Entscheidungs 10Ob45/16i. OGH, 18-05-2017

ECLIECLI:AT:OGH0002:2017:0100OB00045.16I.0518.000
Judgement Number10Ob45/16i
Record NumberJJT_20170518_OGH0002_0100OB00045_16I0000_000
Date18 Mayo 2017
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Schramm, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, 1060 Wien, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Breiteneder Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei L***** AG, *****, Schweiz, vertreten durch Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert: 30.500 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert: 5.500 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 11. Februar 2016, GZ 4 R 62/15i-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 13. Februar 2015, GZ 39 Cg 26/13m-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.197,80 EUR (darin 366,30 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist ein zur Unterlassungsklage gemäß § 28 Abs 1 KSchG berechtigter Verein.

Die Beklagte betreibt eine Einkaufsgemeinschaft. Ihr Geschäftsmodell beruht einerseits auf Kooperationsvereinbarungen mit Partnerunternehmern (Dienstleistern, Händlern usw), die der Beklagten Vermittlungsprovisionen zahlen. Andererseits schließt die Beklagte Verträge mit ihren Kunden. Diese sind Mitglieder der Einkaufsgemeinschaft und erwerben durch ihre Einkäufe bei den Partnerunternehmen verschiedene Vorteile, wie etwa Rückvergütungen eines bestimmten Prozentsatzes des Preises nach jedem Kauf („Cashback“) oder Erwerb eines „Freundschaftsbonus“ bei jedem Einkauf eines von ihnen geworbenen (weiteren) Mitglieds.

Daneben gibt es noch weitere Vergütungen („erweiterte Mitgliedsvorteile“), wie die „Treueprämie“, den „Treuebonus“, die „Treuegutschrift“, die „Partnerprämie“, die „Volumenprämie“, das „Karrieregeschenk“, den „Volumenbonus“, die „Bonuseinheiten“, und die „Einheiten-Umbuchung“.

Die Beklagte richtet ihre Tätigkeit auch auf österreichische Konsumenten aus und schließt mit diesen Verträge über die Mitgliedschaft in der Einkaufsgemeinschaft. Im geschäftlichen Verkehr (auch) mit Verbrauchern verwendet(e) die Beklagte Allgemeine Geschäftsbedingungen, die sie von ihr geschlossenen Verträgen zugrunde legt(e), bzw in Vertragsformblättern die noch anzuführenden Klauseln. Diese befinden sich in den derzeit aktuellen „Allgemeinen Geschäftsbedingungen für L*****-Mitglieder“ (Fassung April 2012, in der Folge: AGB 2012) und in den „Zusätzlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen für L*****-Mitglieder zur Nutzung der erweiterten Mitgliedsvorteile“ (Fassung April 2012, in der Folge: ZAGB 2012), aber auch – mit teils anderer Nomenklatur – in den früher verwendeten „Allgemeinen Geschäftsbedingungen für L*****-Mitglieder samt Anlage L*****-Provisionen und Sondervergütungen in der Fassung April 2007 (in der Folge: AGB 2007), den „Allgemeinen Geschäftsbedingungen für L*****-Mitglieder samt Anlage L*****-Vergütungen und Zahlungsarten“ in der Fassung Oktober 2008 (in der Folge: AGB 2008), den „Allgemeinen Geschäftsbedingungen für L*****-Mitglieder samt Anlage L*****-Vergütungen und Zahlungsarten“ in der Fassung November 2009 (in der Folge: AGB 2009). Der Inhalt dieser AGB ist zwischen den Parteien nicht strittig.

Gegenstand des Revisionsverfahrens sind – neben dem Veröffentlichungsbegehren – einerseits noch jene Klauseln in den ZAGB 2012, die die so genannten „erweiterten Mitgliedsvorteile“ der Beklagten zum Gegenstand haben (Klauseln 1–18 nach der auch in dieser Entscheidung beibehaltenen Nummerierung durch das Erstgericht), andererseits die die Beendigung des Vertragsverhältnisses regelnden Klauseln 58 und 61 (AGB 2012 und ZAGB 2012), die Klausel 59 (AGB 2009) und die Klausel 60 (AGB 2008).

Der Kläger begehrt – gestützt auf § 6 Abs 3 KSchG, teilweise auch auf § 879 Abs 3 und § 864a ABGB – die Unterlassung der Verwendung der noch einzeln darzustellenden Klauseln im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern sowie Urteilsveröffentlichung.

