Bundesgesetz vom 11. Dezember 1969 über die Einstellung und Beschäftigung Invalider (Invalideneinstellungsgesetz 1969)

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel I

(Verfassungsbestimmung)

(1) Die Erlassung, Änderung und Aufhebung der Vorschriften dieses Bundesgesetzes sowie die Vollziehung dieser Vorschriften ist auch in den Angelegenheiten Bundessache, hinsichtlich deren das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 etwas anderes bestimmt.

(2) Die Bestimmungen dieses Artikels treten am 31. Mai 1970 in Kraft; sie treten mit Ablauf des 31. Dezember 1989 außer Kraft.

Artikel II Beschäftigungspflicht

§ 1. (1) Alle Dienstgeber mit Ausnahme des Bundes, der Länder, Gemeindeverbände und Gemeinden sind verpflichtet, auf 20 Dienstnehmer mindestens einen Invaliden (§ 2) und auf je 25 weitere Dienstnehmer mindestens einen weiteren Invaliden zu beschäftigen. In der Land-

und Forstwirtschaft beginnt die Beschäftigungspflicht der Dienstgeber bei 20 ständig beschäftigten familienfremden Dienstnehmern.

(2) In Betrieben, in denen sich regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres ein vermehrter Arbeitsanfall ergibt (Saisonbetriebe), haben die Dienstgeber (Abs. 1) der Beschäftigungspflicht dadurch zu entsprechen, daß sie mindestens so viele Invalide, als der nur auf die Zahl der ständig beschäftigten Dienstnehmer entfallenden Pflichtzahl (Abs. 4) entsprechen würde, ständig beschäftigen, im übrigen aber die zur Erfüllung der Beschäftigungspflicht erforderliche Zahl von Invaliden saisonmäßig einstellen. Das gleiche gilt sinngemäß für Dienstgeber, die Heimarbeiter beschäftigen.

(3) Der Bund, die Länder und Gemeinden sind verpflichtet, auf je 25 Dienstnehmer einen Invaliden zu beschäftigen. Sind bei einer Dienststelle oder einem Betrieb einer der angeführten Gebietskörperschaften weniger als 4 v. H. der Arbeitsplätze mit Invaliden besetzt, ist die Minderbeschäftigung von Invaliden durch eine Mehrbeschäftigung bei anderen Dienststellen oder Betrieben auszugleichen.

(4) Der Bundesminister für soziale Verwaltung kann nach Anhörung des Beirates (§ 10 Abs. 2)

die Zahl der nach Abs. 1 zu beschäftigenden Dienstnehmer (Pflichtzahl) für bestimmte Gebiete oder Betriebsgattungen durch Verordnung derart abändern, daß, wenn nicht genügend für Invalide geeignete Arbeitsplätze zur Verfügung stehen,

schon auf je 15 Dienstnehmer oder, wenn Betriebe aus technischen Gründen der Beschäftigungspflicht nicht nachkommen können, nur auf je höchstens 45 Dienstnehmer mindestens ein Invalider zu beschäftigen ist. Der Bundesminister für soziale Verwaltung kann ferner nach Anhörung dieses Beirates anordnen, daß Dienstgeber Arbeitsplätze, die sich wegen der Einfachheit und Ungefährlichkeit der Arbeitsverrichtungen für Invalide besonders eignen, diesen Invaliden oder bestimmten Gruppen von Invaliden vorbehalten.

(5) Zwecks gemeinschaftlicher Erfüllung der Beschäftigungspflicht durch Dienstgeber im Sinne des Abs. 1 können Verbände von fachlich zusammengehörigen Betrieben mit der Aufteilung der auf die zugehörigen Einzelbetriebe entfallenden Pflichteinstellungen betraut werden (§ 11 Abs. 1

und 2).

(6) Der Bundesminister für soziale Verwaltung kann nach Anhörung des Beirates (§ 10 Abs. 2)

im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler durch Verordnung bestimmen, daß bei Dienststellen oder Betrieben der im Abs. 3 angeführten Gebietskörperschaften Arbeitsplätze, die sich für Invalide besonders eignen (Abs. 4), diesen oder bestimmten Gruppen von Invaliden vorzubehalten sind.

Personenkreis

§ 2. (1) Invalide im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Personen, deren Erwerbsfähigkeit infolge a) einer Gesundheitsschädigung, für die nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957,

BGBl. Nr. 152, oder dem Heeresversorgungsgesetz,

BGBl. Nr. 27/1964, Versorgung gewährt wird, oder b) eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung oder c) einer der im § 1 Abs. 1 lit. c des Opferfürsorgegesetzes,

BGBl. Nr. 183/1947, angeführten Ursachen oder d) des Zusammenwirkens mehrerer der angeführten Ursachen um mindestens 50 v. H. gemindert ist. Blinde gelten auch dann als Invalide im Sinne dieses Absatzes, wenn die Blindheit auf keine der angeführten Ursachen zurückzuführen ist.

