Entscheidungs 1Ob146/19f. OGH, 23-10-2019

ECLIECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00146.19F.1023.000
Date23 Octubre 2019
Record NumberJJT_20191023_OGH0002_0010OB00146_19F0000_000
Judgement Number1Ob146/19f
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1. A*****, 2. I***** und 3. C*****, alle *****, vertreten durch die Greiml & Horwath Rechtsanwaltspartnerschaft, Graz, gegen die Antragsgegnerin ***** Wasserversorgung GmbH, *****, vertreten durch die Kaan Cronenberg & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Graz, wegen Festsetzung einer Entschädigung nach § 34 Abs 4 iVm § 117 WRG, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 7. Juni 2019, GZ 2 R 87/19k-106, mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 18. Dezember 2018, GZ 17 Nc 192/11f-100, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit Verordnung des Landeshauptmanns von Steiermark vom 21. 11. 1990, mit der ein Grundwasserschongebiet zum Schutze der Wasserversorgungsanlagen der Leibnitzerfeld-Wasserversorgungs-GesmbH, der Gemeinden Lebring-St. Margarethen, Retznei und der Marktgemeinde Wagna bestimmt wird (LGBl 1990/86), wurden in der Stadtgemeinde Leibnitz, der Marktgemeinde Wagna und in den Gemeinden Gralla, Kaindorf, Lang, Lebring-St. Margarethen und Tillmitsch ein Grundwasserschongebiet zum Schutz der genannten Wasserversorgungsanlagen festgelegt und Nutzungsbeschränkungen der im Schongebiet gelegenen Grundstücke angeordnet. Diese Verordnung (kurz: Schongebietsverordnung) wurde mehrmals novelliert, nämlich durch LGBl 1991/92, LGBl 1995/38, LGBl 1996/93, LGBl 1998/93, LGBl 2000/88, LGBl 2005/46, LGBl 2006/48, LGBl 2007/16, LGBl 2008/30 und zuletzt LGBl 2009/13. Gemäß § 11 Z 9 der Verordnung des Landeshauptmanns von Steiermark vom 20. 5. 2015, mit der ein Regionalprogramm zum Schutz der Grundwasserkörper Grazer Feld, Leibnitzer Feld und Unteres Murtal erlassen und Schongebiete bestimmt werden (LGBl 2015/39), trat diese Schongebietsverordnung (LGBl 1990/86, zuletzt in der Fassung LGBl 2009/13) mit Ablauf des 31. 12. 2015 außer Kraft.

Die Erst- und Zweitantragsteller beantragten am 9. 2. 2007 bei der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz den Zuspruch einer Entschädigung für alle Nachteile, die ihnen durch „neue Bewirtschaftungsauflagen“ im Wasserschongebiet „Westliches Leibnitzer Feld“ an ihren (näher bezeichneten) Grundstücken entstünden. Sie waren damals jeweils Hälfteeigentümer dieser Grundstücke. Diese liegen jeweils im Geltungsbereich der Schongebietsverordnung. Antragsgegnerin ist die in dieser Verordnung genannte GmbH.

Mit Bescheid vom 27. 10. 2010 verpflichtete die Wasserrechtsbehörde die Antragsgegnerin zur Leistung einer Entschädigung für Erschwernisse und Mindererträge aus der Bewirtschaftung der Grundstücke (aufgrund der Verordnung des Landeshauptmanns LGBl 1990/86 „in der Fassung LGBl 13/2009“) von 2.405,22 EUR pro Jahr, wobei der rückständige Entschädigungsbetrag (für den Zeitraum bis 2010) mit 9.620,88 EUR festgesetzt wurde.

Die Antragsgegnerin rief gegen diese Entscheidung am 3. 12. 2010 das Gericht an und begehrte die Zurück- bzw Abweisung des Entschädigungsantrags.

