Entscheidungs 16Ok1/21i. OGH, 12-10-2021

ECLIECLI:AT:OGH0002:2021:0160OK00001.21I.1012.000
Date12 Octubre 2021
Record NumberJJT_20211012_OGH0002_0160OK00001_21I0000_000
Judgement Number16Ok1/21i
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Solé und Dr. Kodek sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Herzele und KR Dr. Dernoscheg als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Antragstellerin R***** GmbH, *****, vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Antragsgegnerin Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft, Wien 1, Rotenturmstraße 5–9, vertreten durch Reidlinger Schatzmann Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (§ 26 KartG), über den Rekurs der Antragsgegnerin gegen die einstweilige Verfügung des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 1. Februar 2021, GZ 28 Kt 4/20b, 5/20z-14, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Die Bezeichnung der Antragstellerin wird dahin berichtigt, dass sie nunmehr lautet: „R***** GmbH“.

II. Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass er wie folgt zu lauten hat:

„1. Der Antragsgegnerin wird aufgetragen, binnen 14 Tagen bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Abstellungsantrag zu 28 Kt 4/20b der Antragstellerin Zugang zum Webshop der Antragsgegnerin unter https://shop.asfinag.at/de/ zu gewähren, um der Antragstellerin den Erwerb von digitalen Mautprodukten (= digitalen Vignetten und digitalen Streckenmauten) – jedoch nur für den Eigenbedarf und für die gewerbliche Weiterveräußerung von digitalen Mautprodukten mit einem Gültigkeitsbeginn von weniger als 18 Tagen ab Kauf an Verbraucher – zu ermöglichen, insbesondere durch Aufhebung der Sperre der unter den E-Mail-Adressen t*****.de und r*****.de angelegten Kundenkonten der Antragstellerin für Registrierungen von digitalen Mautprodukten im Webshop.

2. Das Mehrbegehren, der Antragsgegnerin aufzutragen, der Antragstellerin ohne die in Punkt 1. genannten Beschränkungen Zugang zum Webshop der Antragsgegnerin zu gewähren, wird abgewiesen.“

Die Antragstellerin hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

zu I.:

[1] Die Antragstellerin hat (wie sich aus dem mit der Rekursbeantwortung vorgelegten Auszug aus dem deutschen Handelsregister ergibt) ihre Firma geändert.

[2] Mangels eigener Regelung im AußStrG sind die Vorschriften der ZPO über die Richtigstellung der Parteibezeichnung auch im Außerstreitverfahren – und damit auch im Kartellverfahren – sinngemäß anzuwenden (RIS-Justiz RS0005758). Gemäß § 235 Abs 5 ZPO ist eine Berichtigung der Parteibezeichnung in jeder Lage des Verfahrens auf Antrag oder von Amts wegen vorzunehmen.

zu II.:

[3] Die Antragsgegnerin ist die nach § 1 ASFINAG-Gesetz errichtete Aktiengesellschaft, deren Aktien zur Gänze im Eigentum der Republik Österreich stehen. Ihr Unternehmensgegenstand ist insbesondere die Finanzierung, die Planung, der Bau und die Erhaltung der Bundesstraßen einschließlich der hiezu notwendigen und zweckdienlichen Infrastruktur und die Einhebung von zeit- und fahrleistungsabhängigen Mauten von den Benutzern dieser Straßen. Sie hat das Fruchtgenussrecht (§§ 509 ff ABGB) an allen Autobahnen und Schnellstraßen in Österreich. Damit verbunden ist das Recht, Mauten und Benützungsgebühren von allen Nutzern dieser Straßen einzuheben.

[4] Seit 1. Dezember 2017 bietet die Antragsgegnerin den Bezug der digitalen Vignette und der digitalen Streckenmaut (Überbegriff für beide: „digitale Mautprodukte“) über einen von ihr betriebenen Webshop an.

[5] Die allgemeinen Nutzungsbedingungen (ANB) der Antragsgegnerin lauten auszugsweise wie folgt:

„1.3. Das Bundesstraßen-Mautgesetz (BStMG) regelt die Entrichtung der zeitabhängigen Maut bzw Streckenmaut für einspurige Kraftfahrzeuge sowie für mehrspurige Kraftfahrzeuge, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt. Der Erwerb einer Digitalen Vignette bzw einer Digitalen Streckenmaut ist möglich, indem das Kennzeichen im Mautsystem registriert wird. Um diese Registrierung bzw den Bezug und die Verwaltung der Digitalen Vignette bzw der Digitalen Streckenmaut zu ermöglichen, betreibt die ASFINAG den ASFINAG-Webshop.

[...]

1.6. Der Bezug der Digitalen Vignette bzw der Digitalen Streckenmaut ist ein gesetzliches Schuldverhältnis. Der Online-Bezug darf ausschließlich über den ASFINAG-Webshop innerhalb von Österreich, der EU, der EWR-Staaten sowie der Schweiz und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland erfolgen. Der Bezug erfolgt ausschließlich auf Basis dieser ANB, der per Verweis integralen Dokumente und der gesetzlichen Bestimmungen. Andere Bedingungen – insbesondere Einkaufsbedingungen odgl des Beziehers – sind ausgeschlossen.

