Bundesgesetz vom 28. Juni 1990 über das Disziplinarrecht der Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (Disziplinarstatut 1990 ? DSt 1990) sowie über Änderungen der Rechtsanwaltsordnung, der Zivilprozeßordnung und der Strafprozeßordnung

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel I Disziplinarstatut 1990 (DSt 1990)

Erster Abschnitt Allgemeine Bestimmungen

§ 1. (1) Ein Rechtsanwalt, der schuldhaft die Pflichten seines Berufes verletzt oder inner- oder außerhalb seines Berufes durch sein Verhalten die Ehre oder das Ansehen des Standes beeinträchtigt,

begeht ein Disziplinarvergehen.

(2) Disziplinarvergehen sind vom Disziplinarrat zu behandeln.

(3) Im übrigen obliegt die standesrechtliche Aufsicht dem Ausschuß der Rechtsanwaltskammer

(§ 23 der Rechtsanwaltsordnung).

§ 2. (1) Durch Verjährung wird die Verfolgung eines Rechtsanwalts wegen eines Disziplinarvergehens ausgeschlossen, wenn 1. innerhalb eines Jahres ab Kenntnis des Kammeranwalts (§ 22 Abs. 1) von dem einem Disziplinarvergehen zugrunde liegenden Sachverhalt oder von allfälligen Wiederaufnahmsgründen kein Untersuchungskommissär bestellt oder 2. innerhalb von fünf Jahren nach der Beendigung eines disziplinären Verhaltens kein Einleitungsbeschluß

gefaßt oder ein rechtskräftig beendetes Disziplinarverfahren nicht zu seinem Nachteil wiederaufgenommen worden ist.

(2) Der Lauf der im Abs. 1 genannten Fristen wird gehemmt,

  1. wenn wegen des dem Disziplinarvergehen zugrunde liegenden Sachverhalts ein gerichtliches Strafverfahren anhängig ist, für die Dauer dieses Verfahrens;

  2. wenn die Berechtigung eines Rechtsanwalts zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft während des Laufes der Verjährungsfrist erlischt, bis zu seiner allfälligen Wiedereintragung in die Liste der Rechtsanwälte.

    (3) Bildet ein Disziplinarvergehen zugleich eine gerichtlich strafbare Handlung und ist die strafrechtliche Verjährungsfrist länger als die im Abs. 1

    Z 2 angeführte Frist, so tritt an deren Stelle die strafrechtliche Verjährungsfrist.

    (4) Begeht der Rechtsanwalt innerhalb der Verjährungsfrist erneut ein gleichartiges Disziplinarvergehen,

    so tritt Verjährung nach Abs. 1 nicht ein, bevor auch für dieses Disziplinarvergehen die Verjährungsfrist abgelaufen ist.

    (5) Sind seit der Beendigung eines disziplinären Verhaltens zehn Jahre verstrichen, so darf ein Disziplinarerkenntnis nicht mehr gefällt werden.

    § 3. Ein Disziplinarvergehen ist vom Disziplinarrat nicht zu verfolgen, wenn das Verschulden des Rechtsanwalts geringfügig ist und sein Verhalten keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat.

    § 4. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind auch auf die in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter eingetragenen Rechtsanwaltsanwärter anzuwenden,

    soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist.

    Zweiter Abschnitt Disziplinarrat und Kammeranwalt

    § 5. (1) Am Sitz jeder Rechtsanwaltskammer ist ein Disziplinarrat zu errichten.

    (2) Der Disziplinarrat besteht einschließlich des Präsidenten aus acht Mitgliedern, wenn in die Liste der Rechtsanwälte am 31. Dezember des der Wahl des Disziplinarrats vorangegangenen Kalenderjahrs nicht mehr als 50 Rechtsanwälte eingetragen sind,

    aus elf Mitgliedern, wenn 51 bis 100 Rechtsanwälte eingetragen sind, aus 14 Mitgliedern, wenn 101 bis 200 Rechtsanwälte eingetragen sind, aus 21 Mitgliedern,

    wenn 201 bis 800 Rechtsanwälte eingetragen sind, und aus 35 Mitgliedern, wenn mehr als 800 Rechtsanwälte eingetragen sind.

