Entscheidungs 1Ob85/19k. OGH, 29-08-2019

ECLIECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00085.19K.0829.000
Date29 Agosto 2019
Judgement Number1Ob85/19k
Record NumberJJT_20190829_OGH0002_0010OB00085_19K0000_000
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch die Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH, Graz, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 724.254,20 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. Februar 2019, GZ 14 R 80/18i-19, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 28. März 2017, GZ 32 Cg 7/17k-15, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die klagende GmbH stellt Betonbaustoffe her und benötigt dafür Schotter. In Erwartung der Erschöpfung des Schottervorkommens ihrer Schottergrube stellte sie am 29. 11. 2002 beim Landeshauptmann der Steiermark den Antrag auf wasserrechtliche Genehmigung der Nassbaggerung in einer anderen Schottergrube. Ihr wurde diese Bewilligung letztlich erteilt. Das Verfahren endete aber erst mit dem (unbekämpft gebliebenen) Berufungsbescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (im Weiteren: Berufungsbehörde) vom 20. 10. 2010.

Zuvor war der von der Behörde erster Instanz (im ersten Rechtsgang) erteilte Bewilligungsbescheid von der Berufungsbehörde aufgehoben worden und die (im zweiten Rechtsgang) erneut erteilte Bewilligung über die Berufungen einer Stadtgemeinde und einer Mineralwasser herstellenden Gesellschaft (mit der Begründung, dass notwendige Unterlagen nicht nachgereicht worden seien) in eine Zurückweisung des Antrags abgeändert worden. Dieser Zurückweisungsbescheid war aber seinerseits vom Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben worden, bevor letztendlich die Berufungen mit dem zuvor genannten Bescheid abgewiesen wurden.

Die Klägerin, die bereits (während des Berufungsverfahrens) zweimal Säumnisbeschwerde erhoben hatte, rief im April 2011 den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) an. Dieser sprach in seiner Entscheidung vom 14. 2. 2017 (zu AZ 24143/11) aus, dass mit der Dauer des Verwaltungsverfahrens von sieben Jahren und drei Monaten [gerechnet von der Einbringung der Berufung am 31. 7. 2003 bis zur Zustellung des Berufungsbescheids am 27. 10. 2010] Art 6 Abs 1 EMRK verletzt worden sei. Er verurteilte den Bund zum Ersatz von 3.000 EUR an immateriellem Schaden und von 2.000 EUR an Kosten des Beschwerdeverfahrens, verneinte aber sowohl einen Ersatz für den geltend gemachten sonstigen (materiellen) Schaden als auch den Zuspruch weiterer Kosten; Ersteres deswegen, weil die Klägerin den kausalen Zusammenhang zwischen der festgestellten Verletzung und dem Vermögensschaden nicht nachgewiesen habe (Rn 61: „… the applicant company failed to prove that there had been a causal link between the violation found and the pecuniary damage alleged.“); Zweiteres mit der Begründung, die vor inländischen Behörden und Gerichten („domestic proceedings“) aufgelaufenen Kosten seien – als jedenfalls erwachsen – nicht im Zusammenhang mit einer Verletzung des Art 6 Abs 1 der Konvention gestanden (Rn 65: „… as these costs would have arisen in any event and therefore were not related to the violation of Art 6 § 1 of the Convention.“).

Die Klägerin begehrt mit ihrer am 8. 3. 2017 eingebrachten Amtshaftungsklage Ersatz für den ihr durch die überlange Verfahrensdauer entstandenen (Verzögerungs-)Schaden. Dieser sei von der Berufungsbehörde und dem von dieser beigezogenen Amtssachverständigen rechtswidrig und schuldhaft herbeigeführt worden. Vom Klagebetrag von 724.254,20 EUR sA habe sie von dem ihr entstandenen (Gesamt-)Schaden in Höhe von 729.254,20 EUR (der sich aus den Mehrkosten durch Schotterzukauf für den Zeitraum April 2006 bis 31. 12. 2010, frustrierten Aufwendungen für nicht nutzbare Maschinen und Geräte, Kosten der Verschmelzung der zahlungsunfähig gewordenen Gesellschaft zur Schottergewinnung und Rettungsaufwand für Privatgutachten und Probebohrungen sowie Vertretungskosten zusammensetzt) den vom EGMR zugesprochenen Betrag von 5.000 EUR bereits in Abzug gebracht.

