Entscheidungs 1Ob48/12h. OGH, 13-12-2012

ECLIECLI:AT:OGH0002:2012:0010OB00048.12H.1213.000
Record NumberJJT_20121213_OGH0002_0010OB00048_12H0000_000
Judgement Number1Ob48/12h
Date13 Diciembre 2012
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Parteien 1) J***** N*****, und 2) I***** N*****, beide *****, vertreten durch Christandl Rechtsanwalt GmbH in Graz, gegen die beklagte und widerklagende Partei B***** AG, *****, Deutschland, vertreten durch Nemetschke Huber Koloseus Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1) 305.000 EUR sA und Feststellung (AZ 18 Cg 234/08v) und 2) 115.360,68 EUR sA (AZ 18 Cg 41/09p), über die Revision der klagenden und widerbeklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 28. Dezember 2011, GZ 5 R 96/11v-42, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 25. April 2011, GZ 18 Cg 234/08v (41/09p)-37, in der Hauptsache bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden und widerbeklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten und widerklagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 3.228,37 EUR (darin enthalten 538,06 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Jahr 2005 traf der Erstkläger und -widerbeklagte (in der Folge nur: Erstkläger) auf Mag. P*****, einen Angestellten der in Österreich ansässigen I***** AG (I*****), der erklärte, über ein sicheres und erfolgreiches Anlagekonzept zur Altersvorsorge zu verfügen. Das System sollte so funktionieren, dass das klagende und widerbeklagte Ehepaar (Kläger) der S***** AG ihre Liegenschaft verpfänden. Die Bank sollte eine Bankgarantie über einen bestimmten Betrag ausstellen, welcher einer anderen, die Veranlagung durchführenden Bank als Sicherheit für einen Kredit dienen sollte, mit dem Wertpapiergeschäfte finanziert werden sollten. Der Erstkläger verstand diese Erklärungen im Detail nicht.

Am 19. 9. 2005 schlossen die Kläger und die I***** eine Vereinbarung, die als Wertpapierstrategie der I***** Options-Termingeschäfte mit Eingehen von Aktienkauf bzw Aktienkaufsvereinbarungen umschrieb. Am 7. 12. 2006 schlossen die Kläger und die I***** eine weitere Vereinbarung über ein Investmentgeschäft. Vertragsgegenstand war Beratung über Wertpapierstrategien und deren Vermittlung. Die Kläger hatten sich für das von ihrem Berater vorgeschlagene „Rendite-Immobilien-Modell“ entschieden, zu dessen Verwirklichung die Beklagte und Widerklägerin (in der Folge nur: Beklagte), eine in Deutschland ansässige Bank, ein Konto/Depot für die Kläger eröffnete, ihnen einen Kredit zur Vornahme der Investments einräumte und die Order der Kläger durchführte. Das Depot wurde (nach Abschluss der Vereinbarung der Kläger mit der I*****) im Dezember 2006 eröffnet. Der Kontakt erfolgte ausschließlich im Korrespondenzweg, persönliche Kontakte zwischen den Klägern und der Beklagten gab es nicht. Die den Klägern übermittelten Unterlagen der Beklagten enthielten Formulare mit allgemeinen Erläuterungen und Aufklärungen über die Rahmenbedingungen für Geschäfte in Finanzinstrumenten sowie die Verlustrisiken von (insbesondere kreditfinanzierten) Finanztermingeschäften. Im Korrespondenzweg übermittelte die Beklagte den Klägern auch die Rahmenvereinbarung und den Kreditvertrag. Den Unterlagen waren jeweils die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Beklagten angeschlossen. Diese enthielten eine Klausel, in der die Geltung des Rechts der Bundesrepublik Deutschland vereinbart wurde.

Über Antrag der Kläger stellte die S***** AG Bankgarantien über 130.000 EUR (4. 1. 2007) und über 120.000 EUR (13. 2. 2007) aus. Die im gemeinsamen Eigentum der Kläger stehende Liegenschaft wurde mit einer Hypothek belastet, was die Kläger auch „zur Kenntnis nahmen“. Sie machten sich aber keine Sorgen, weil sie ihrem Berater und seiner Zusicherung, dass es sich um eine sichere Angelegenheit handle, vertrauten.

Die I***** verfügte nicht über die nötige Konzession, um das Vermögen der Kläger zu verwalten und ihre Wertpapieraufträge zu bearbeiten und durchzuführen. Sie schloss mit der Beklagten einen Kooperationsvertrag, dessen Zweck die Vermittlung von Kunden des Kooperationspartners I***** an die Beklagte waren, bei der die Kunden ein Konto eröffnen sollten. Der Vertrag wurde von der Beklagten am 19. 3. 2007 und von der I***** am 23. 3. 2007 unterschrieben. Der Berater der Kläger traf sämtliche Entscheidungen über die Aufträge. Die Kläger vertrauten ihm in dieser Hinsicht blind und unterfertigten die jeweiligen Aufträge, ohne sie zu besprechen. Die I***** leitete jeweils die Order der Kläger an die Beklagte weiter. Die Vermögensverwaltung, also sämtliche Entscheidungen über die Veranlagung, oblag im vollen Umfang dem Berater. Die Kläger bevollmächtigten die I*****, bei der Order von Wertpapieren ein Limit zu setzen. Bereits bei einer Luxemburger Bank als Vorgängerkooperationsbank hatte eine derartige Vorgangsweise bestanden, die auch nach dem Bankenwechsel beibehalten wurde.

