Entscheidungs 10ObS416/01a. OGH, 17-09-2002

ECLIECLI:AT:OGH0002:2002:010OBS00416.01A.0917.000
Judgement Number10ObS416/01a
Record NumberJJT_20020917_OGH0002_010OBS00416_01A0000_000
Date17 Septiembre 2002
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Gustav Liebhart (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Peter Schönhofer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Sakir Ö*****, Rentner, ***** Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. jur. Peter Guhl, Rechtsanwalt in Bremen, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen vorzeitiger Alterspension bei Arbeitslosigkeit, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. Juli 2001, GZ 12 Rs 85/01h-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. Oktober 2000, GZ 20 Cgs 137/00w-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden gemäß Artikel 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist das Recht betreffend die Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (insbesondere Artikel 9 des Abkommens zur Gründung der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vom 12. September 1963) dahin auszulegen, dass es der Regelung eines Mitgliedstaates entgegensteht, die für den Anspruch auf eine vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit unter anderem voraussetzt, dass der Arbeitnehmer innerhalb eines bestimmten Zeitraumes vor dem Stichtag wegen Arbeitslosigkeit eine Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung dieses Mitgliedstaates bezogen hat?

Für den Fall der Verneinung der ersten Frage:

2. Ist Artikel 45 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit der Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung dahin auszulegen, dass er der Regelung eines Mitgliedstaates entgegensteht, die für den Anspruch auf eine vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit unter anderem voraussetzt, dass der Arbeitnehmer innerhalb eines bestimmten Zeitraumes vor dem Stichtag wegen Arbeitslosigkeit eine Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung dieses Mitgliedstaates bezogen hat?

II. Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ausgesetzt. Nach Einlangen der Vorabentscheidung wird das Revisionsverfahren von Amts wegen fortgesetzt werden.

Text

Begründung:

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 10. 4. 2000 wurde der Antrag des Klägers auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension bei Arbeitslosigkeit gemäß § 253a Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger innerhalb der letzten 15 Monate vor dem Stichtag weder eine Geldleistung aus der österreichischen Arbeitslosenversicherung bezogen habe, noch ein dem Bezug dieser Leistung gleichgestellter Tatbestand vorliege. Das Erstgericht wies das vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene und auf die Gewährung der beantragten Leistung ab dem Stichtag 1. 1. 2000 gerichtete Klagebegehren ab. Nach den Feststellungen war der am 3. 12. 1939 geborene Kläger, der türkischer Staatsangehöriger ist, in den Jahren 1966 bis 1970 in Österreich und in der Folge in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt. Zum Stichtag 1. 1. 2000 hat der Kläger insgesamt 402 für die Bemessung der Leistung zu berücksichtigende Versicherungsmonate (davon 348 in der Bundesrepublik Deutschland und 54 in Österreich) erworben, wobei darin 377 Beitragsmonate der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung (davon 323 in der Bundesrepublik Deutschland und 54 in Österreich) enthalten sind. Vom 20. 7. 1998 bis 31. 12. 1999 war der Kläger in Deutschland arbeitslos und bezog vom Arbeitsamt Bremen Arbeitslosengeld. Mit Rentenbescheid der Landesversicherungsanstalt Oberbayern vom 2. 12. 1999 wurde dem Kläger ab 1. 1. 2000 die deutsche Altersrente wegen Arbeitslosigkeit gewährt. Der Kläger hat in den 15 Monaten vor dem Stichtag in Österreich keine Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen; auch andere Tatbestände, die gemäß § 253a Abs 2 ASVG dem Bezug von Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung gleichstehen, liegen beim Kläger nicht vor.

Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes habe die Regelung des § 253a ASVG über die Gewährung einer vorzeitigen Alterspension bei Arbeitslosigkeit ihre Grundlage ausschließlich in den Verhältnissen auf dem österreichischen Arbeitsmarkt, sodass der Bezug einer Geldleistung aus der deutschen Arbeitslosenversicherung einem Bezug aus der österreichischen Arbeitslosenversicherung nicht gleichzustellen sei. Auch die Berücksichtigung der mit der Bundesrepublik Deutschland bestehenden bilateralen Vereinbarungen und der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 führe zu keinem anderen Ergebnis. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge und bestätigte das angefochtene Urteil.

Der Kläger erhob gegen dieses Urteil rechtzeitig Revision und beantragt - allenfalls nach Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes - die Abänderung im Sinne einer Stattgebung seines Klagebegehrens.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof sieht sich aus folgenden Erwägungen veranlasst, den Europäischen Gerichtshof um eine Vorabentscheidung zu den oben formulierten Fragen zu ersuchen:

Die nationale Regelung:

Die für die Beurteilung des vorliegenden Falles maßgebliche Bestimmung des § 253a Abs 1 und 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) in der zum Stichtag 1. 1. 2000 geltenden Fassung lautet:

"Vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit

§ 253a (1) Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit hat der Versicherte nach Vollendung des 60. Lebensjahres, die Versicherte nach Vollendung des 55. Lebensjahres, wenn

1.

die Wartezeit (§ 236) erfüllt ist,

2.

am Stichtag mindestens 180 Beitragsmonate der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung erworben sind; ..., und

3. der (die) Versicherte am Stichtag (§ 223 Abs 2) die Voraussetzung des § 253b Abs 1 Z 4 erfüllt und innerhalb der letzten 15 Monate vor dem Stichtag (§ 223 Abs 2) mindestens 52 Wochen wegen Arbeitslosigkeit eine Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung bezogen hat,

für die weitere Dauer der Arbeitslosigkeit. Bei der Feststellung der Voraussetzungen für einen solchen Anspruch haben jedoch Beitragsmonate der freiwilligen Versicherung für die Erfüllung der Wartezeit außer Ansatz zu bleiben.

(2) Dem Bezug von Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung stehen gleich

1. das Vorliegen einer neutralen Zeit gemäß § 234 Abs 1 Z 2, ausgenommen der Bezug einer Gleitpension,

2.

eine Ersatzzeit gemäß § 227 Abs 1 Z 6,

3.

ein Zeitraum von höchstens 9 Monaten, für den eine Vergütung aus Anlass der Beendigung des Dienstverhältnisses (§ 49 Abs 3 Z 7) gewährt wird,

4. Zeiten der Arbeitslosigkeit, für die Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung oder Urlaubsabfindung gebührt,

5. ...

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