Entscheidungs 1Ob73/16s. OGH, 10-02-2017

ECLIECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00073.16S.0210.000
Judgement Number1Ob73/16s
Record NumberJJT_20170210_OGH0002_0010OB00073_16S0000_000
Date10 Febrero 2017
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1. A***** G*****, 2. L***** G*****, beide *****, vertreten durch die Christandl Rechtsanwalt GmbH, Graz, 3. R***** W*****, 4. B***** W*****, beide *****, vertreten durch Dr. Gerd Mössler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, 5. Ing. P***** M*****, 6. R***** K*****, beide vertreten durch Dr. Erich Holzinger, Rechtsanwalt in Liezen, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Parteien R***** reg. GenmbH, *****, vertreten durch die Brandl & Talos, Rechtsanwälte GmbH, Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17–19, 1011 Wien, sowie der Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. E***** & ***** GmbH, 2. Prof. MMag. Dr. D***** W*****, 3. Mag. E***** W*****, alle *****, vertreten durch die Ruggenthaler, Rest & Borsky Rechtsanwälte OG, Wien, 4. B***** GmbH, 5. Dkfm. Dr. H***** B*****, beide *****, diese vertreten durch Dr. Heinz Stöger, Rechtsanwalt in Wien, 6. E***** GmbH, 7. Mag. J***** E*****, beide *****, 8. Mag. D***** S*****, 9. Dkfm. M***** P*****, alle vertreten durch Dr. Gustav Etzl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 38.743,59 EUR sA (erst- und zweitklagende Parteien), 828.373,55 EUR sA (dritt- und viertklagende Parteien), 262.832,83 EUR sA, in eventu Zug um Zug gegen Übergabe von Genussscheinen (fünftklagende Partei) und 44.372,76 EUR sA, in eventu Zug um Zug gegen Übergabe von Genussscheinen (sechstklagende Partei), jeweils in eventu auch wegen Feststellung, über die Revisionen der klagenden Parteien und der auf deren Seite beigetretenen Nebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. Dezember 2015, GZ 14 R 112/15s-50, mit dem über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 29. April 2015, GZ 30 Cg 25/10g-28 (AZ 30 Cg 27/10a, AZ 30 Cg 23/11i), abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Dr. A*****-W***** (in der Folge Dr. A-W) wurde mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 31. 1. 2011 wegen der Verbrechen des gewerbsmäßigen und schweren Betrugs nach den §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB, der Untreue nach den §§ 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB und wegen betrügerischer Krida nach § 156 Abs 1 und 2 iVm § 161 Abs 1 StGB sowie wegen der Vergehen nach § 255 Abs 1 Z 1 und Z 4 Aktiengesetz, nach § 15 Abs 1 Z 1 KMG und der Fälschung von Beweismitteln nach § 293 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren und mit einem weiteren Urteil wegen der Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach den §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 Finanzstrafgesetz zu einer Geldstrafe verurteilt. Er stand hinter der A*****-Unternehmensgruppe, deren wichtigste Teile die A***** I***** AG(A-I AG) und die A***** G***** AG (bis 16. 2. 2007 A***** Management-Beteiligungs AG; idF nur A-G AG) waren.

I. Allgemein

1. Firmenstruktur und Geschäftsfeld

Die A-I AG ging 1993 durch Umwandlung aus der 1990 gegründeten A-I GmbH hervor. Die Aktien wurden ab 1995 an der Wiener Börse eingeführt. Nach Gründung der A-G AG hielt diese rund 75 % der Aktien der A-I AG, die restlichen 25 % standen im Streubesitz. Tatsächlich waren 95,71 % der Aktien der A-I AG direkt oder indirekt Dr. A-W zuzurechnen bzw wurden von ihm kontrolliert.

