Entscheidungs 14Os32/17p. OGH, 05-09-2017

ECLIECLI:AT:OGH0002:2017:0140OS00032.17P.0905.000
Judgement Number14Os32/17p
Date05 Septiembre 2017
Record NumberJJT_20170905_OGH0002_0140OS00032_17P0000_000
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. September 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wukovits, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Helmut R***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der vorsätzlichen Gemeingefährdung nach § 176 Abs 1 und 2 (iVm § 169 Abs 3 erster Fall) StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Helmut R*****, Andreas S*****, Karl S*****, Thomas F*****, Matthias K*****, Anton P***** und Gernot Pe***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 12. Jänner 2017, GZ 23 Hv 11/16s-160a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

1/ In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Andreas S*****, Karl S*****, Anton P***** und Gernot Pe***** sowie aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, hinsichtlich des Angeklagten Gernot Pe***** zur Gänze, ansonsten in den Schuldsprüchen A/I/3, A/I/4/b und d, A/I/5, A/II/1 (im Ausmaß der Bestimmung des Helmut R***** zu den von Punkt A/I/2/b erfassten Handlungen), A/II/2 bis 4, A/VI, B/2 und C/2, demgemäß in den Strafaussprüchen betreffend die Angeklagten Helmut R*****, Andreas S*****, Karl S***** und Anton P***** (einschließlich des Konfiskationsausspruchs) und im Verfallserkenntnis aufgehoben, in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

2/ Mit ihren Nichtigkeitsbeschwerden, soweit sie sich auf die von den amtswegigen Maßnahmen betroffenen Schuldsprüche beziehen, sowie mit ihren Berufungen werden die Angeklagten Helmut R*****, Andreas S*****, Karl S*****, Anton P***** und Gernot Pe***** auf diese Entscheidung verwiesen.

3/ Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden zurückgewiesen.

4/ Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten Thomas F***** und Matthias K***** werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

5/ Den Angeklagten Helmut R*****, Andreas S*****, Karl S*****, Thomas F*****, Matthias K***** und Anton P***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden relevant – Helmut R***** (zu A/I), Andreas S***** und Karl S***** (jeweils zu A/II), Thomas F***** (zu A/III), Matthias K***** (zu A/IV), Anton P***** (zu A/VI) und Gernot Pe***** (zu A/VII) der Verbrechen der vorsätzlichen Gemeingefährdung nach § 176 Abs 1 StGB (Thomas R***** zu A/I/1 auch nach § 176 Abs 2 iVm § 169 Abs 3 erster Fall StGB), Gernot Pe***** (zu B/1 und C/1) und Anton P***** (zu B/2 und C/2) jeweils eines Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB und der Begünstigung nach §§ 15, 299 Abs 1 StGB, Letzterer auch des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 1 StGB (zu D) schuldig erkannt.

Danach haben

A/ anders als durch eine der in den §§ 169, 171 und 173 StGB mit Strafe bedrohten Handlungen eine Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) einer größeren Zahl von Menschen oder für fremdes Eigentum in großem Ausmaß herbeigeführt, und zwar

