Entscheidungs 1Ob78/19f. OGH, 29-08-2019

ECLIECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00078.19F.0829.000
Record NumberJJT_20190829_OGH0002_0010OB00078_19F0000_000
Date29 Agosto 2019
Judgement Number1Ob78/19f
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. DI W***** S*****, und 2. C***** S*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Leitner und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei R***** AG, *****, vertreten durch die Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH, Wien, und die Nebenintervenientin auf Seite der beklagten Partei C***** GmbH in Liquidation, *****, vertreten durch die Wess Kux Kispert & Eckert Rechtsanwalts GmbH, Wien, wegen 38.652,92 EUR sA und Feststellung, über die Rekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2019, GZ 1 R 155/18y-39, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 30. August 2018, GZ 51 Cg 45/15x-35, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Den Rekursen wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Kläger erwarben über Vermittlung der Beklagten mit Beitrittserklärung vom 12. 3. 2004 mittelbare Kommanditbeteiligungen an einem (in den Niederlanden investierten) Immobilienfonds in Höhe von je 20.000 EUR. Die Beteiligungen wurden (mittelbar) über eine Treuhandgesellschaft gehalten. Dazu leisteten die Kläger je 20.000 EUR Kommanditeinlage und je 1.000 EUR an 5%igem Agio als Vermittlungsprovision der Beklagten. Die Beklagte erhielt neben diesem Agio für die Vermittlung vom Immobilienfonds eine weitere Provision von 3,125 %, die aus den jeweiligen Beteiligungsbeträgen der Kläger geleistet wurde.

Beide Kläger wollten sicher und jedenfalls auch kapitalerhaltend veranlagen; auch eine gute Rendite war ihnen wichtig. Ihnen wurden Verkaufsprospekte und Unterlagen mit näher festgestelltem Inhalt übergeben bzw von ihnen unterzeichnet. Die Kläger hätten ihre Beteiligung nicht gezeichnet, wenn sie gewusst hätten, dass die Beklagte neben dem Agio aus dem Beteiligungsnominale eine weitere Provision von 3,125 % erhält. In diesem Fall hätten sie das Geld kapitalerhaltend angelegt, nämlich auf einem Sparbuch mit einer jährlichen Verzinsung von 1,03 %. Von der zusätzlichen Provision erfuhren die Kläger erst im Jahr 2015.

Die Kläger begehrten mit ihrer am 3. 8. 2015 eingebrachten Klage zuletzt je 19.326,46 EUR samt Verzugszinsen sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle ihnen aus der am 12. 3. 2004 eingegangenen Beteiligung am Immobilienfonds entstehenden Schäden. Im Gegenzug erklärten sie sich bereit, alle für die Übertragung der Rechte aus der Beteiligung auf die Beklagte notwendigen Erklärungen abzugeben. Sie stützten ihre Schadenersatzansprüche auf mangelhafte Aufklärung in den Beratungsgesprächen durch ihren Kundenbetreuer. Sie hätten sich aufgrund dessen ausdrücklicher Empfehlung im Hinblick auf die prognostizierten Ausschüttungen von 7,5 % und die vermeintliche Sicherheit durch die dahinter stehenden Sachwerte zu dieser Veranlagung entschlossen. Eine Aufklärung über die mit dieser Veranlagung verbundenen besonderen Risiken, nämlich das Totalverlustrisiko sowie den Umstand, dass die Ausschüttungen, die sie für Erträge gehalten hätten, in Wahrheit Entnahmen aus ihrem Kommanditanteil darstellten, die ihre Kommanditistenhaftung wieder aufleben ließen, sei nicht erfolgt. Sie hätten auch nicht gewusst, dass durch die „Holland-Steuer“ das Verlustrisiko sogar über einen Totalverlust hinausgehen könne. Die Kick-Back-Zahlungen von 3,125 % seien ihnen ebenso verschwiegen worden wie die Vertriebsspesen von mehr als 20 %. Die Veranlagungen seien jetzt wertlos. Einen Steuervorteil hätten sie daraus nicht lukriert. Wären sie über all diese Umstände ordnungsgemäß aufgeklärt worden, hätten sie von der Veranlagung Abstand genommen und alternativ eine kapitalerhaltende Anlageform gewählt, mit der sie zwischen 1,03 und 4,3 % Zinsen per anno erwirtschaftet hätten. Abzüglich der Ausschüttungen von je 6.678,28 EUR zuzüglich im November 2011 gezahlter Steuern von 193,65 EUR sowie der im August 2017 über Aufforderung des Insolvenzverwalters der Fondsgesellschaft geleisteten Rückzahlungen von je 4.811,09 EUR errechne sich ein Schaden von bisher je 19.326,46 EUR.

Die Beklagte wandte zusammengefasst ein, die Kläger wären spekulative Anleger, die über jahrzehntelange Anlageerfahrung verfügten und einen Totalverlust in Kauf genommen hätten. Bei der Veranlagung handle es sich nur um einen kleinen Teil ihres hohen Vermögens. Vor allem der Erstkläger habe als Prokurist namhafter Baugesellschaften und erfahrener Anleger gar keiner Beratung bedurft und es sei davon auszugehen gewesen, dass er die Interessen seiner Gattin ausreichend wahren würde. Im Übrigen seien die Kläger ohnedies richtig informiert worden. Sie treffe ein Mitverschulden durch ungelesenes Unterfertigen der Unterlagen. Allfällige Schadenersatzansprüche seien verjährt. Vor dem Inkrafttreten des WAG 2007 habe keine Aufklärungspflicht bezüglich der Innenprovision bestanden; sie hätte den Klägern den Immobilienfonds auch dann vermittelt, wenn sie für die Vermittlung zusätzlich zum Agio keine Innenprovision erhalten hätte. Sie habe den Vertrieb geschlossener Fonds ausschließlich wegen starker Kundennachfrage in ihr Portfolio aufgenommen. Ihre Kundenbetreuer und auch der die Kläger beratende...

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