    (3) Beim Disziplinarrat sind ein Kammeranwalt und ein Stellvertreter desselben zu bestellen. Bei einem Disziplinarrat mit 21 Mitgliedern sind neben dem Kammeranwalt zwei Stellvertreter, bei einem Disziplinarrat mit 35 Mitgliedern fünf Stellvertreter zu bestellen.

    § 6. (1) Auf einvernehmlichen Antrag von Rechtsanwaltskammern desselben Oberlandesgerichtssprengels kann der Bundesminister für Justiz im Interesse einer zweckmäßigen Handhabung der Disziplinargewalt durch Verordnung verfügen, daß

    ein gemeinsamer Disziplinarrat am Sitz einer dieser Kammern zu errichten ist.

    (2) Eine solche Verordnung kann der Bundesminister für Justiz auch ohne Antrag nach Anhörung der beteiligten Rechtsanwaltskammern erlassen,

    wenn in die Liste einer dieser Kammern weniger als 25 Rechtsanwälte eingetragen sind und ohne eine solche Verordnung die ordnungsgemäße Handhabung der Disziplinargewalt nicht mehr gewährleistet wäre.

    (3) Ist ein gemeinsamer Disziplinarrat errichtet,

    so sind die Beitragsleistungen der beteiligten Rechtsanwaltskammern zu den Kosten des Disziplinarrats,

    sofern zwischen ihnen nichts anderes vereinbart wird, nach dem Verhältnis der Anzahl der in die Liste dieser Kammern eingetragenen Rechtsanwälte zu bestimmen.

    § 7. (1) Der Präsident und die übrigen Mitglieder des Disziplinarrats sowie der Kammeranwalt und dessen Stellvertreter werden von der Vollversammlung auf dieselbe Art wie der Ausschuß (§ 24 der Rechtsanwaltsordnung) auf drei Jahre gewählt. Im Fall eines gemeinsamen Disziplinarrats (§ 6) ist die Wahl in einer gemeinsamen Vollversammlung der beteiligten Rechtsanwaltskammern vorzunehmen.

    Diese Vollversammlung ist von der Rechtsanwaltskammer einzuberufen, an deren Sitz der gemeinsame Disziplinarrat zu errichten ist.

    (2) Ein Rechtsanwalt, gegen den rechtskräftig eine Disziplinarstrafe verhängt worden ist, kann vor deren Tilgung nicht zu einem der im Abs. 1

    genannten Ämter gewählt werden.

    (3) Ein Mitglied des Ausschusses darf nicht zugleich Mitglied des Disziplinarrats sein.

    (4) Der Disziplinarrat hat aus seiner Mitte einen,

    bei 21 Mitgliedern zwei und bei 35 Mitgliedern vier Vizepräsidenten zu wählen.

    (5) Das Ergebnis der Wahlen ist binnen einem Monat dem Präsidenten des Oberlandesgerichts,

    dem Präsidenten der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter sowie dem Bundesminister für Justiz mitzuteilen.

    § 8. Bei Verhinderung des Präsidenten üben dessen Amt die Vizepräsidenten in der Reihenfolge ihrer Amtsdauer aus, bei deren Verhinderung das Mitglied des Disziplinarrats mit der längsten Amtsdauer; bei gleicher Amtsdauer ist das Lebensalter maßgeblich.

    § 9. (1) Zur Festsetzung einer Geschäftsordnung des Disziplinarrats ist die Vollversammlung der Rechtsanwaltskammer zuständig. Die Bestimmungen des § 27 Abs. 4 zweiter Satz und Abs. 5 der Rechtsanwaltsordnung sind sinngemäß anzuwenden.

    (2) Die Geschäftsordnung kann bestimmen, daß

    im Fall der Neuwahl des gesamten Disziplinarrats die Vizepräsidenten und ein Teil der Mitglieder des Disziplinarrats, der im Jahr nicht mehr als ein Drittel betragen darf und durch Los zu bestimmen ist, schon vor Ablauf der Amtsdauer von drei Jahren ausscheiden, um eine möglichst gleichmäßige Führung der Geschäfte des Disziplinarrats zu gewährleisten.

