Entscheidungs 10ObS37/12g. OGH, 05-06-2012

ECLIECLI:AT:OGH0002:2012:010OBS00037.12G.0605.000
Date05 Junio 2012
Judgement Number10ObS37/12g
Record NumberJJT_20120605_OGH0002_010OBS00037_12G0000_000
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau, sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und AR Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei L*****, vertreten durch Stolz & Schartner Rechtsanwälte GmbH in Radstadt, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Invaliditätspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. Dezember 2011, GZ 12 Rs 176/11f-18, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 22. August 2011, GZ 17 Cgs 264/10i-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit Bescheid vom 20. 7. 2010 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 7. 6. 2010 auf Gewährung der Invaliditätspension ab.

Dagegen richtet sich die vorliegende Klage, in der der Kläger im Wesentlichen vorbringt, er habe 1971 eine Ausbildung zum Eisenbieger bzw Eisenbinder begonnen und 1975 in Zagreb mit einem Diplom beendet. Bis 1993 sei er als Eisenbieger bzw Eisenbinder in Kroatien tätig gewesen, danach habe er die erlernte Tätigkeit in Österreich ausgeübt. Dennoch sei er immer nur als Hilfsarbeiter angemeldet worden. Wenngleich in Österreich der Beruf des Eisenbiegers bzw Eisenflechters kein eigenständiger Lehrberuf sei, erfolge die theoretische Ausbildung im Rahmen der Pflichtgegenstände des Lehrplans der Bauhandwerkerschule für Maurer; die weitere Ausbildung werde im Zuge des praktischen Einsatzes in einer Eisenflechterpartie erworben. Nach einer Ausbildungszeit von vier bis fünf Jahren könne der Eisenbieger/-flechter zum Hilfspartieführer und nach Sammlung entsprechender Erfahrung an verschiedenen Bauwerken zum Partieführer aufsteigen. Der Eisenbieger/-flechter müsse ein „Profi“ auf seinem Gebiet sein, um die ihm gestellten Aufgaben in Maßarbeit bewerkstelligen zu können. Es werde somit festzustellen sein, ob der Kläger die Anforderungen, welche üblicherweise an einen gelernten Arbeiter in diesem Beruf gestellt werden, erfülle.

Die beklagte Partei wendete im Wesentlichen ein, einem Eisenbieger komme kein Berufsschutz iSd § 255 Abs 1 und 2 ASVG zu. Dem Kläger seien unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustands auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch eine Reihe von Beschäftigungen zumutbar.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:

„Der Kläger war in den letzten 15 Jahren vorwiegend bei verschiedenen Baufirmen tätig und wurde stets als Eisenbieger/-flechter eingesetzt. Ob er eine Ausbildung zum Eisenbieger/-flechter im Jahr 1971 in Zagreb (Kroatien) begonnen und mit einem Diplom im Jahr 1975 abgeschlossen habe, könne nicht festgestellt werden. Unter Berücksichtigung der bestehenden Gesundheitsschädigungen sind ihm Arbeiten zumutbar, die mit einem Tragen bis 5 kg und einem Heben bis 7 kg verbunden sind; dies für einen halbzeitigen Zeitraum. Die Arbeiten sind vorzugsweise im Stehen und Sitzen, gelegentlich auch im Gehen zu verrichten. Nach einer Stunde sollte ein Wechsel der Körperhaltung für die Dauer von drei bis fünf Minuten vorgenommen werden, wobei die Arbeit hiefür nicht unterbrochen werden muss. Durchschnittlicher Zeitdruck ist möglich. Es bestehen zahlreiche weitere - im einzelnen näher festgestellte -
Ausschlüsse (so etwa Arbeiten in gebückter Körperhaltung, mit Zwangshaltung der Hals- und Lendenwirbelsäule etc). Trotz seines eingeschränkten Leistungskalküls kann der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch als Museumsaufseher, Portier, Parkgaragenkassier, Telefonist und Etikettierer berufstätig sein. Bei diesen Verweisungstätigkeiten handelt es sich um körperlich leichte, geistig einfache Arbeiten, bei denen es nicht zu ständig erhöhtem Zeitdruck kommt; Überstunden fallen nicht an.“

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass die Tätigkeit des Klägers als Eisenbieger keinen Lehrberuf darstelle und - auch wenn selbstständiges Planlesen erforderlich sei - über bloße Teiltätigkeiten erlernter artverwandter Berufe (etwa eines Bauschlossers oder Schmieds) nicht hinausgehe. Der Zeitaufwand, der für die Erlernung der artverwandten Lehrberufe notwendig sei, sei weit höher als die für den Beruf des Eisenbiegers erforderliche Ausbildung. Die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten seien nicht derart qualifiziert, wie die für einen erlernten Beruf vorausgesetzten Kenntnisse und Fähigkeiten. Der Beruf des Eisenbiegers sei somit kein angelernter Beruf. Mit dem ihm verbliebenen Leistungskalkül sei der Kläger in der Lage, sämtliche der in den Feststellungen genannten...

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