Die Beklagte wandte die mangelnde Aktivlegitimation des Klägers ein. Dem Kläger sei es verwehrt, außerhalb der Förderung von Verbraucherinteressen tätig zu werden. Nur eine einzige der beanstandeten Klauseln ihrer AGB sei überhaupt noch in der aktuell geltenden Fassung davon vorhanden. Die angefochtenen Klauseln der ZAGB 2012 und AGB 2012 seien zwar in Geltung, auf Verbraucher aber regelmäßig nicht anwendbar. Die Klauseln seien ausreichend klar formuliert, weder ungewöhnlich noch gröblich benachteiligend und stünden mit dem Gesetz und den guten Sitten in Einklang. Das Regelwerk der Beklagten sei transparent und für ihre Kunden ausschließlich mit Vorteilen verbunden. Das Geschäftsmodell der Beklagten beinhalte zwar ein komplexes Vergütungssystem, dieses sei aber in ihren AGB und ZAGB klar und verständlich erklärt und habe keinen Spielcharakter. Die Mitglieder erhielten immer dann einen Vorteil, wenn sie oder die von ihnen geworbenen Mitglieder bei einem Partnerunternehmen der Beklagten einkauften. Sie profitierten dabei von den im Vorhinein fix vereinbarten und nach mathematischen Grundsätzen berechneten Vergütungen. Die vom Kläger angesprochenen „Einzahlungen“ seien hingegen nicht vorgesehen. Gemeint sei offenbar die Möglichkeit, bei den Partnerunternehmen mit Gutscheinen einzukaufen und ihre Bestellungen anzuzahlen, wobei Verbraucher solche Anzahlungen grundsätzlich maximal in der Höhe von 2.000 EUR leisten könnten. Die „erweiterten Mitgliedsvorteile“ kämen ausschließlich unternehmerisch tätigen Mitgliedern zu Gute. Ab dem bestätigten „Karriere-Level 2“ dürften Mitglieder der Beklagten ihre Tätigkeiten im Rahmen des Geschäftsmodells nur dann fortsetzen, wenn sie über eine Gewerbeberechtigung verfügten.

Das Erstgericht gab dem Unterlassungsklagebegehren hinsichtlich ursprünglich angefochtener 61 Klauseln sowie dem Begehren auf Urteilsveröffentlichung statt. Es erachtete die im Revisionsverfahren noch zu behandelnden Klauseln 1–18 als intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG und die Klauseln 58–61 als gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB. Die Beklagte habe nach ihren eigenen Angaben in Österreich fast 500.000 Kunden, sodass die vom Kläger begehrte Urteilsveröffentlichung zum Zweck der höheren Publizität des Urteils zweckmäßig sei.

Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Es verneinte die von der Beklagten behaupteten Verfahrensmängel und bejahte die Aktivlegitimation des Klägers. Es setzte sich mit den im Berufungsverfahren von der Beklagten allein noch angefochtenen Klauseln 1–18 und 58–61 im Einzelnen auseinander und erachtete diese sämtlich als intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und die Revision zulässig ist. Es handle sich um vom Obersten Gerichtshof noch nicht behandelte Klauseln, deren Auslegung für eine größere Anzahl von Kunden von Bedeutung sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Kläger beantwortete Revision der Beklagten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof billigt die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung (§ 510 Abs 3 ZPO). Im Einzelnen ist daher auf die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts – die bei der Behandlung der einzelnen Klauseln dargestellt wird – zu verweisen und dazu lediglich ergänzend auszuführen:

1. Zur Aktivlegitimation des Klägers:

1.1 Das Berufungsgericht führt aus, dass § 28 KSchG nicht auf Verbrauchergeschäfte abstelle und nicht auf solche beschränkt sei. Schon daher stehe die Aktivlegitimation des Klägers fest. Tatsächlich strebe der Kläger mit der vorliegenden Klage nur die Untersagung der beanstandeten Klauseln im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern an. Der Einwand der mangelnden Aktivlegitimation sei auch deshalb nicht berechtigt, weil das Erstgericht unbekämpft festgestellt habe, dass die Beklagte die beanstandeten Klauseln auch den von ihr mit Verbrauchern geschlossenen Verträgen zugrunde legt. Da die Tatsache der Verwendung der beanstandeten Klauseln in den ZAGB 2012 im geschäftlichen Verkehr auch mit Verbrauchern feststehe, bedürfe es keiner weiteren Auseinandersetzung mit der Behauptung der Beklagten, die „erweiterten Mitgliedsvorteile“ kämen ausschließlich unternehmerisch tätigen Mitgliedern zu Gute.

1.2 Die Beklagte hält auch in der Revision an ihrem Standpunkt fest, dass Mitglieder zur Wahrnehmung der „erweiterten Mitgliedsvorteile“ ab dem bestätigten Karriere-Level 2 über eine Gewerbeberechtigung verfügen müssten und Gewerbetreibende Unternehmer seien. Faktisch habe die Beklagte daher nur mit Unternehmern kontrahiert, wozu entsprechende Feststellungen fehlten, weshalb ein sekundärer Feststellungsmangel vorliege. Da der Kläger nur im Rahmen seines statutenmäßig festgelegten Wirkungsbereichs zur Klageführung berechtigt sei, die hier zu beurteilenden Klauseln über die „erweiterten Mitgliedsvorteile“ faktisch aber nur Unternehmer beträfen, fehle ihm die Aktivlegitimation.

1.3 Die Revision ist in diesem Punkt nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie von den den Obersten Gerichtshof bindenden Sachverhaltsfeststellungen abweicht, nach denen die Beklagte die hier zu beurteilenden AGB (auch) im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern verwendet hat. Daher liegt auch der von der Beklagten behauptete sekundäre Feststellungsmangel nicht vor. Vor diesem Hintergrund ist dem Obersten Gerichtshof ein Eingehen auf die zur Bestreitung der Aktivlegitimation des Klägers vorgetragenen Argumente in der Revision verwehrt.

2. Zu den Klauseln allgemein:

2.1...

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