Die errechnete Einschussverpflichtung („margin“) und die Auslastung der Kreditlinie ihrer Kunden wurden der I***** als Übersichtsliste börsetäglich zur Verfügung gestellt. Den Klägern war es jederzeit möglich, ihre Kontostände per Internet abzufragen. Die Beklagte richtete am 27. 6. 2008 und am 3. 7. 2008 Margin-Calls an die Kläger und die I*****. Der Erstkläger leistete daraufhin 35.000 EUR. Da nach weiteren Margin-Calls vom 7. 7. und 8. 7. 2008 keine Zahlungen einlangten und die Überschreitung des Kredits nicht ausgeglichen werden konnte, stellte die Beklagte das Konto „glatt“. Der Berater erklärte dem Erstkläger, dass er nicht mehr für ihn tätig werde und der Kunde sich nunmehr selbst um alles kümmern müsse. Da die Kläger in der Folge den noch offenen Saldo bezüglich der angelaufenen Tageszinsen innerhalb der gesetzten Frist nicht zahlten, kündigte die Beklagte am 30. 7. 2008 den Konto- und Kreditvertrag und zog die Bankgarantien. Sie löste das Kooperationsverhältnis zur I***** zum 15. 7. 2008 auf. Über deren Vermögen wurde im Oktober 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Konto der Kläger war nach „Glattstellung“ und dem Ziehen der Bankgarantien zum 5. 2. 2009 mit 115.360,68 EUR belastet.

Die Kläger begehren in dem zu 18 Cg 234/08v des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz geführten Verfahren Schadenersatz von 305.000 EUR sA sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche künftige, noch nicht feststellbare Schäden. Sie stützen ihren Anspruch auf eine Verletzung von Aufklärungs-, Warn- und Informationspflichten. Die I***** sei Außenstelle der Beklagten und deren Erfüllungsgehilfin gewesen, weshalb sich die Beklagte das Fehlverhalten ihres Kooperationspartners zurechnen lassen müsse. Diese habe das Investmentgeschäft damit beworben, dass „maximales Verlustrisiko kein Ertrag“ sei und die benötigten Bankgarantien nie gezogen würden. Da die I***** aufgrund ihrer Konzession lediglich zur Vermögensberatung und Vermittlung von Wertpapiergeschäften berechtigt gewesen sei, sei die Beklagte zur technischen Abwicklung des Geschäftsmodells eingeschaltet worden. Sie hätten am 26. 2. 2007 bei der Beklagten einen Kreditvertrag mit einem Limit von zunächst 130.000 EUR, sowie in weiterer Folge von 250.000 EUR geschlossen, und zwar ohne jegliche Aufklärung oder Warnung durch die Kreditgeberin. Verwendungszweck des Kredits sei der Kauf von Wertpapieren und die Abdeckung des „Margin-Erfordernisses“ gewesen. Sämtliche Geschäfte habe der Berater über die I***** abgewickelt. Persönliche Ansprechpartner für die Kläger habe es bei der Beklagten nicht gegeben. Die einzelnen Veranlagungsaufträge seien den Klägern weder erklärt, noch mit ihnen abgestimmt und akkordiert worden. Die Beklagte habe sie weder persönlich aufgeklärt, noch einen Angemessenheits- und Eignungstest durchgeführt, was selbst bei einem beratungsfreien Geschäft zu fordern sei, insbesondere wenn das dahinter stehende Geschäftsmodell mehr als fragwürdig sei. Zwischen 22. 1. 2008 und 26. 3. 2008 hätten sie (die Kläger) zahlreiche Margin-Calls erreicht. Sie seien jedoch von der I***** verständigt worden, dass eine Abdeckung nicht nötig sei. Erstmals mit dem Margin-Call vom 3. 7. 2008 habe die Beklagte von ihnen direkt eine Abdeckung von 32.043,92 EUR verlangt. Sie seien dieser Aufforderung auch nachgekommen. Mit Schreiben vom 5. 8. 2008 sei eine erneute Zahlung von 105.512,25 EUR zuzüglich Tageszinsen gefordert worden. Wäre im Zeitraum vom 28. 3. bis 7. 7. 2008 ein rechtzeitiger Margin-Call gesetzt worden, hätten die Kläger noch disponieren können. Die in den AGB der Beklagten enthaltene Wahl des deutschen Rechts sei ihnen als Verbrauchern gegenüber unwirksam. Die Klausel über die Rechtswahl sei sittenwidrig und mit ihnen weder erörtert noch von ihnen gelesen worden.

Die Beklagte berief sich im Wesentlichen auf die Durchführung eines beratungsfreien Geschäfts („execution only“) mit erfahrenen und über das Risiko der Investments ausreichend aufgeklärten Anlegern. Sie sei weder Vermögensverwalterin, noch zur Anlageberatung verpflichtet gewesen, was die Kläger gewusst und auf den ihnen zur Verfügung gestellten Dokumenten schriftlich bestätigt hätten. Im Kooperationsvertrag zwischen ihr und der I***** sei geregelt worden, dass die I***** ihre Kunden über sämtliche Risiken im Zusammenhang mit der Vermögensberatung aufklären würde. Nach den von den Klägern unterfertigten Unterlagen habe eine solche Aufklärung stattgefunden. Die Beklagte habe außerdem den Klägern im Rahmen der Grunderöffnung die Rahmenbedingungen für Geschäfte in Finanzinstrumenten sowie die Verlustrisiken von Finanztermingeschäften erläutert und sie darüber aufgeklärt, weshalb sie ihrer auf eine allgemeine Risikoerklärung beschränkten Aufklärungspflicht zur Gänze entsprochen hätte. Die I***** sei nicht ihre Erfüllungsgehilfin gewesen. Die Kläger hätten gewusst, dass sie ihr gesamtes eingesetztes...

Um weiterzulesen

FORDERN SIE IHR PROBEABO AN

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT