Entscheidungs 1Ob147/19b. OGH, 23-10-2019

ECLIECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00147.19B.1023.000
Record NumberJJT_20191023_OGH0002_0010OB00147_19B0000_000
Judgement Number1Ob147/19b
Date23 Octubre 2019
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1. W***** P***** und 2. A***** P*****, vertreten durch die Greiml & Horwath Rechtsanwaltspartnerschaft, Graz, gegen die Antragsgegnerin Leibnitzerfeld Wasserversorgung GmbH, *****, vertreten durch die Kaan Cronenberg & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Graz, wegen Festsetzung einer Entschädigung nach § 34 Abs 4 iVm § 117 WRG, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 27. Mai 2019, GZ 2 R 37/19g-109, mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 25. November 2018, GZ 17 Nc 85/11w-99, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit Verordnung des Landeshauptmanns von Steiermark vom 21. 11. 1990, mit der ein Grundwasserschongebiet zum Schutze der Wasserversorgungsanlagen der Leibnitzerfeld-Wasserversorgungs-Ges.m.b.H., der Gemeinden Lebring-St. Margarethen, Retznei und der Marktgemeinde Wagna bestimmt wird (LGBl 1990/86), wurden in der Stadtgemeinde Leibnitz, der Marktgemeinde Wagna und in den Gemeinden Gralla, Kaindorf, Lang, Lebring-St. Margarethen und Tillmitsch ein Grundwasserschongebiet zum Schutz der genannten Wasserversorgungsanlagen festgelegt und Nutzungsbeschränkungen der im Schongebiet gelegenen Grundstücke angeordnet. Diese Verordnung (kurz: Schongebietsverordnung) wurde mehrmals novelliert, nämlich durch LGBl 1991/92, LGBl 1995/38, LGBl 1996/93, LGBl 1998/93, LGBl 2000/88, LGBl 2005/46, LGBl 2006/48, LGBl 2007/16, LGBl 2008/30 und zuletzt LGBl 2009/13. Gemäß § 11 Z 9 der Verordnung des Landeshauptmanns von Steiermark vom 20. 5. 2015, mit der ein Regionalprogramm zum Schutz der Grundwasserkörper Grazer Feld, Leibnitzer Feld und Unteres Murtal erlassen und Schongebiete bestimmt werden (LGBl 2015/39), trat diese Schongebietsverordnung (LGBl 1990/86, zuletzt in der Fassung LGBl 2009/13) mit Ablauf des 31. 12. 2015 außer Kraft.

Die Antragsteller beantragten am 6. 2. 2007 bei der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz den Zuspruch einer Entschädigung für alle Nachteile, die ihnen durch „neue Bewirtschaftungsauflagen“ im Wasserschongebiet „Westliches Leibnitzer Feld“ an ihren (näher bezeichneten) Grundstücken entstünden. Diese Grundstücke liegen im Geltungsbereich der Schongebietsverordnung. Antragsgegnerin ist die in dieser Verordnung genannte GmbH. Die verfahrensgegenständlichen Grundstücke gehören je zur Hälfte dem Erstantragsteller und der Zweitantragstellerin.

Im Geltungsbereich der Schongebietsverordnung ist das Grundwasser „in einem relevanten Ausmaß“ mit Nitrat verschmutzt. Aufgrund dieser Vorbelastung des Grundwassers ist eine von einer einzelnen landwirtschaftlichen Parzelle ausgehende Nitratkonzentration im Sickerwasser, die „höher als der Schwellwert ist, eine relevante Verschlechterung oder Verschmutzung“.

Nach den Feststellungen ist Grundwasser als Trinkwasser mehr als geringfügig beeinträchtigt, wenn es mehr als 50 mg Nitrat pro Liter enthält. Wenn die Nitratkonzentration im Sickerwasser beim Eintritt in das Grundwasser 45 mg/l unterschreitet, liegt jedenfalls keine Beeinträchtigung vor.

Die Antragsteller (Entschädigungswerber) haben sich im Rahmen des „vorbeugenden Boden- und Gewässerschutzes des Agrarumweltprogramms ÖPUL 2007“ zur Anlage von winterharten Begrünungsdecken auf den Schongebietsflächen verpflichtet und dafür Prämien bezogen. Im Rahmen dieser ÖPUL-Maßnahme bestand die Verpflichtung, die Begrünung bis 15. 10. anzulegen und frühestens am 1. 3. des Folgejahres zu entfernen.

