Entscheidungs 1Ob108/04w. OGH, 24-06-2005

ECLIECLI:AT:OGH0002:2005:0010OB00108.04W.0624.000
Record NumberJJT_20050624_OGH0002_0010OB00108_04W0000_000
Judgement Number1Ob108/04w
Date24 Junio 2005
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski und Dr. Fichtenau als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei G***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Dr. Werner Stolarz, Rechtsanwalt in Hollabrunn als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der H***** GesmbH, *****, 2. Karl B*****, vertreten durch Dr. Manfred Lampelmayer, Rechtsanwalt in Wien, 3. Erich S*****, vertreten durch Dr. Ernst Summerer, Rechtsanwalt in Retz, 4. Stadtgemeinde H*****, vertreten durch Dr. Franz Nistelberger, Rechtsanwalt in Wien, 5. Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, und 6. Ing. Manfred S*****, vertreten durch Dr. Werner Stolarz, Dr. Ernst Summerer OEG, Rechtsanwälte in Hollabrunn, wegen EUR 4,158.144,37 sA, infolge außerordentlicher Revisionen der klagenden Partei sowie der viert- und sechstbeklagten Partei gegen das Teil- und Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Februar 2003, GZ 14 R 150/02k-120, womit das Zwischenurteil des Landesgerichts Korneuburg vom 28. Februar 2002, GZ 3 Cg 20/96s-100, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der klagenden Partei wird in Ansehung der viertbeklagten Partei teilweise und darüber hinaus in Ansehung der dritt- und fünftbeklagten Partei zur Gänze nicht Folge gegeben.

Der Revision der viertbeklagten Partei wird teilweise Folge gegeben.

Der Revision der sechstbeklagten Partei wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das in Ansehung der erst- und zweitbeklagten Partei als unangefochten unberührt bleibt und in seinem die dritt- und fünftbeklagte Partei betreffenden klagsabweisenden Ausspruch bestätigt wird, wird in Ansehung der viert- und sechstbeklagten Partei dahin abgeändert, dass es insoweit zu lauten hat:

„Das Klagebegehren besteht gegen die viertbeklagte Partei zur ungeteilten Hand mit der erst- und zweitbeklagten Partei zu 1/3 zu Recht.

Das Klagebegehren, die sechstbeklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei EUR 2,079.072,19 samt 7 % Zinsen seit 3. 6. 1993 zu zahlen, wird

abgewiesen.

Die Kostenentscheidung wird in Ansehung der viertbeklagten Partei der Endentscheidung vorbehalten.

Die klagende Partei ist schuldig, der sechstbeklagten Partei die mit EUR 61.173,09 (darin EUR 9.832,15 USt und EUR 2.180,19 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit EUR 37.557,19 (darin EUR 900,03 USt und EUR 32.157 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens zweiter Instanz und die mit EUR 7.892,57 (darin EUR 732,09 USt und EUR 3.500 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, der drittbeklagten Partei die mit EUR 3.125,88 (darin EUR 520,98 USt) und der fünftbeklagten Partei die mit EUR 2.604,90 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war in Zeitpunkt des hier strittigen Brandes am 4. 1. 1993 Feuer- und Betriebsunterbrechungsversicherer des von der Gemeinschuldnerin (in der Folge Erstbeklagte) betriebenen Sägewerk-, Zimmerei- und Parketterzeugungsunternehmens, dessen geschäftsführender Gesellschafter der Zweitbeklagte war. Der Drittbeklagte war zumindest bis zum Brand der für dieses im Gemeindegebiet der Viertbeklagten gelegene Unternehmen zuständige Rauchfangkehrermeister. Die Fünftbeklagte ist Rechtsträger der für die Erstbeklagte zuständigen Gewerbebehörde. Der sechstbeklagte Baumeister war im Jahre 1974 - damals noch als unselbständiger Mitarbeiter eines Bauunternehmens - mit der Errichtung eines Kesselhauses, indem die Aufstellung eines 1974 vom Zweitbeklagten beschafften Heizkessels geplant war und von dem in der Folge der hier zu beurteilende Brand ausging, beauftragt. Ab 1. 1. 1976 war er für die Erstbeklagte als selbständiger Baumeister tätig, wobei ihn der Zweitbeklagte bei Errichtung jedes Bauwerks mit einer Generalvollmacht zur technischen und rechtlichen Abwicklung sämtlicher Bauprojekte ausstattete. In den Jahren 1965 bis 1992 war der Sechstbeklagte auch Stadtrat der Viertbeklagten und dort mit Bauangelegenheiten befasst.

Der Sechstbeklagte war gegenüber der Baubehörde sowohl für die bautechnische Ausführung als auch für die baurechtlichen Belange wie das Erlangen von Bau- und Benützungsbewilligungen verantwortlich. Für das Heizhaus wurden zwar in der Palettenerzeugungshalle massive Umfassungswände mit einer Mauerstärke von 25 cm errichtet, es unterblieb jedoch die Ausführung einer brandbeständigen Decke. Die Umfassungswände wurden lediglich bis zur bestehenden Decke hochgezogen, die aus Holz mit verputzter Verkleidung bestand. An den Heizraum war ein aus einer Stahlkonstruktion bestehender Spänesilo angebaut.

Der Heizkessel mit einer Nenn-Wärmeleistung von ca 465 kW wurde mit Abfallholz und Spänen beheizt. Er war über ein Verbindungsstück mit einem Durchmesser von 0,4 m an einen Metallrauchfang angeschlossen und an der Oberseite mit Glaswolle, Asbest und einem Metallblech wärmegedämmt. Der Rauchfang war einschalig ausgeführt und bestand aus Stahlblech. Sein Durchmesser betrug 0,55 m. Lediglich im Bereich der Durchführung durch die nicht brandbeständige Decke war der Rauchfang doppelschalig ausgeführt, wobei die Wärmedämmung aus ca 9 cm starker weißer Glaswolle bestand, die zwischen dem Rohr und einem 2 mm starken Aluminiumblechmantel eingebracht war. Die Gesamthöhe des äußeren Mantels der Wärmeisolierung betrug 125 cm, wobei die Oberkante dieser Isolierung nur wenige Zentimeter oberhalb des Niveaus der Blecheindeckung des Heizhausdaches endete.

Weder für den Kessel noch für den Metallrauchfang lag in Niederösterreich eine Zulassung vor. Mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 12. 11. 1979 waren Stahlblechrauchfänge dieses Systems befristet bis 31. 12. 1981 baupolizeilich für das Land Salzburg zugelassen worden. In diesem Bescheid wird darauf hingewiesen, dass die „Bestandslebensdauer" solcher Edelstahlrauchfänge mit 10 Jahren begrenzt sei. Eine darüber hinausgehende Belassung und Verwendung dürfe nur nach Einholung einer neuerlichen befristeten behördlichen Bewilligung erfolgen. Die Kehrung habe bis zum 5. Jahr nach der Aufstellung einmal jährlich stattzufinden, ab dem 6. Jahr zweimal jährlich, sofern nicht aufgrund eines Befundes eine kürzere Zeitspanne erforderlich werde. Die Revision habe durch den TÜV, einen Ziviltechniker der entsprechenden Fachrichtung, oder ein Überwachungsorgan der Unterabteilung Maschinenbau, Elektrotechnik und Kraftfahrwesen des Amtes der Salzburger Landesregierung zu erfolgen. Der Bescheid verweist ausdrücklich darauf, dass die baupolizeiliche Zulassung die örtliche Genehmigungsbehörde zwar von der Verpflichtung einer grundsätzlichen Überprüfung der Bauart befreie, nicht jedoch davon, die Erfüllung der entsprechenden Zulassungsbestimmungen zu überwachen und die auf der Baustelle befindlichen Baustoffe und Bauteile auf ihre Eignung zu überprüfen.

Das Heizhaus wurde konsenslos errichtet. Der Sechstbeklagte hat weder vor noch nach Errichtung des Heizhauses unter Vorlage der notwendigen Unterlagen bei der Viertbeklagten um die Bewilligung zur Errichtung des Objekts angesucht, ebensowenig um eine Genehmigung des Heizkessels samt Rauchfang. Im Falle eines derartigen Ansuchens hätte die Viertbeklagte das Gutachten einer österreichischen technischen autorisierten Prüfanstalt oder eines Ziviltechnikers mit einschlägiger Fachrichtung einholen müssen, um die Genehmigung aus baurechtlicher Sicht erteilen zu können.

Der Sechstbeklagte war im Zuge einer kommissionellen Überprüfung durch die Gewerbebehörde am 20. 5. 1975 als Vertreter der Viertbeklagten anwesend. Dabei wurde festgestellt, dass die Beheizung durch den bereits beschriebenen Kessel in einem Heizraum erfolge. Zur Befeuerung dienten Sägespäne, die durch eine automatische Anlage aus dem daneben liegenden Spänelager entnommen wurden. Der Zweitbeklagte ersuchte im Zuge dieser Verhandlung unter Vorlage eines unvollständigen Grundrissplanes um gewerbliche Genehmigung dieser Objektgruppe. Zur Erreichung einer solchen Genehmigung trug ihm die Gewerbebehörde die Vorlage einer Baubeschreibung sowie technischer Details über die Heizanlage (Kesselleistung, Kesselinhalt mit Rauchfang) auf.

Am 22. 1. 1976 ereignete sich auf dem Betriebsgelände der Erstbeklagten ein Brand, durch den mehrere Objekte zerstört wurden. Am 30. 1. 1976 verhandelte die Gewerbebehörde im Unternehmen über die Errichtung einer neuen Sägehalle und einer Sortieranlage. Der Sechstbeklagte nahm an dieser Verhandlung als Planverfasser teil, für die Viertbeklagte schritt ein anderer Stadtrat ein.

Am 15. 3. 1977 verhandelte die Gewerbebehörde über die Erteilung der Betriebsbewilligung für die neu errichteten Objekte und nahm eine Überprüfung der übrigen Betriebsanlage vor. An der Verhandlung nahmen unter anderem der Baudirektor der Viertbeklagten, ein Vertreter der Landesstelle für Brandverhütung, der Zweitbeklagte und der Sechstbeklagte als Planverfasser teil. Betreffend das Kurzholzsägewerk und die Palettenerzeugung hielt der Verhandlungsleiter fest, dass der Zweitbeklagte bereits in der Verhandlung vom 20. 5. 1975 aufgefordert worden sei, die für die Genehmigung der Änderung dieser Anlagen erforderlichen Ansuchen unter Anschluss der nötigen Unterlagen zu stellen. Er wurde nochmals aufgefordert, die notwendigen Ansuchen einzubringen. Zur fortgesetzten Verhandlung am 19. 4. 1977 legte der Zweitbeklagte einen Bestandplan vor, in dessen Grundriss das Heizhaus eingezeichnet war und dessen Aufriss entgegen den tatsächlichen Gegebenheiten eine Massivdecke mit Verputz und...

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