[…]

2.1. Klebevignette und Digitale Vignette haben dieselbe Gültigkeitsdauer, sie kosten denselben Preis und sind jeweils als Jahresvignette, als Zweimonatsvignette und als Zehntagesvignette verfügbar. Sie unterscheiden sich voneinander aber dadurch, dass die Klebevignette am Fahrzeug anzubringen ist, während bei der Digitalen Vignette das Kraftfahrzeugkennzeichen gemäß den Vorgaben des BStMG im Mautsystem registriert wird. Diese Registrierung stellt den Bezug der Digitalen Vignette dar. […]

2.2. Herkömmliche Streckenmaut und Digitale Streckenmaut kosten denselben Preis und sind als Einzelfahrt oder Jahreskarte verfügbar. […]

14. Verbot der Weiterveräußerung

14.1. Die gewerbliche Weiterveräußerung von bezogenen Produkten der Digitalen Vignetten und der Digitalen Streckenmaut ohne schriftliche Zustimmung seitens der ASFINAG wird untersagt.“

[6] Im Webshop und in der App der Antragsgegnerin wird beim Bezug der digitalen Mautprodukte zwischen Unternehmern und Verbrauchern unterschieden. Beim Bezug durch Verbraucher ist das digitale Mautprodukt frühestens nach Ablauf einer Wartefrist von 18 Tagen gültig, innerhalb derer der Verbraucher den Rücktritt vom Vertrag erklären kann. Unternehmer können die digitalen Mautprodukte hingegen auch mit sofortiger Gültigkeit zum aktuellen Mauttarif beziehen.

[7] Abgesehen vom Bezug einer Klebevignette über das Internet (bei der die 18-tägige Mindestfrist bis zur Gültigkeit generell nicht gilt) bzw der herkömmlichen Streckenmaut an Mautstellen kann ein auch für Verbraucher sofort gültiges digitales Mautprodukt nur in physischen Vertriebsstellen der Antragsgegnerin oder ihrer Vertriebspartner erworben werden. Diesen Vertriebspartnern stellt die Antragsgegnerin auch zusätzliche Funktionalitäten über ihr Kundenkonto zur Verfügung, mit denen der Produktverkauf und ein anschließendes Servicemanagement (etwa Umregistrierung) ermöglicht wird. Der Produktpreis ist in allen Fällen (Klebevignette, Streckenmaut, digitale Vignette über Webshop oder App, über Automat, über eine Vertriebsstelle oder über Vertriebspartner der Antragsgegnerin) gleich; es werden keine Aufschläge verrechnet. Ein digitales Mautprodukt kann daher online über das Internet (ohne physische Anwesenheit bei einem Automaten, einer Vertriebsstelle oder einem Vertriebspartner der Antragsgegnerin) erworben werden, allerdings von Verbrauchern (außer im Fall einer Einzelfahrt bei Streckenmaut, wo ein Verzicht auf das Rücktrittsrecht möglich ist) nur mit einer Gültigkeit frühestens 18 Tage nach Bezugsdatum, sofern der Verbraucher nicht im Webshop tatsachenwidrig angibt, Unternehmer zu sein.

[8] Die Antragsgegnerin kontrahiert hinsichtlich des Zugangs zu ihrem Webshop nicht mit Dritten, die über eigene Webshops digitale Mautprodukte vertreiben wollen.

[9] Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland. Sie will Kunden mit (Wohn-)Sitz außerhalb Österreichs und nur für Fahrzeuge mit nicht österreichischen Kennzeichen als Begünstigte unter der Domain mautpilot.de sofort gültige digitale Mautprodukte für Österreich im Online-Vertrieb bereitstellen.

[10] Den von der Antragstellerin beabsichtigten Vertragsschlüssen sollen allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) der Antragstellerin zugrunde gelegt werden, die auszugsweise wie folgt lauten:

„4. Widerrufsrecht

Ausschließlich für Verbraucherkunden im Sinne von § 13 BGB, dh natürlichen [sic] Personen, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließen, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden können, gilt was folgt:

Widerrufsrecht

Sie haben das Recht, binnen vierzehn Tagen ohne Angabe von Gründen diesen Vertrag zu widerrufen.

Die Widerrufsfrist beträgt vierzehn Tage ab dem Tag des Vertragsabschlusses. Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns […] mittels einer eindeutigen Erklärung (zB ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren. […] Zur Wahrung der Widerrufsfrist reicht es aus, dass Sie die Mitteilung über die Ausübung des Widerrufsrechts vor Ablauf der Widerrufsfrist absenden.

Folgen des Widerrufs

Wenn Sie diesen Vertrag widerrufen, haben wir Ihnen alle Zahlungen, die wir von Ihnen erhalten haben, einschließlich der Lieferkosten (mit Ausnahme der zusätzlichen Kosten, die sich daraus ergeben, dass Sie eine andere Art der Lieferung als die von uns angebotene, günstigste Standardlieferung gewählt haben), unverzüglich und spätestens binnen vierzehn Tagen ab dem Tag zurückzuzahlen, an dem die Mitteilung über Ihren Widerruf dieses Vertrags bei uns eingegangen ist. […] Haben Sie verlangt, dass die Dienstleistungen während der Widerrufsfrist beginnen sollen, so haben Sie uns einen angemessenen Betrag zu zahlen, der dem Anteil der bis zu dem Zeitpunkt, zu dem Sie uns von der Ausübung des Widerrufsrechts hinsichtlich dieses Vertrages unterrichten, bereits erbrachten Dienstleistungen im Vergleich zum Gesamtumfang der im Vertrag vorgesehenen Dienstleistungen entspricht.

Ende der Widerrufsbelehrung

5. Preise; Zahlungsbedingungen; Lieferbedingungen

5.1. Die Preise beinhalten die Mautgebühren der ASFINAG sowie eine Servicegebühr für die Dienstleistung des Anbieters sowie für die schnelle Verfügbarkeit und die jeweilige gesetzliche Umsatzsteuer.

[...]

5.3....

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