Die „Eigenfläche“ der Antragsteller im Schongebiet umfasst 9,89 ha.

Durch die Vorverlegung des Erntetermins bei Körnermais ergeben sich durch die Bestimmungen der Schongebietsverordnung zusätzliche Kosten von 30 EUR pro Jahr.

Nach den Vorgaben der vom Betrieb eingegangenen Begrünungsverpflichtung laut ÖPUL 2007 muss spätestens ab 15. 10. jeden Jahres der Anbau der Begrünung auf der betreffenden Fläche vollzogen sein. Laut der Schongebietsverordnung hat der Anbau der Gründecke bis spätestens 10. 10. zu erfolgen, sodass durch die Schongebietsverordnung der späteste Erntetermin um fünf Kalendertage vorverlegt wird. Diese Zeitspanne von fünf Kalendertagen liegt in einem durch Witterungsverhältnisse beeinflussten Schwankungsbereich, weil auch im Regelfall der ÖPUL 2007-Termin einzuhalten ist und daher aus betrieblicher Sicht eine Pufferzeit zwischen der Maisernte und dem rechtzeitigen Anbau der Begrünung gegeben sein muss. Da der Corn-Cob-Mix mit einem gegenüber Körnermais höheren Feuchtigkeitsgehalt und somit früher geerntet wird, kann der in der Schongebietsverordnung vorgegebene Termin eingehalten werden.

Laut ÖPUL 2007 ist eine Einarbeitung der Begrünung und somit eine Bodenbearbeitung frühestens mit 2. 3. zulässig. Gemäß der Schongebietsverordnung darf eine Beseitigung der Gründecke erst im Zuge des Frühjahrsanbaus erfolgen. Laut ÖPUL 2007 wäre daher ein Zeitraum zwischen Umbruch der Gründecke und Aussaat der darauffolgenden Hauptfrucht durchaus zulässig. Dies ist aber durch die Schongebietsverordnung untersagt, weil die Begrünungsflächen erst im Zuge des Frühjahrsanbaus umgebrochen werden dürfen. Der Umbruch kann daher gemäß den Bestimmungen der Schongebietsverordnung erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen werden. Infolge des späteren Umbruchtermins weist die Winterbegrünung einen – im Zusammenhang mit dem Nitrataustrag günstigeren – höheren Grünmasseaufwuchs auf, der im Rahmen der Umbrucharbeiten zu Arbeitserschwernissen führt. Zur Vorbereitung des Frühjahrsanbaus ist daher zusätzlich der Einsatz eines Schwergrubbers notwendig, um die mengenmäßig größeren Pflanzenmassen entsprechend einarbeiten zu können. Durch den zusätzlichen Grubbereinsatz im Betrieb der Antragsteller ergeben sich zusätzliche Kosten von 45 EUR pro ha.

Insgesamt entstehen für den Betrieb der Antragsteller dadurch pro Jahr Kosten von 475 EUR.

Mit Bescheid vom 27. 10. 2010 verpflichtete die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz die Antragsgegnerin, den Antragstellern für Erschwernisse und Mindererträge aus der Bewirtschaftung ihrer Grundstücke 1.591,34 EUR pro Jahr zu leisten, wobei der rückständige Entschädigungsbetrag für die Jahre 2007 bis 2010 mit 6.365,36 EUR festgesetzt und im Übrigen die Fälligkeit mit 20. 12. jeden Jahres bestimmt wurde.

Die Antragsgegnerin rief gegen diese Entscheidung das Erstgericht an und begehrte die Zurückweisung, hilfsweise die Abweisung des Entschädigungsantrags.

Die Antragsteller begehren die Zuerkennung einer Entschädigung in der Höhe, wie sie ihnen im – aufgrund der rechtzeitigen Anrufung des Gerichts gemäß § 117 Abs 4 WRG außer Kraft getretenen – Bescheid der Bezirkshauptmannschaft zugesprochen wurden. Sie stützen ihren Entschädigungsanspruch darauf, dass ihnen durch die in der Schongebietsverordnung normierten Bewirtschaftungsbeschränkungen – hinsichtlich der im Schongebiet gelegenen Grundstücke – wirtschaftliche Nachteile entstanden seien. Insbesondere durch die in der Verordnung vorgeschriebene „hundertprozentige“ Winterbegrünung und die damit zusammenhängende Verpflichtung zum ausschließlichen Anbau von Maissorten, die vor dem...

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