Entscheidungs 13Os82/15f. OGH, 09-03-2016

ECLIECLI:AT:OGH0002:2016:0130OS00082.15F.0309.000
Judgement Number13Os82/15f
Record NumberJJT_20160309_OGH0002_0130OS00082_15F0000_000
Date09 Marzo 2016
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. März 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schönmann als Schriftführer in der Finanzstrafsache gegen Thomas K***** und weitere Angeklagte sowie einen belangten Verband wegen des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a und b, Abs 3 lit c FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Thomas K*****, Hans S*****, Vladimir B***** und des belangten Verbandes T***** GmbH sowie die Berufung des Angeklagten Martin St***** gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 19. September 2014, GZ 35 Hv 4/14x-438a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des belangten Verbandes wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im die T***** GmbH betreffenden Ausspruch aufgehoben, in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht Salzburg verwiesen.

Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Verbandsgeldbuße wird der belangte Verband auf diese Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen im Übrigen werden die Akten zunächst dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten und dem belangten Verband fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden, soweit für die Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung, Hans S***** des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 (Abs 1), 39 Abs 1 lit a und b, Abs 3 lit c FinStrG und Thomas K***** sowie Vladimir B***** je des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 11 dritter Fall, 33 (Abs 1), 39 Abs 1 lit a und b, Abs 3 lit c FinStrG schuldig erkannt und ein Ausspruch betreffend einen belangten Verband vorgenommen.

Danach haben (US 6 f ohne die dortigen Hervorhebungen)

„I) Hans S***** als faktischer Geschäftsführer der Fa. T***** GmbH im Zeitraum vom 28. Juni 2011 bis 5. Dezember 2011 unter Verletzung seiner abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht dadurch, dass anlässlich von 254 Liefervorgängen, hinsichtlich einer Menge von 7.465.465 Liter Dieselkraftstoff, der als unversteuertes Schmieröl (Rust Cleaner) aus Polen nach Österreich gelangt war und welches die Fa. T***** GmbH zur Verschleierung der Herkunft formal unter Benutzung von inhaltlich falschen Rechnungen und Lieferscheinen der Fa. A***** Kft und P*****gmbH erwarb, sohin unter Benutzung falscher Beweismittel und unter Verwendung von Scheingeschäften und anderen Scheinhandlungen (§ 23 BAO), durch Unterlassen der ordnungsgemäßen Anzeige nach § 23 Abs 1 und 5 MinStG bzw der Abfuhr der selbst zu berechnenden Mineralölsteuer von insgesamt EUR 3.172.822,63 eine Abgabenverkürzung von EUR 3.172.822,63 bewirkt, sohin einen Abgabenbetrug in einem EUR 500.000 übersteigenden strafbestimmenden Wertbetrag bewirkt;

II) Thomas K***** vorsätzlich zu der unter I) geschilderten strafbaren Ausführungshandlung dadurch beigetragen, dass er gemeinsam mit Hans S***** und den anderen schuldig erkannten Angeklagten die gegenständlichen zur Abgabenhinterziehung führenden Handlungen vereinbarte und unter anderem für die Erstellung von Scheinrechnungen an die Fa. T***** verantwortlich war, gemeinsam mit Alexander Pa***** die Auszahlungen und Einzahlungen an die Lieferfirma in Polen sowie an andere Personen tätigte und für die Festsetzung und Auszahlung von Geldbeträgen an die Tatbeteiligten verantwortlich zeichnete und auch Mineralöl bei Johann Kü***** bestellte;

IV) Vladimir B***** vorsätzlich zu den unter I) geschilderten Tathandlungen dadurch beigetragen, dass er die Logistik der jeweiligen Diesellieferungen durchführte und organisierte, Dolmetscherdienste zu den slowenischen LKW-Fahrern leistete, als Verbindungsmann zu den LKW-Fahrern tätig war, die Lieferpläne für die tatgegenständlichen Diesellieferungen ausführte und auch als Verbindungsmann für Alexander Pa***** tätig war und auch Kontakte mit dem Angeklagten Hans S***** hatte, wobei er Rechnungen, Lieferscheine und teilweise Geldkuverts an diesen von Thomas K***** übergab.“

Die dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden gründen die Angeklagten Thomas K***** auf Z 4, 9 lit a und 11, Hans S***** auf Z 3, 4, 5, 9 lit a und 11 und Vladimir B***** auf Z 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO. Sie verfehlen ihr Ziel.

Entgegen § 22 Abs 1 und 2 VbVG iVm § 195 Abs 3 FinStrG wurden über die Entscheidungsträger und den belangten Verband nicht gesondert Urteile verkündet. Folgerichtig (vgl dazu Danek, WK-StPO § 270 Rz 1) wurde das Urteil gegen alle gemeinsam ausgefertigt.

Der Ausspruch betreffend den belangten Verband lautet (US 6 ohne die dortigen Hervorhebungen):

„Gemäß §§ 28a Abs 1 FinStrG iVm 39 Abs 3 lit. c) FinStrG, 4 Abs 1 VbVG wird über den Verband T***** GmbH eine Verbandsgeldbuße von EUR 1.200.000 verhängt.

Gemäß §§ 28a Abs 1 FinStrG iVm § 39 Abs 3 lit c FinStrG, 7 VbVG wird ein Teil der Verbandsgeldbuße von EUR 600.000 unter Bestimmung einer Probezeit von 2 Jahren bedingt nachgesehen.“

Die aus § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 5a und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des belangten Verbandes richtet sich sowohl gegen den Ausspruch betreffend den Verband (§ 24 VbVG) als auch gegen den Schuldspruch des Hans S***** (§ 15 Abs 1 letzter Satz VbVG). Hinsichtlich des Ausspruchs gegen den belangten Verband ist sie im Recht.

Vor dem Eingehen auf die Nichtigkeitsbeschwerden ist auf ein gegen Alexander Pa***** und Johann Kü***** wegen Steuerhinterhinterziehung und Beihilfe ergangenes Urteil des Landgerichts München II vom 7. Mai 2013, AZ W5 Kls 68 JS 26914/11, hinzuweisen, auf das von den Beschwerdeführern wiederholt, wenn auch zu Unrecht, Bezug genommen wird (vgl US 59).

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Hans S*****:

Zusammengefasst ging das Erstgericht von einer Steuerschuld der T***** GmbH und hinreichend deutlich auch davon aus, dass Hans S***** als abgabenrechtlich verantwortlicher faktischer Geschäftsführer der T***** GmbH (US 15, 42, 60) im arbeitsteiligen Zusammenwirken mit den Mitangeklagten sowie weiteren Personen vorsätzlich eine Verkürzung von Mineralölsteuer im Gesamtbetrag von 3.172.822,63 Euro bewirkte, indem er in den Monaten Juli 2011 bis Jänner 2012 jeweils aus der erstmaligen Abgabe von Mineralöl des KN-Codes 2710 1999 im Steuergebiet zur Verwendung als Treibstoff, und zwar durch Abpumpen bei Tankstellen (§ 21 Abs 1 Z 5 MinStG, vgl dazu US 27 bis 59), entstandene Anmeldepflichten verletzte und die Abfuhr der Mineralölsteuer unterließ; zudem davon, dass er zur Verschleierung der Abgabenschuld von Mitangeklagten angefertigte inhaltlich unrichtige Rechnungen und Lieferscheine der A***** Kft und P*****gmbH über den Ankauf von im Inland bereits versteuertem Mineralöl in der Buchhaltung der T***** GmbH bereit hielt, dies im Wissen und Wollen, die falschen Beweismittel im Fall einer Steuerprüfung oder Kontrolle durch die Zollbehörde vorzulegen (US 62). Auch die Höhe der Abgabenverkürzung war vom Wissen und Wollen des Hans S***** umfasst (US 60).

§ 281 Abs 1 Z 3 StPO stellt auf die Verletzung oder Missachtung von Vorschriften in der Hauptverhandlung ab, deren Einhaltung das Gesetz bei sonstiger Nichtigkeit anordnet. Einen solchen Fehler zeigt der Beschwerdeführer nicht auf.

Mit der nicht auf einen nichtigen Akt der Hauptverhandlung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 192), sondern auf eine Begründungspassage im Urteil gegründeten Behauptung eines Verstoßes gegen das Verwertungsverbot des § 140 Abs 1 StPO verfehlt die Verfahrensrüge (Z 3) den gesetzlichen Bezugspunkt der Anfechtung.

Im Übrigen kommt ihr auch inhaltlich keine Berechtigung zu.

Die für die Auswertung von Daten im Zeitraum 28. Juni 2011 bis 13. September 2011 erforderliche gerichtlich bewilligte Anordnung der Staatsanwaltschaft lag vor (Band XII ON 7). Eine Verdachtslage nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG kann durchaus Überwachungsmaßnahmen rechtfertigen (vgl Reindl-Krauskopf, WK-StPO § 135 Rz 24). Die nach Maßgabe des § 15 Abs 2 FinStrG zu verhängende Freiheitsstrafe stellt keine „Nebenstrafe“ dar. Diese Bestimmung schränkt nur die Möglichkeit der Verhängung von freiheitsentziehenden Sanktionen auf Fälle spezial- oder generalpräventiver Indikation ein. Im Übrigen müssen die Voraussetzungen des § 135 Abs 2 und 3 StPO dann nicht vorliegen, wenn die Daten durch Auslesen aus einem beschlagnahmten Gerät beim Telekommunikationsteilnehmer selbst erhoben werden (Fabrizy, StPO § 134 Rz 5; Reindl-Krauskopf, WK-StPO § 134 Rz 54 f).

Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde (Z 4) die Begründung eines abweisenden Beschlusses releviert, entfernt sie sich vom Prüfungsmaßstab des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0116749 [T9]).

Gleiches gilt, wenn der Rechtsmittelwerber im Rahmen der Verfahrensrüge Begründungsmängel oder Rechtsfehler behauptet.

Entgegen der Beschwerde wurden durch die Abweisung des Antrags auf Beischaffung und Verlesung des „gesamten Abgabenakts“ der T***** GmbH, der Generalvollmacht der T***** GmbH vom 8. März 2010 und des Jahresabschlusses der T***** GmbH für das Jahr 2011 je zum Beweis dafür, dass die steuerlichen Agenden der T***** GmbH stets durch die im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführerin Sandra S***** wahrgenommen wurden, weshalb der Angeklagte Hans S***** nie steuerlich Wahrnehmender war und als Täter nach § 33 FinStrG ausscheide, keine Verteidigungsrechte verletzt.

Dass Sandra S***** die im Firmenbuch formell eingetragene Geschäftsführerin der T***** GmbH war und buchhalterische Vorarbeiten für den Steuerberater verrichtete, sah das Erstgericht als erwiesen an (US 14, 15 und 30; RIS-Justiz RS0099135).

Weshalb die beantragte Verlesung eine Klärung der faktischen...

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