(2) Den im Abs. 1 genannten Invaliden sind auf Antrag Personen gleichzustellen, deren Erwerbsfähigkeit aus einer im Abs. 1 angeführten Ursache um mindestens 25 v. H. gemindert ist,

wenn sie sich infolge ihres Gebrechens ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht zu verschaffen oder zu erhalten vermögen und durch die Gleichstellung die Unterbringung der im Abs. 1 genannten Invaliden nicht gefährdet wird. Unter denselben Voraussetzungen ist die Gleichstellung auch Personen zu bewilligen,

deren Erwerbsfähigkeit durch ein Gebrechen,

das auf keine der im Abs. 1 angeführten Ursachen zurückzuführen ist, um mindestens 50 v. H. gemindert ist. Über die Gleichstellung entscheidet der Invalidenausschuß (§ 12).

Die Gleichstellung kann befristet werden; sie ist bei Wegfall der Voraussetzungen zu widerrufen.

(3) Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Begünstigungen dieses Bundesgesetzes ist die Eignung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.

Invalide, denen kraft Gesetzes ein Anspruch auf unentgeltliche berufliche Ausbildung (Ein- oder Umschulung) zwecks Wiedergewinnung oder Erhöhung der Erwerbsfähigkeit zusteht, sind vor der Inanspruchnahme der Begünstigungen der als notwendig erkannten beruflichen Ausbildung zuzuführen.

(4) Auf ausländische Invalide findet dieses Bundesgesetz, unbeschadet der Vorschriften der Abs. 5 und 6, nur nach Maßgabe der mit ihren Heimatstaaten getroffenen Vereinbarungen Anwendung.

(5) Den Invaliden im Sinne des Abs. 1 stehen Personen deutscher Sprachzugehörigkeit gleich,

die staatenlos sind oder deren Staatsangehörigkeit ungeklärt ist (Volksdeutsche), wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge a) einer Gesundheitsschädigung, für die österreichischen Staatsbürgern nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 Versorgung zu gewähren wäre, oder b) eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung oder c) des Zusammenwirkens der angeführten Ursachen um mindestens 50 v. H. gemindert ist. Das gleiche gilt auch dann, wenn diese Personen blind sind und die Blindheit auf keine der angeführten Ursachen zurückzuführen ist.

(6) Volksdeutschen, deren Erwerbsfähigkeit durch eine im Abs. 5 angeführte Ursache oder durch das Zusammenwirken beider dort angeführten Ursachen um mindestens 25 v. H. gemindert ist, ist bei Zutreffen der im Abs. 2 aufgestellten Voraussetzungen die Gleichstellung mit den im Abs. 1 genannten Invaliden zu bewilligen.

Unter denselben Bedingungen ist die Gleichstellung auch solchen Volksdeutschen zu bewilligen,

deren Erwerbsfähigkeit durch ein Gebrechen im Sinne des Abs. 2, das auf keine der im Abs. 5 angeführten Ursachen zurückzuführen ist,

um mindestens 50 v. H. gemindert ist.

Ausschluß von den Begünstigungen

§ 3. Wenn ein Invalider ohne berechtigten Grund die Annahme einer durch das Arbeitsamt zugewiesenen Arbeit zurückweist oder den Arbeitsplatz verläßt oder sonst durch sein Verhalten die Durchführung dieses Bundesgesetzes schuldhaft vereitelt, ist der zeitweilige Ausschluß

von den Begünstigungen zu verfügen; der Betreffende ist vorher zu hören. Die Ausschlußfrist darf erstmalig nicht mehr als drei Monate betragen.

Über den Ausschluß von den Begünstigungen entscheidet der Invalidenausschuß (§ 12).

Berechnung der Pflichtzahl

§ 4. (1) Bei Feststellung der Gesamtzahl der Dienstnehmer, von der die Pflichtzahl zu berech-

nen ist (§ 1 Abs. 1, 2, 4 und 5), sind die örtlich zusammenhängenden und einer gemeinsamen Leitung unterstehenden gleichartigen oder zusammengehörigen Betriebe desselben Dienstgebers zusammenzufassen. Nicht einzurechnen sind hiebei:

a) Invalide (§ 2) und die Dienstnehmer, die der Dienstgeber auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften zu beschäftigen verpflichtet ist;

b) die nicht schon nach § 2 Abs. 1 lit. b begünstigten eigenen Unfallverletzten,

wenn die Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit infolge des Unfalls nach Feststellung des Landesinvalidenamtes mindestens 50 v. H. beträgt;

c) Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr und Personen, die in einem Lehr- oder anderen Ausbildungsverhältnis stehen;

d) Dienstnehmer, die Präsenzdienst leisten,

und Dienstnehmerinnen während der Zeiten,

in denen sie auf Grund der gesetzlichen Vorschriften über den Mutterschutz nicht beschäftigt werden;

e) Dienstnehmer, die nur vorübergehend...

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