    § 10. Der Kammeranwalt kann sich durch einen seiner Stellvertreter vertreten lassen. Bei Verhinderung des Kammeranwalts tritt an seine Stelle der von ihm für diesen Fall bestimmte Stellvertreter, ist ein solcher nicht bestimmt, der Stellvertreter mit der längsten Amtsdauer, bei gleicher Amtsdauer der an Lebensjahren älteste.

    § 11. (1) Jedes Mitglied der Rechtsanwaltskammer ist verpflichtet, die Wahl in den Disziplinarrat oder zum Kammeranwalt (Stellvertreter des Kammeranwalts)

    anzunehmen. Aus wichtigen Gründen kann jedoch die Annahme der Wahl abgelehnt oder das Amt zurückgelegt werden. Über die Zulässigkeit der Nichtannahme der Wahl oder der Rücklegung des Amtes entscheidet der Disziplinarrat durch Beschluß. Gegen diesen Beschluß ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.

    (2) Nach Ablauf der Amtsperiode kann für die nächste Amtsperiode eine Wahl abgelehnt werden.

    § 12. Mitglieder des Disziplinarrats, Kammeranwälte und deren Stellvertreter, gegen die ein gerichtliches Strafverfahren oder ein Disziplinarverfahren anhängig ist, dürfen bis zur Beendigung des Verfahrens ihr Amt nicht ausüben. Der Disziplinarrat kann jedoch nach Anhörung des Kammeranwalts und des Betroffenen unter Bedachtnahme auf Art und Gewicht des Verdachts beschließen, daß der Betroffene sein Amt weiter ausüben kann, solange im Disziplinarverfahren ein Einleitungsbeschluß

    nicht gefaßt wird. Gegen einen solchen Beschluß ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.

    § 13. Das Amt der Mitglieder des Disziplinarrats sowie des Kammeranwalts und dessen Stellvertreter erlischt mit dem Ablauf ihrer Amtsdauer, mit Zurücklegung des Amtes nach § 11 Abs. 1, mit dem Eintritt der Rechtskraft des Erkenntnisses, mit dem

    über den Betroffenen eine Disziplinarstrafe verhängt wird, sowie mit dem Erlöschen der Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft.

    Das Amt ist durch Neuwahl in der nächsten Vollversammlung neu zu besetzen.

    § 14. (1) Die Mitglieder des Disziplinarrats sind in Ausübung dieses Amtes an keine Weisungen gebunden. Sie haben ihr Amt unparteiisch auszuüben.

    (2) Die Mitglieder des Disziplinarrats, der Kammeranwalt und dessen Stellvertreter üben ihre Tätigkeit als Ehrenamt aus. Barauslagen sind ihnen nach Maßgabe der Geschäftsordnung aus der Kammerkasse zu ersetzen.

    § 15. (1) Der Disziplinarrat verhandelt und entscheidet in Senaten, die aus einem Vorsitzenden und, außer im Fall des § 29, aus vier weiteren Mitgliedern bestehen. Den Vorsitz führt der Präsident oder ein Vizepräsident, bei deren Verhinderung das Mitglied des Senats mit der längsten Amtsdauer; bei gleicher Amtsdauer ist das Lebensalter maßgeblich. Jedes Mitglied des Disziplinarrats darf mehreren Senaten angehören.

    (2) Der Präsident des Disziplinarrats hat die Senate, die über einstweilige Maßnahmen beschließen

    (§ 19), sowie die erkennenden Senate (§ 30)

    jährlich nach der Vollversammlung der Rechtsanwaltskammer zu bilden und die Geschäfte unter ihnen im vorhinein zu verteilen. Gleichzeitig ist die Reihenfolge zu bestimmen, in der die weiteren Mitglieder des Disziplinarrats bei Verhinderung eines Senatsmitglieds in die Senate eintreten. Die Geschäftsverteilung ist durch Anschlag in der Rechtsanwaltskammer bekanntzugeben. Die Zusammensetzung der Senate darf nur im Fall unbedingten Bedarfs abgeändert werden.

    (3) Alle anderen zu bildenden Senate hat der Präsident des Disziplinarrats unter...

Um weiterzulesen

FORDERN SIE IHR PROBEABO AN

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT