Entscheidungs 10ObS118/13w. OGH, 19-11-2013

ECLIECLI:AT:OGH0002:2013:010OBS00118.13W.1119.000
Judgement Number10ObS118/13w
Record NumberJJT_20131119_OGH0002_010OBS00118_13W0000_000
Date19 Noviembre 2013
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Susanne Jonak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Mag. German Storch und Mag. Rainer Storch, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, 4021 Linz, Gruberstraße 77, wegen Wochengeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Mai 2013, GZ 12 Rs 54/13t-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. Februar 2013, GZ 36 Cgs 103/12d-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin an Kosten des Revisionsverfahrens 186,84 EUR (darin enthalten 31,14 EUR USt) binnen 14 Tagen zu Handen des Klagevertreters zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin bezog vom 1. 1. 2012 bis 29. 2. 2012 Notstandshilfe in Höhe von 18,52 EUR täglich. Infolge Einrechnung des Einkommens ihres Partners betrug die Notstandshilfe vom 1. 3. 2012 bis 30. 4. 2012 nur mehr 16,77 EUR täglich und vom 1. 5. 2012 bis 6. 5. 2012 3,09 EUR täglich. Ab dem 7. 5. 2012 befand sich die Klägerin im Mutterschutz. Sie hatte vom Arbeitsmarktservice T***** lediglich eine Mitteilung über die Höhe ihres Notstandshilfebezugs erhalten. Die Erlassung eines Bescheids hat sie nicht beantragt.

Mit Bescheid vom 19. 7. 2012 lehnte die beklagte Gebietskrankenkasse die Zahlung des beantragten Wochengeldes in Höhe von 33,33 EUR täglich ab und gewährte an Wochengeld 17,33 EUR täglich. Aus der Begründung des Bescheids ergibt sich, dass diese Höhe - ausgehend von der der Klägerin gewährten Notstandshilfe - im Wege des Günstigkeitsvergleichs gemäß § 41 Abs 1 AlVG iVm § 162 ASVG ermittelt wurde. Anstatt des um 80 % erhöhten Letztbezugs an Notstandshilfe (dies wären 5,56 EUR) ergebe sich aufgrund des Günstigkeitsvergleichs mit dem durchschnittlichen Notstandshilfebezug im Zeitraum Februar, März und April ein tägliches Wochengeld von 17,33 EUR (1.560,05 EUR geteilt durch 90 Tage ergibt 17,33 EUR).

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage macht die Klägerin zusammengefasst geltend, ohne Anrechnung des Partnereinkommens hätte die Notstandshilfe auch ab 1. 3. 2012 täglich 18,52 EUR betragen. Die Berücksichtigung des Partnereinkommens bei der Notstandshilfe bewirke eine fast ausschließliche Benachteiligung von Frauen, sodass diese Form der Berechnung eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstelle, die gegen Art 4 der RL 79/7/EWG des Rates zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit verstoße. Werde das Partnereinkommen zusätzlich auch bei der Berechnung des - ausschließlich von Frauen bezogenen Wochengeldes - berücksichtigt, führe dies zu einer unmittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Nicht nur das Arbeitsmarktservice hätte das Partnereinkommen bei der Errechnung der Notstandshilfe unberücksichtigt lassen müssen, sondern auch die beklagte Partei bei Errechnung des Wochengeldes. Auch wenn der Verwaltungsgerichtshof eine Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Anrechnung des Partnereinkommens bei der Notstandshilfe verneint habe, sei für die Berechnung des Wochengeldes der Krankenversicherungsträger zuständig. Auch dieser habe die RL 79/7/EWG des Rates zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit selbst unmittelbar anzuwenden.

Die beklagte Partei beantragte die Klageabweisung. Die Frage, ob das Partnereinkommen auf die Höhe der Notstandshilfe angerechnet werde, falle in die Entscheidungskompetenz des Arbeitsmarktservice und stelle eine Vorfrage für das Sozialgerichtsverfahren dar. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sei die Anrechnung des Partnereinkommens bei der Notstandshilfe nicht gemeinschaftsrechtswidrig, weil Zweck der Notstandshilfe die Existenzsicherung sei, weshalb es gerechtfertigt sei, anderweitig zur Verfügung stehende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts zu berücksichtigen. Im sozialgerichtlichen Verfahren sei bei der Errechnung des Wochengeldes auf Basis der gewährten Notstandshilfe gemäß § 41 AlVG vorzugehen. Aufgrund des vorzunehmenden Günstigkeitsvergleichs komme der Klägerin Anspruch auf Wochengeld in der Höhe von nur 17,33 EUR täglich zu, sodass der bekämpfte Bescheid der Rechtslage entsprochen habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte über den eingangs festgestellten Sachverhalt hinaus fest, dass von der Ablehnung des Antrags auf Notstandshilfe im ersten Halbjahr 2012 wesentlich mehr in Lebensgemeinschaft befindliche bzw verheiratete Frauen als Männer betroffen gewesen seien. Rechtlich führte das Erstgericht aus, nach der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sei die Anrechnung des Partnereinkommens auf die Notstandshilfe nicht gemeinschaftsrechtswidrig. Gemeinschaftsrechtswidrig könnte allenfalls die Verknüpfung von Wochengeldberechnung und Notstandshilfebezug sein. Die RL 79/7/EWG des Rates zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit sei jedoch auf den Versicherungsfall der Mutterschaft nicht anwendbar, auch wenn dieser Versicherungsfall im ASVG unter die Krankenversicherung falle. Weder Mutterschaft noch Schwangerschaft seien aber eine Krankheit im Sinn des ASVG bzw des Art 3 Abs 1 lit a der RL 79/7/EWG. Aufgrund des Grundsatzes der Gewaltentrennung und der Bindungswirkung rechtskräftiger verwaltungsbehördlicher Entscheidungen habe eine Verwaltungsbehörde - und nicht ein Gericht - über die sekundären Auswirkungen der Berücksichtigung des Partnereinkommens bei Berechnung der Notstandshilfe zu entscheiden. Auch wenn im vorliegenden Fall kein rechtskräftiger Bescheid des Arbeitsmarktservice vorliege, könne die unterlassene Berufung auf das Gemeinschaftsrecht durch die Klägerin gegenüber dem Arbeitsmarktservice nicht dazu führen, dass nun ein Gericht über eine in die Entscheidungskompetenz der Verwaltungsbehörde fallende Frage zu entscheiden habe. Eine Unterbrechung des Gerichtsverfahrens habe nicht zu erfolgen, weil keine der in § 74 Abs 1 ASGG genannten Vorfragen vorliege und auch kein Fall für eine analoge Anwendung des § 74 Abs 1 ASGG. Eine Unterbrechung nach § 190 ZPO komme nicht in Betracht, da kein Verwaltungsverfahren anhängig sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der...

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