I/ Helmut R*****

1/ am 17. November 2014 in K*****, wobei die Tat eine der im § 169 Abs 3 StGB genannten Folgen, nämlich den Tod von Bernhard F***** und Josef F***** zur Folge hatte, indem er am 16. November 2014 250 kg Kaliumperchlorad und 125 kg Aluminiumspulver zur Herstellung von mehreren tausend „Blitzknallsätzen“ (Böllern) und anderen pyrotechnischen Artikeln an eine von ihm nicht ordnungsgemäß eingerichtete Betriebstätte lieferte, die weiteren Materialien für die Herstellung von „Blitzknallsätzen“ zur Verfügung stellte, die Maschinen für die Herstellung der „Blitzknallsätze“ teils selber entwickelte und herstellte oder von den Helfern herstellen ließ, teils ankaufte und an diesem Ort für die Verarbeitung zur Verfügung stellte, sein chemisches und pyrotechnisches Fachwissen an von ihm bezahlte, jedoch für die Erzeugung von „Blitzknallsätzen“ nicht ausgebildete Mitarbeiter, nämlich den verstorbenen Bernhard F*****, Thomas F***** und Matthias K***** weitergab, diese in der Herstellung der „Blitzknallsätze“ nur oberflächlich einschulte, ohne explizit auf die Gefährlichkeit der Materialien hinzuweisen, sowie die Vermengung der einzelnen Grundkomponenten „willkürlich“ und ohne labortechnische Qualitätskontrolle durchführte und durchführen ließ und durch die Beimengung von Schwefel in unterschiedlichen Mengen sehr sensible pyrotechnisches setze herstellte und herstellen ließ, wodurch es geschehen konnte, dass im Zuge der unsachgemäßen Herstellung von pyrotechnischen Artikeln durch Bernhard F***** ein „Blitzknallsatz im Ausmaß von zumindest 25 Kilogramm“ explodierte;

2/ im Rahmen der Produktion von pyrotechnischen Gegenständen und „Blitzknallsätzen“ in großer Menge „ohne Betriebsanlagengenehmigung, ohne gesicherte Fertigungsumgebung, unter Verwendung absolut untauglicher Fertigungsmittel“ teils allein, teils unter Beiziehung der nicht entsprechend ausgebildeten Hilfskräfte Bernhard F*****, Thomas F***** und Matthias K*****

a/ von Dezember 2012 bis Frühjahr 2014 in G*****,

b/ ab Frühjahr 2014 bis 16. November 2014 in K*****;

3/ im Rahmen des Transports von pyrotechnischen Gegenständen und „Blitzknallsätzen“ durch die Beförderung mit seinem Pkw von G***** oder K***** über österreichisches Bundesgebiet „entgegen den ADR-Gefahrenguttransportvorschriften“

a/ von Dezember 2012 bis 17. November 2014 „eine nicht näher bekannte Stückzahl an Blitzknallsätzen an die Firma Pyrotechnik S***** und weitere Abnehmer“

b/ „an die tschechische Grenze“ und zwar am 22. April 2014 (Punkt 1) und am 14. August 2014 (Punkt 2) von insgesamt 3.000 Stück „Cobra 86“, 400 Stück „Superböller“ und 400 Stück „Tigerboom“,

c/ am 17. November 2014 etwa 80 kg „Blitzknallsatz-Nettoexplosivmasse“ nach M*****;

4/ im Rahmen der Lagerung von pyrotechnischen Gegenständen oder „Blitzknallsätzen“, nämlich

a/ von Dezember 2012 bis 26. November 2014 insgesamt zumindest 80 kg „Nettoexplosivmasse“ teils in der Garage, teils auch in seinem Fahrzeug auf der Liegenschaft in G*****,

b/ vom 17. November bis 20. November 2014 etwa 80 kg „Blitzknallsatz-Nettoexplosivmasse“ in M*****,

c/ vom 17. bis 18. November 2014 etwa 3.500 Stück „Blitzknallsätze Cobra 86“ (zumindest 175 kg „Blitzknallsatz-Nettoexplosivmasse“) in K*****,

d/ am 26. November 2014 etwa 80 kg „Blitzknallsatz-Nettoexplosivmasse“ in M*****;

5/ im Rahmen der „Inverkehrsetzung“ von pyrotechnischen Gegenständen und „Blitzknallsätzen“, nämlich

a/ an das Unternehmen Pyrotechnik S***** in S*****

1/ im Dezember 2012 mehr als 6.000 Stück „Blitzknallsätze“ (zumindest 185 kg „Blitzknallsatz-Nettoexplosivmasse“),

2/ 2013 etwa 13.000 Stück „Blitzknallsätze“ (zumindest 260 kg „Blitzknallsatz-Nettoexplosivmasse“),