Die A-I AG war von 1991 bis 2001 sowohl Emittentin als auch Vertriebsgesellschaft der A***** (in der Folge A-W) Genussscheine und fungierte seit einer Umstrukturierung 2001, im Zuge deren die A-G AG gegründet wurde, nur noch als Vertriebsgesellschaft der Genussscheine der A-G AG. Die A-I AG finanzierte sich im Wesentlichen über erhöhte und nicht fremdübliche Provisionserträge aus der A-G AG und die Agio-Beträge der Genussscheinkunden. Das operative Geschäft mit Erträgen aus Wertpapieren für 2001 bis 2008 endete negativ.

2. Der A-W „Genussschein“

2.1 Allgemein

Die A-I GmbH begab bereits 1991 Kapitalanteilsscheine (Genussscheine analog § 174 Abs 3 Aktiengesetz). 1998 emittierte die A-I AG wiederum Genussscheine und legte die Emissionen aus 1991 und 1998 im Jahr 1999 zusammen. Seit 2001 emittiert nicht mehr die A-I AG, sondern die A-W Management-Beteiligungs AG (später A-G AG) diese Genussscheine.

2.2 A-W Werturkunden

Die Kapitalanteilsscheine der Emission 1991 wurden zunächst in sogenannten „A-W Werturkunden“ verbrieft, ab 1. 1. 1995 unter der Bezeichnung „A-W Index“. Die Emission des Jahres 1991 wurde zur Gänze von Dr. A-W persönlich übernommen und von ihm als Privatperson weiterveräußert. Für die Vermittlung war seit 1991 die A-I AG, die zugleich als Emittentin fungierte, zuständig.

Für den Fall des Rückkaufs der Werturkunden wurde den Kunden ein im Vorhinein vereinbarter fixer jährlicher Zinssatz auf ihr zur Verfügung gestelltes Kapital gutgeschrieben. Die Höhe der Verzinsung stand mit der Entwicklung des Kurses der A-I Aktie in keiner Verbindung. Auch zwischen dem Kurswert des Kapitalanteilsscheins und dem Kurswert der A-I Aktie bestand keine Relation.

2.3 A-W Index

1995 änderte sich die Vermarktung der emittierten Kapitalanteilsscheine. Ab diesem Zeitpunkt wurden die Werturkunden zunächst zusätzlich und später ausschließlich unter dem Namen „A-W Index“ vertrieben. Die Genussscheinbedingungen blieben gleich. Als Erstausgabepreis wurden 7.000 S genannt. Dieser lag deutlich über dem Kurswert eines Kapitalanteilsscheins der A-W Werturkunden von zuletzt 34,31 EUR pro Stück und war der Höhe nach nicht nachvollziehbar. In Werbeprospekten wurde der A-W Index wie folgt beworben: „Mit der Beteiligung am A-W Index hat jeder Investor die Möglichkeit, sich mit Wertpapieren bei kleiner Einlage an den Gewinnchancen bei Futures, Optionen und Aktien zu beteiligen; A-W Index – der innovative Fonds“. Weiters hieß es auf der Homepage, dass der A-W Index jene Kennzahl sei, die den Genussscheinkurs darlege. Tatsächlich spiegelte diese Kennzahl zu keinem Zeitpunkt nachvollziehbar die Wertentwicklung der zugrundeliegenden Depotwerte wieder, sondern wurde von Dr. A-W nach subjektiven Kriterien festgesetzt.

II. Das Geschäftsmodell der A-W Gesellschaften

1. Allgemein

Der im Konzessionsverfahren vorgelegte Geschäftsplan umfasste zwei Geschäftsfelder:

Beteiligungsgeschäft (ausschließlich Eigen-investitionen der A-I AG und kein Wertpapierhandel für Kunden) sowie Vermögensberatung, Vermittlung und Vermögensverwaltung im Sinne des § 1 Abs 1 19 lit a bis c BWG. Dies beziehe sich auf „weltweite“ Produkte.

