Entscheidungs 10Ob74/15b. OGH, 07-06-2016

ECLIECLI:AT:OGH0002:2016:0100OB00074.15B.0607.000
Judgement Number10Ob74/15b
Date07 Junio 2016
Record NumberJJT_20160607_OGH0002_0100OB00074_15B0000_000
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Stolitzka & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 30.917 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 5. Mai 2015, GZ 5 R 44/15z-23, mit dem über Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 23. Jänner 2015, GZ 25 Cg 37/14k-16, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.308,60 EUR (darin enthalten 218,10 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei ist ein zur Unterlassungsklage gemäß § 29 Abs 1 KSchG berechtigter Verband. Die beklagte Partei betreibt ein Fahrzeugvermietungsunternehmen, wobei an 22 Stationen in verschiedenen Orten in Österreich ihre Fahrzeuge gemietet und abgeholt werden können. Den von ihr abgeschlossenen Verträgen mit Verbrauchern legt sie ihre Allgemeinen Geschäftsbeziehungen zugrunde. Diese enthalten unter anderem folgende Klauseln:

H: Haftung von S*****

1. S***** haftet in Fällen des Vorsatzes oder grober Fahrlässigkeit sowie für Personenschäden nach den gesetzlichen Bestimmungen. Der Schadenersatzanspruch wegen Verletzung wesentlicher Vertragspflichten ist auf den vertragstypischen, vorhersehbaren Schaden begrenzt. Im Falle leichter Fahrlässigkeit haftet S***** (außer bei Personenschäden) maximal bis zur Höhe des vereinbarten Mietentgeltes. Eine Haftung von S***** für entgangenem Gewinn ist jedenfalls ausgeschlossen.

2. S***** haftet nicht für Sachen, die vom Mieter in das Fahrzeug eingebracht und dort gestohlen, beschädigt oder bei Rückgabe des Fahrzeugs zurückgelassen werden. ...

I: Haftung des Mieters, Vereinbarung der Haftungsbeschränkung

...

12. Im Schadensfall obliegt es S*****, anhand des vom Mieter abgegebenen Unfallberichtes sowie der sonstigen vorhandenen Informationen über das Unfallgeschehen die Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Forderungserhebung gegenüber dritten Personen zu treffen und danach zu handeln. Ist der Mieter mit dieser Beurteilung nicht einverstanden, kann er von S***** verlangen, die Schuldfrage gegenüber dem Unfallgegner gerichtlich klären zu lassen. S***** wird dann eine solche Klärung veranlassen, sofern sich dies nicht einerseits als jedenfalls aussichtslos darstellt und andererseits der Mieter die Erklärung abgibt, S***** im Falle, dass sich seine Darstellung bzw Verschuldens-Einschätzung vor Gericht als unrichtig herausstellt, hinsichtlich sämtlicher Kosten eines solchen (gerichtlichen oder außergerichtlichen) Verfahrens schad- und klaglos zu halten. S***** ist in diesem Fall berechtigt, die Einleitung des Verfahrens vom Erlag einer ausreichenden Sicherheitsleistung für diese Verfahrenskosten sowie der Abgabe einer Erklärung des Verzichts auf die Einrede der Verjährung bis drei Monate nach Abschluss eines solchen Verfahrens abhängig zu machen.

...

N: Allgemeine Bestimmungen

...

4. Mehrere Mieter haften für Forderungen von S***** aus diesem Vertragsverhältnis zur ungeteilten Hand (dh: jeder haftet bis zur vollen Höhe der Forderung). Gleiches gilt für den Mieter einerseits und alle Personen, denen der Mieter das Fahrzeug zur Nutzung überlässt, andererseits.“

Rechtliche Beurteilung

Die Darstellung des Verfahrensgangs und die Behandlung der – entgegen der Rechtsansicht der beklagten Partei – zulässigen Revision der klagenden Partei erfolgt nachstehend für jede Klausel gesondert:

1. Die klagende Partei wendet sich gegen den unterstrichenen Teil der Klausel H 1. und begehrt die Unterlassung der Verwendung dieses Teils der Klausel sowie die Urteilsveröffentlichung. Sie bringt dazu vor, dass ein genereller Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit gegen § 879 Abs 3 ABGB verstoße, wenn Hauptleistungspflichten des Unternehmers betroffen seien, eine erhebliche Übermacht des Unternehmers bestehe und/oder die Beherrschbarkeit oder Versicherbarkeit der Schäden gegen den Haftungsausschluss spreche. Auch Schutz- und Sorgfaltspflichten stellten Kardinalpflichten aus dem Vertrag dar. Die Beschränkung der Haftung auf das Mietentgelt komme einer Haftungsfreizeichnung gleich.

Die Beklagte bestritt und wendete ein, die Beschränkung der Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit sei auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig. Eine solche Regelung sei nicht automatisch gröblich benachteiligend. Die Klausel enthalte keinen generellen Haftungsausschluss, sondern nur eine Haftungsbeschränkung. In der Regel werde damit der Schaden der Nicht- oder Schlechterfüllung abgedeckt. Für transportierte Gegenstände sei die Haftung bei leichter Fahrlässigkeit von der klagenden Partei unbeanstandet nach einem anderen Teil der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgeschlossen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren in diesem Umfang ab. Im konkreten Fall stünden sich als Hauptleistung die Verschaffung eines ordnungsgemäßen Gebrauchs des Mietobjekts auf Zeit einerseits und die Leistung des Mietentgelts andererseits gegenüber. Damit könne aber von einem massiven Missverhältnis der Leistungen nicht gesprochen werden. Auch liege nicht die gleiche wirtschaftliche Macht wie bei Großbanken vor und würden keine Dienstleistungen angeboten, die jeder Verbraucher notwendigerweise in Anspruch nehmen müsse.

Der Berufung der klagenden Partei gab das Berufungsgericht in diesem Punkt nicht Folge. Nicht jede Klausel, die vom dispositiven Recht abweiche, sei sittenwidrig. Die Klausel betreffe leicht fahrlässig verursachte Nicht-Personenschäden. Die Haftung werde nicht ausgeschlossen, sondern mit dem Mietentgelt begrenzt. Dies sei sachlich gerechtfertigt, da ein Verhältnis zu der vom Mieter zu erbringenden Leistung hergestellt werde. Auch der Mieter habe die Möglichkeit, bei bloß fahrlässigem Verhalten seine Haftung auszuschließen, obwohl dem Vertragspartner wesentlich gravierendere Sachschäden drohten.

In der vom Berufungsgericht nachträglich zugelassenen Revision begehrt die klagende Partei hinsichtlich dieser...

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