällen nachgewiesen werden.

    (2) Die Richteramtsprüfung ist schriftlich und mündlich abzulegen. Sie hat mit der schriftlichen Prüfung zu beginnen.

    (3) Gegenstand der schriftlichen Prüfung sind zwei an Hand von Gerichtsakten unter Aufsicht zu verfassende Klausurarbeiten über je ein Thema aus dem Zivil- und dem Strafrecht. Diese Arbeiten sind an zwei verschiedenen Tagen innerhalb eines Zeitraumes von längstens je zehn Stunden anzufertigen. Dem Kandidaten ist die Benützung der Gesetzesausgaben und der literarischen Behelfe gestattet; ausgenommen sind die Sammlungen von Entscheidungen, Sammlungen von Musterbeispielen und Formularbücher.

    (4) Gegenstand der mündlichen Prüfung sind:

  7. das Privatrecht;

  8. das Handels-, Wechsel- und Scheckrecht;

  9. das zivilgerichtliche Verfahren;

  10. das Strafrecht und das Strafverfahrensrecht einschließlich des Strafvollzugsrechtes;

  11. die Verfassung und die innere...

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