Tatsächlich befasste sich die A-I AG – abgesehen von den dem Beteiligungsgeschäft zuzurechnenden Tätigkeiten – ausschließlich mit der Vermittlung der eigenen Genussscheine (ab 2001 jener der A-G AG) an Fremdanleger, und zwar bis zum Zusammenbruch im Oktober 2008.

2. Der Genussscheinverkauf bis Juni 2001

Die Genussscheinemissionen der Jahre 1991 und 1998 wurden zur Gänze von Dr. A-W persönlich übernommen, der sie als Privatperson – zuerst verbrieft in A-W Werturkunden, später als „A-W Index“ – an Fremdanleger weiterveräußerte. Insgesamt hatte er im Zuge der Emissionen 1991 und 1998 60.000 Genussscheine für gesamt 10 Millionen S von der A-I AG erworben. Der A-I AG flossen aus diesen Emissionen 10 Millionen S zu.

In der Hauptversammlung vom 18. 6. 1999 fasste der Vorstand den Beschluss, die bisherigen Kapitalanteilsscheine der Emission 1991 und die Genussscheine der Emission 1998 zu neuen A-W Genussscheinen zusammenzulegen, dies unter der Bezeichnung „A-W-Genussscheine/Serie 1999“. Die der Erstemission 1991 entstammenden 20.000 Stück Kapitalanteilsscheine zum Nennbetrag von je 100 S, sollten in 140.000 Stück (Split von 1:7), die 40.000 A-W-Genussscheine der Emission 1998 in 280.000 Stück (Split von 1:7) nennwertlose A-W-Genussscheine mit einem rechnerischen Wert von je 1 EUR umgewandelt werden. Die neu geschaffenen Genussscheine wurden nicht den Inhabern der Emissionen 1991 und 1998 zugeteilt, sondern zur Gänze an Dr. A-W, der dadurch in die Lage versetzt wurde, weitere Genussscheine zugunsten seines Privatvermögens an Fremdanleger zum selbst berechneten Genussscheinkurs weiterzuverkaufen. Er hatte für die Zuteilung der 360.000 neu geschaffenen Genussscheine der Serie 1999 keine weiteren Zahlungen in das Vermögen der A-I AG zu leisten und besaß danach statt 246 Stück 360.246 Stück (360.000 Stück aus dem Split sowie 246 Stück aus den Emissionen 1991 und 1998, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht an Dritte weiterveräußert waren). Bis zum 25. 10. 2000 flossen die Erlöse aus den Verkäufen der Genussscheine auf ein Privatkonto des Dr. A-W (dazu gleich unten), von dem damals auch die Rückkäufe abgewickelt wurden, sodass die Ver- und Rückkäufe der A-W Genussscheine bis dahin keinen Eingang in das Rechnungswesen der A-I AG fanden.

3. Die wesentlichen Zahlungsflüsse und das Vorgehen beim Kauf eines A-W-Genussscheins bis 25. 10. 2000

Ein am Erwerb eines Genussscheines interessierter Anleger zahlte zunächst den von ihm als Investition beabsichtigten Betrag auf das Konto Nr ***** bei der Nebenintervenientin auf Seiten der Kläger, lautend auf „Dr. A***W***“ ein. Dass dieses Konto tatsächlich Dr. A-W persönlich zuzurechnen war, war dem Kaufauftrag nicht zu entnehmen. Im Kaufauftrag wurde dieses als ATS-Konto mit dem Namen „A***W*** – A***** Index“ bezeichnet.

Das auf dem vorgenannten Konto erliegende Guthaben wurde auf verschiedene Konten bei der Nebenintervenienten überwiesen, und zwar als Erfolgshonorar bzw Agioübertrag auf ein Konto der A-I AG, auf ein Konto des Vorstands der A-I AG und auf ein weiteres Konto des Dr. A-W. Das Guthaben des letztgenannten Kontos wurde zur Anschaffung sowohl in- als auch ausländischer...

Um weiterzulesen

FORDERN SIE IHR PROBEABO AN

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT