Entscheidungs 10Ob65/18h. OGH, 20-11-2018

ECLIECLI:AT:OGH0002:2018:0100OB00065.18H.1120.000
Judgement Number10Ob65/18h
Date20 Noviembre 2018
Record NumberJJT_20181120_OGH0002_0100OB00065_18H0000_000
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) B***** GmbH, und 2.) K***** GmbH, beide: *****, beide vertreten durch Dr. Reinhard Schanda, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei O***** AG, *****, vertreten durch KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1.) 2.135.079,79 EUR sA und 2.) 532.997,27 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 4. Mai 2018, GZ 133 R 130/17s-48, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 12. September 2017, GZ 33 Cg 45/16s-44, teilweise (als Teilurteil) bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 6.811,14 EUR (darin 515,80 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Strittig ist im Revisionsverfahren, ob die Beklagte das von den Klägerinnen in Ökostromanlagen verfeuerte Brennmaterial nach dem höheren Tarif für „feste Biomasse“ (§ 7 Abs 1 der Verordnung über die Festsetzung der Preise für die Abnahme elektrischer Energie aus Ökostromanlagen, BGBl II 2002/508, in weiterer Folge: EinspeisetarifV 2002) zu vergüten hat (Standpunkt der Klägerinnen), oder ob dafür der für die Verwendung des Energieträgers „Abfälle mit hohem biogenen Anteil“ vorgesehene niedrigere Tarif gemäß § 7 Abs 2 EinspeisetarifV zur Anwendung gelangt (Standpunkt der Beklagten).

Die Erstklägerin betreibt an drei Standorten in Österreich Heizkraftwerke (Ökostromanlagen), die Zweitklägerin betreibt an einem vierten Standort in Österreich ein Heizkraftwerk (Ökostromanlage). Sämtlichen vier Kraftwerken wurden die für die Errichtung notwendigen Genehmigungen unstrittig zwischen 31. 12. 2002 und 31. 12. 2004 erteilt, alle vier Kraftwerke wurden vor dem 30. 6. 2006 in Betrieb genommen. Die Klägerinnen haben mit der (damaligen) Ökobilanzgruppenverantwortlichen (vgl § 14 ÖSG 2002, BGBl I 2002/149) für alle vier Kraftwerke zwischen Dezember 2002 und August/September 2005 Verträge über die Abnahme und Vergütung von Ökostrom abgeschlossen. Die beklagte Aktiengesellschaft – die Ökostromabwicklungsstelle nach dem Ökostromgesetz 2012, BGBl I 2011/75, ist – ist nunmehr unstrittig Vertragspartnerin der Klägerinnen.

Die Klägerinnen begehren – der Höhe nach mit Ausnahme der Zinsen nicht strittige – Differenzzahlungen zwischen der für die Jahre 2010 und 2011 erhaltenen Vergütung für gelieferten Ökostrom und der ihrer Ansicht nach richtig zu bezahlenden Vergütung nach der EinspeisetarifV 2002, BGBl II 2002/508. Sie brachten dazu zusammengefasst vor, dass sie in den Kraftwerken Brennstoffe verheizt hätten (insbesondere Rinde aus Sägewerken; in geringerer Menge Sägespäne und in ganz geringfügigem Umfang Pellets), die nach dem (höheren) Tarif gemäß § 7 Abs 1 EinspeisetarifV für „Biomasse“ zu vergüten seien. Die Rinde stamme nur aus der Entrindung von Rundhölzern in Sägewerken, daher aus mit der Forstwirtschaft verbundenen Industriebetrieben. Daran ändere der Umstand nichts, dass die Sägewerksbetreiber auch noch andere Tätigkeiten ausüben. Rinde sei kein „Abfall“, sondern ein Sägenebenprodukt, daher ein Produkt bzw Erzeugnis. Rinde erfülle auch nicht den Abfallbegriff des Abfallwirtschaftsgesetzes, sie habe einen positiven Marktwert. Der Umstand, dass die Rinde als „Abfall mit hohem biogenen Anteil“ mit einer Schlüsselnummer in der Anlage zum ÖSG 2002 versehen sei, führe für sich allein noch nicht dazu, dass es sich dabei um Abfall handle. Brennstoffe, die sowohl „Abfall mit hohem biogenen Anteil“ als auch „Biomasse“ seien, seien als Biomasse zu vergüten. Beim Einsatz als Brennstoff koste Rinde etwa gleich viel wie das unzweifelhaft Biomasse darstellende Waldhackgut, sodass es auch sachgerecht sei, wenn der jeweils daraus erzeugte Ökostrom gleich vergütet werde.

Die Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, dass Rinde und Sägespäne eine Schlüsselnummer als „Abfall mit hohem biogenen Anteil“ hätten. Es handle sich dabei um Abfälle, die nach dem Tarif für „Abfall mit hohem biogenen Anteil“ zu vergüten seien. Waldhackgut sei hingegen Biomasse. Darüber hinaus seien die Lieferantinnen der Klägerinnen nicht als der Forstwirtschaft verbundene Industriezweige anzusehen. Sie seien insbesondere auch Holzgroßhändler und produzierten industriell Holzplatten, Pellets und Leimbinder sowie sonstige Holzprodukte. Ein berindeter Baumstamm, der aus der Natur entnommen und vom Menschen bearbeitet wurde, sei nicht „Biomasse“ im Sinn des Ökostromgesetzes. Die von den Klägerinnen verwendeten Brennstoffe seien sowohl „Biomasse“ als auch „Abfälle mit hohem biogenen Anteil“. Aus den Gesetzesmaterialien zum Ökostromgesetz ergebe sich, dass diese Brennstoffe daher nach der spezielleren Regelung des § 7 Abs 2 EinspeisetarifV mit dem Tarif für „Abfälle mit hohem biogenen Anteil“ zu vergüten seien. Das Ökostromgesetz normiere einen eigenen Abfallbegriff, es könne dazu nicht auf das Abfallwirtschaftsgesetz zurückgegriffen werden. Rinde sei der preisgünstigste Brennstoff, sie eigne sich nicht für den Weiterverkauf. Da die (örtlich nahegelegenen) Lieferanten der Klägerinnen das geschnittene Holz zu Leimbindern, Holzsperrplatten und Pellets weiterverarbeiten, könnten Verunreinigungen der Brennstoffe nicht ausgeschlossen werden. Die von den Klägerinnen verwendeten Brennstoffe seien daher nicht vollständig biologisch abbaubar.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren beider Klägerinnen in der Hauptsache statt. Es ging dabei über den bereits oben wiedergegebenen Sachverhalt zusammengefasst von folgenden Feststellungen aus:

„Das Heizkraftwerk Y***** [Anm.: von der Erstklägerin betrieben] grenzt an ein Werk der S***** GmbH [Anm.: Lieferantin der Erstklägerin] an. Letzteres besteht aus einem Rundholzlagersammelplatz mit Sortieranlage, mehreren Gebäuden für Trockenkammern, einer Entrindungsanlage, einem Hobelwerk, einem Sägewerk und einem Leimbinder- und Brettsperrholzwerk. Die Holzstämme werden per LKW oder Bahn zum Rundholzlagerplatz angeliefert und mittels einer Sortieranlage nach Größe für die weitere Bearbeitung sortiert. Baumstämme mit Rinde gelangen in die Entrindungsanlage. In dieser werden die Holzstämme vollkommen entrindet. Die Baumstämme ohne Rinde gelangen in das Sägewerk. Die feuchte Rinde, welche in der Entrindungsanlage anfällt, wird von dieser direkt mittels Förderband zum Brennstoffvorratslager des Heizkraftwerkes transportiert. Die von der S***** GmbH gelieferte Rinde stammte in den Jahren 2010 und 2011 ausschließlich aus der Entrindungsanlage, nicht aus der nachgelagerten Weiterverarbeitung des Schnittholzes (Leimbinderwerk und Brettsperrholzwerk).

Das Heizkraftwerk S***** [Anm.: von der Erstklägerin betrieben] befindet sich neben dem Sägewerk und dem Leimbinderwerk der S***** GmbH. Deren Betrieb umfasst einen Rundholzlagersammelplatz mit Sortieranlage, eine Entrindungsanlage, ein Hobelwerk, ein Sägewerk und ein Leimbinderwerk. Die Holzstämme werden per LKW oder Bahn zum Rundholzlagerplatz angeliefert und mittels einer Sortieranlage nach Größe für die weitere Bearbeitung sortiert. Baumstämme mit Rinde gelangen in die Entrindungsanlage. In dieser werden die Holzstämme vollkommen entrindet. Die Baumstämme ohne Rinde gelangen in das Sägewerk. Das Heizkraftwerk S***** wird beheizt mit Rinde und Waldhackgut, geliefert von der S***** GmbH. Für die Belieferung mit Rinde wurde eigens ein Förderband zwischen der Entrindungsanlage, die sich am Rundholzlagerplatz befindet, und dem Heizkraftwerk errichtet. Die gesamte in der Entrindungsanlage angefallene Rinde wird mittels Förderband zum Brennstoffvorratslager des Heizkraftwerkes transportiert. Die von der S***** GmbH gelieferte und verfeuerte Rinde stammte in den Jahren 2010 und 2011 ausschließlich aus der Entrindungsanlage, nicht aus der nachgelagerten Weiterverarbeitung des Schnittholzes (Leimbinderwerk und Brettsperrholzwerk).

Das Heizkraftwerk B***** [Anm.: von der Erstklägerin betrieben] befindet sich in einem weitläufigen Werk der S***** GmbH. Auf dem Werksgelände befinden sich zwei Rundholzlagerplätze, jeweils mit eigener Sortieranlage, Sägewerke, Trockenkammern, einem Hobelwerk und Leimbinderwerk. Die Holzstämme werden per LKW oder Bahn zu den Rundholzlagerplätzen angeliefert und mittels einer Sortieranlage nach Größe für die weitere Bearbeitung sortiert. Die Baumstämme mit Rinde werden in der Entrindungsanlage vollkommen entrindet. Die Baumstämme ohne Rinde werden im Sägewerk weiter bearbeitet. Das Heizkraftwerk B***** wird beheizt mit Rinde und Waldhackgut, die geliefert wird von der S***** GmbH. Für die Belieferung mit Rinde sind Förderbänder zwischen den Entrindungsanlagen und dem Heizkraftwerk errichtet. Die gesamte in den Entrindungsanlagen anfallende Rinde wird ausschließlich mittels Förderband zum Brennstoffvorratslager des Heizkraftwerkes transportiert. Die 2010 und 2011 gelieferte und verfeuerte Rinde stammte ausschließlich aus der Entrindungsanlage.

Beim Heizkraftwerk ***** L***** [Anm.: von der Zweitklägerin betrieben] befindet sich ein Werk der S***** GmbH [Anm.: Lieferantin der Zweitklägerin]. Auf dem Werksgelände befinden sich ein Rundholzlagerplatz mit Sortieranlage, eine Entrindungsanlage, ein Sägewerk, Trockenkammern, ein Hobelwerk und ein Brettsperrholzwerk. Die Holzstämme werden per LKW oder Bahn zum Rundholzlagerplatz angeliefert und mittels einer Sortieranlage nach Größe für die weitere Bearbeitung sortiert. Die Baumstämme mit Rinde werden in der Entrindungsanlage vollkommen entrindet. Die Baumstämme ohne Rinde werden im Sägewerk weiter bearbeitet. Das Heizkraftwerk *****L***** wird beheizt mit Rinde,...

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