Die Erst- und Zweitantragsteller übertrugen ihren landwirtschaftlichen Betrieb mit Übergabsvertrag vom 11. 12. 2014 (ausgenommen ein bereits vorher an einen Dritten verkauftes Grundstück) an den Drittantragsteller. Die Vorinstanzen gingen davon aus, dass der Drittantragsteller hinsichtlich der an ihn übertragenen Grundstücke, die Gegenstand des Entschädigungsverfahrens sind, in das Verfahren eingetreten (beigetreten) ist. Das wird in dritter Instanz nicht mehr bekämpft.

Die Entschädigungswerber begehren die Zuerkennung einer Entschädigung in der Höhe, wie sie im – aufgrund der rechtzeitigen Anrufung des Gerichts gemäß § 117 Abs 4 WRG außer Kraft getretenen – Bescheid der Bezirkshauptmannschaft zugesprochen wurde. Sie stützen ihren Entschädigungsanspruch darauf, dass ihnen durch die in der Schongebietsverordnung normierten Bewirtschaftungsbeschränkungen – hinsichtlich ihrer im Schongebiet gelegenen Grundstücke – wirtschaftliche Nachteile entstanden seien. Insbesondere durch die in der Verordnung vorgeschriebene „hundertprozentige“ Winterbegrünung und die damit zusammenhängende Verpflichtung zum ausschließlichen Anbau von Maissorten, die vor dem 10. Oktober abreifen, komme es zu Ertragsminderungen, weil vor dem 10. Oktober abreifende Maissorten weniger Ertrag abwerfen als später abreifende Sorten. Aus der Verpflichtung zu einer „hundertprozentigen“ Winterbegrünung ergebe sich auch ein Mehraufwand aufgrund höherer Maschinen- und Arbeitskosten im Vergleich zu einer „normalen“ (40%igen) Winterbegrünung. Durch das Verbot der Ausbringung von Gärsubstraten aus Biogasanlagen sei Mineraldünger anzuschaffen, was ebenfalls Mehrkosten verursache; ebenso die erforderliche Lagerung der Gärsubstrate. Erlöseinbußen ergäben sich auch durch die in der Schongebietsverordnung normierten Obergrenzen für die Stickstoffdüngung bei Mais auf bestimmten Bodenarten. Ohne die in dieser Verordnung enthaltenen Beschränkungen wären die Entschädigungswerber im Rahmen einer ordnungsgemäßen land- und forstwirtschaftlichen Bodennutzung – also ohne wasserrechtliche Bewilligung, weil dadurch kein übermäßig hoher Nitratgehalt des Grundwasserkörpers bewirkt worden wäre – zur Ausübung der durch die Verordnung beschränkten Nutzungsrechte berechtigt gewesen. Da das Schongebiet zum Schutz der Wasserversorgungsanlage des Wasserverbands bestimmt worden sei, habe dieser (und nicht etwa der Bund oder [auch] andere Wasserberechtigte) die Antragsteller für die dadurch bewirkten Nutzungsbeschränkungen zu entschädigen.

Die Antragsgegnerin entgegnete, für durch eine Schongebietsverordnung angeordnete Nutzungsbeschränkungen stehe generell kein Entschädigungsanspruch zu. Jedenfalls sei sie nicht alleine entschädigungspflichtig, weil auch anderen Wasserberechtigten im Schongebiet die Vorteile der Verordnung (Schutz des Grundwassers) zugute kämen. Eine Entschädigung würde allenfalls auch nur insoweit in Betracht kommen, als den Entschädigungswerbern tatsächlich zustehende Rechte beeinträchtigt worden wären. Dies sei aber nicht der Fall gewesen, weil diese auch ohne die in der Schutzgebietsverordnung enthaltenen Beschränkungen nicht zur Ausübung der davon betroffenen Nutzungen berechtigt gewesen wären, zumal sie die Grundwasserqualität mehr als bloß geringfügig beeinträchtigt hätten und daher über den bewilligungsfreien Rahmen einer ordnungsgemäßen land- und forstwirtschaftlichen...

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