Die von ihr erhobenen Vorwürfe sind: Schlichte Untätigkeit in bestimmten Zeiträumen, wesentliche Verfahrens- und auch Entscheidungsfehler der Behörde und Anmaßung einer in Wahrheit nicht gegebenen Fachkompetenz durch den Amtssachverständigen. Die Berufungsbehörde habe nach Einbringung der (ersten) Berufung erst einmal dreizehn Monate gar nichts getan und die Klägerin erst am 8. 9. 2004 um Ergänzung der Projektunterlagen ersucht. Der wesentliche (und die überlange Verfahrensdauer hauptsächlich verursachende) Verfahrensfehler sei in der Beiziehung eines Sachverständigen, dem es an Fachkompetenz gefehlt habe, gelegen. Wie sich im Jahr 2010 gezeigt habe, wäre der Berufungsbehörde bei Beiziehung eines fachlich kompetenten hydrogeologischen Sachverständigen binnen eines Monats ein schlüssiges und vollständiges Gutachten vorgelegen, das sie in die Lage versetzt hätte, binnen eines weiteren Monats einen positiven Bescheid zu erlassen). Obwohl alle im Zuge des Verfahrens zu beurteilenden Fragen den Fachbereich Hydrogeologie betroffen hätten und sie in ihren Eingaben bestritten habe, dass der ihr nicht bekannte und „von der Berufungsbehörde verschwiegene“ Gutachter überhaupt einer Fachrichtung angehört, die ihn zu einem fachlich korrekten Urteil befähigt, habe die Berufungsbehörde nur einen nicht ausreichend fachkundigen Sachverständigen (aus dem Fachgebiet Wasserbautechnik), aber keinen (anderen) zur Beantwortung der sich stellenden Fachfragen kompetenten Sachverständigen beigezogen und den wasserbautechnischen Sachverständigen „sinnlos weiterbeschäftigt“. Dieser habe mangels Fachkenntnis die unrichtige Auffassung vertreten, dem eingereichten Projekt fehlten verschiedene – tatsächlich aber für die Beurteilung nicht notwendige – Unterlagen. Der Entscheidungsfehler der Berufungsbehörde liege in der rechtswidrigen Zurückweisung ihres Antrags mit (dem später als rechtswidrig aufgehobenen) Bescheid vom 17. 4. 2007, wiewohl der von dieser zuvor erteilte Verbesserungsauftrag, dem sie angeblich nicht entsprochen habe, nicht ausreichend konkretisiert gewesen und die Behörde auf ihre Stellungnahmen vom 29. 12. 2006 und 13. 3. 2007 überhaupt nicht eingegangen sei.

Dem beigezogenen Amtssachverständigen wirft sie vor, er habe sich eine Kompetenz angemaßt, habe er doch nicht über ausreichende Fachkenntnis verfügt, um den vorliegenden Fall als Sachverständiger beurteilen zu können. Erst nach achtjähriger Verfahrensdauer habe die Berufungsbehörde einen hydrogeologischen Amtssachverständigen beigezogen, der dann umgehend zu dem Schluss gekommen sei, dass durch die (in Aussicht genommenen) Nassbaggerungen weder eine Beeinträchtigung des Kohlensäureaustauschs noch der tieferen Grundwasserhorizonte zu erwarten sei, woraufhin die Berufungen umgehend abgewiesen worden seien.

Sie selbst habe ihrer Mitwirkungspflicht im Verfahren immer schnell und vollständig entsprochen und auch versucht, das Verfahren durch zwei Säumnisbeschwerden zu beschleunigen.

Der beklagte Bund verteidigte sich damit, dass der von der Berufungsbehörde beigezogene Sachverständige aufgrund seiner Berufserfahrung tatsächlich kompetent und in der Lage gewesen sei, die anstehenden Fragen zu beantworten. Es habe aber das Verfahren ein wasserwirtschaftlich hochsensibles Gebiet betroffen und sei äußerst komplex gewesen. Die Verfahrensdauer erkläre sich durch die mangelhafte und unvollständige Vorlage der eingereichten Projektunterlagen. Die Klägerin habe von Anfang an die notwendigen Erkundungsbohrungen nicht durchgeführt. Erst nachdem sie im Jahr 2010 diese doch habe durchführen lassen, sei der Berufungsbehörde auf Basis der dadurch gewonnenen Ergebnisse die Beurteilung, dass eine Gefährdung der Mineralwasserquellen ausgeschlossen werden könne, möglich gewesen. Der Aufhebungsbescheid vom 19. 4. 2005 könne die Klägerin schon deshalb nicht in ihren Rechten verletzt haben, weil sie diese Verfahrensentscheidung ausdrücklich selbst beantragt habe. Die Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgerichtshof könne der Berufungsbehörde nicht angelastet werden. Aufgrund der vom Verwaltungsgerichtshof eingeräumten Fristerstreckungen könne von einer rechtswidrigen Verzögerung keine Rede sein und liege jedenfalls kein schuldhaftes Organverhalten vor, weil die Berufungsbehörde in beiden Säumnisbeschwerdeverfahren in der Sache gelegene Gründe nachweisen habe können, die eine fristgerechte Erlassung des Bescheids unmöglich gemacht hätten. Andernfalls hätte der Verwaltungsgerichtshof die Fristerstreckungen nicht gewährt.

In weiteren Ausführungen, die im derzeitigen Verfahrensstadium noch nicht relevant sind, trat er dem geltend gemachten Schadenersatzanspruch auch mit der Bestreitung des Verhaltens seiner Organe als kausal für die behaupteten (und erst zu beweisenden) Schäden entgegen und relevierte die Verletzung von Schadensminderungspflichten.

Zuletzt wandte er ein, allfällige Schadenersatzansprüche seien längst verjährt, weil von der Klägerin selbst ein Zeitraum von ein bis zwei Jahren für die Erteilung der Bewilligung angesetzt werde und ihr daher angesichts des Fremdeinkaufs am 1. 4. 2006 vorgeworfen werden müsse, dass sie zu diesem Zeitpunkt gewusst habe, dass der Primärschaden bereits eingetreten sei. Sie habe zudem am 25. 9. 2006 Säumnisbeschwerde eingebracht und sei damit in Kenntnis der ihrer Ansicht nach rechtswidrigen Verzögerung gewesen. Auch die Schadensursache der Beiziehung eines nicht ausreichend fachkundigen...

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