3/ 2014 „große Mengen an Blitzknallsätzen“,

b/ an Pham T***** in Z***** (Tschechien) am 22. April 2014 (Punkt 1) und am 14. August 2014 (Punkt 2) die dort bezeichneten Mengen,

c/ „zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Jahr 2014 in Gr***** oder G***** ca. 1.500 Stück Böller und 200 Stück Bodenknallkörper (zumindest 34 Kilogramm Netto-Explosivmasse) an Bernhard St*****“,

d/ am 16. Februar 2014 in G***** „30 Stück große und 30 Stück kleine Böller (zumindest 1,65 Kilogramm Netto-Explosivmasse) und 40 bis 50 Kilogramm lose pyrotechnische Sätze an Daniel M*****“,

e/ im September 2014 in G***** „ca. 300 Stück Cobra 86 und ca. 8 Stück Salutbomben (zumindest 27 Kilogramm Netto-Explosivmasse) an Philipp H*****“,

f/ im März 2014 in F***** „9 Stück 1,5 Kilogramm Bodenknaller bzw Luft-Knall-Eröffnungsbomben (zumindest 13,5 Kilogramm Netto-Explosivmasse) an Anton P*****“;

II/ Andreas S***** und Karl S***** – soweit im Einzelnen nicht anders angeführt im bewussten und gewollten Zusammenwirken – in S***** und an anderen Orten

1/ indem sie Helmut R***** den Auftrag zur Produktion von pyrotechnischen Gegenständen und „Blitzknallsätzen“ erteilten, ihn mithin zu den von Punkt A/I/2 erfassten Handlungen bestimmten, und zwar

a/ Karl S***** alleine im Dezember 2012 durch mündliche Auftragserteilung,

b/ Andreas S***** alleine im Februar 2013 durch schriftliche Auftragserteilung im Rahmen einer Liefervereinbarung;

2/ im Rahmen des Transports von pyrotechnischen Gegenständen und „Blitzknallsätzen“ „entgegen die ADR-Gefahrenguttransportvorschriften“, nämlich

a/ im Dezember 2010 „ca. 2.700 Stück Blitzknallkörper 'Type 10 cm/9g' (zumindest 24 Kilogramm Blitzknallsatz-Nettoexplosivmasse)“ von S***** nach V***** (Karl S***** alleine),

b/ im Dezember 2012 in zwei Fahrten „ca. 80 Kilogramm Blitzknallsatz-Nettoexplosivmasse“ von G***** nach S***** (Karl S***** alleine),

c/ am 13. Juli 2014 „ca. 200 Kilogramm Blitzknallsatz-Nettoexplosivmasse“ von G***** nach S*****,

d/ im Jahr 2014 zweimal jeweils „ca. 20 Kilogramm Blitzknallsatz-Nettoexplosivmasse“ von G***** nach S***** (Andreas S***** alleine);

3/ im Rahmen der Lagerung von pyrotechnischen Gegenständen und „Blitzknallsätzen“ in S*****, nämlich

a/ im Dezember 2012 wenigstens 4.000 Stück Böllern (zumindest 80 kg „Blitzknallsatz-Nettoexplosivmasse“),

b/ im Jahr 2013 etwa 8.000 Stück Böllern (zumindest 72 kg „Blitzknallsatz-Nettoexplosivmasse“);

4/ im Rahmen der „Inverkehrsetzung“ von pyrotechnischen Gegenständen und „Blitzknallsätzen“, nämlich

a/ im Dezember 2010 etwa 2.700 Stück Böllern (zumindest 24 kg „Blitzknallsatz-Nettoexplosivmasse“) an Eduard L*****,

b/ zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Jahr 2012 „einen Karton Cobra 44“ an Daniel M*****,

c/ zwischen 8. Februar und 11. September 2014 vier Mal (Punkte 1 bis 4) insgesamt zumindest 240 Stück Böllern (etwa 2,5 kg...

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