Entscheidungs 2Ob103/09z. OGH, 16-07-2009

ECLIECLI:AT:OGH0002:2009:0020OB00103.09Z.0716.000
Judgement Number2Ob103/09z
Record NumberJJT_20090716_OGH0002_0020OB00103_09Z0000_000
Date16 Julio 2009
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Nikolaos M*****, vertreten durch Mag. Lothar Korn, Rechtsanwalt in Linz, gegen die Antragsgegnerin Sandra M*****, vertreten durch Sattlegger, Dorninger, Steiner & Partner Anwaltssocietät in Linz, wegen Rückführung des mj Evangelos M*****, nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 24. März 2009, GZ 15 R 119/09i-S-42, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 6. Februar 2009, GZ 6 P 136/08h-S-36, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung lautet:

„Die sofortige Rückgabe des minderjährigen Kindes Evangelos M*****, geboren am 22. Juni 2006, in das Staatsgebiet von Griechenland wird angeordnet.

Das Mehrbegehren, das Kind an seinen üblichen Aufenthaltsort in K*****, Santorin zurückzubringen, wird abgewiesen.

Ein Kostenersatz findet nicht statt."

Ein Kostenersatz über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens findet nicht statt.

Text

Begründung:

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind Eltern des am 22. 6. 2006 geborenen Evangelos (im Folgenden auch „Minderjähriger" oder „Kind"). Die Streitteile heirateten am 19. 8. 2005 kirchlich in Thira, was am 22. 8. 2005 vom dortigen Standesamt beurkundet wurde und als zivile Eheschließung gilt. Der Antragsteller ist griechischer Staatsbürger, die Antragsgegnerin ist österreichische Staatsbürgerin. Evangelos ist Doppelstaatsbürger Griechenlands und Österreichs. Die Antragsgegnerin lebte mit ihrem Sohn aus erster Ehe namens Simon, geboren 1997, und mit Evangelos bis Weihnachten 2007 in der Ehewohnung in K*****, Santorin, Griechenland. Nach einem Aufenthalt der Familie in Österreich um Weihnachten 2007 kehrte die Antragsgegnerin nicht, wie gemeinsam geplant gewesen war, am 4. 1. 2008 mit den beiden Kindern nach Santorin zurück, sondern lebt seither mit ihnen in Österreich. Unstrittig ist, dass beiden Eltern das Sorgerecht zukommt.

Am 17. 7. 2008 unterfertigte der Vater den Antrag nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen (Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25. 10. 1980, BGBl 1988/512; im Folgenden „HKÜ" bezeichnet), das Kind an seinen üblichen Aufenthaltsort in K*****, Santorin zurückzubringen. Er brachte vor, er übe seit der Geburt des Kindes das Sorgerecht gemeinsam mit der Mutter tatsächlich aus, durch die Weigerung der Mutter, mit ihm nach Griechenland zurückzukehren, werde er seines gesetzlichen Rechts auf Erziehung des Kindes beraubt. Dieser (vom griechischen Justizministerium übermittelte) Antrag langte beim österreichischen Bundesministerium für Justiz am 28. 8. 2008 und beim Erstgericht am 2. 9. 2008 ein.

Die Mutter brachte vor, es sei von einem gewöhnlichen (Zweit-)Aufenthalt des Kindes in Österreich auszugehen. Der Vater habe erklärt, die Mutter solle mit den Kindern in Österreich bleiben, er habe auch die Rückflugtickets mitgenommen. Der Vater habe das Obsorgerecht nie tatsächlich ausgeübt, er habe sich um das Kind überhaupt nicht gekümmert. Die Rückführung des Kindes nach Griechenland würde eine schwerwiegende Gefahr für das Kindeswohl bedeuten, der Vater sei mehrmals in Anwesenheit der beiden Kinder der Mutter gegen diese tätlich geworden. Gegenüber dem Kind habe der Vater zwar noch keine Körperstrafen angewendet, er habe aber immer wieder mit körperlicher Überlegenheit das Kind festgehalten, wenn dieses ihm nicht habe folgen wollen. Auch eine Geschwistertrennung würde das Kindeswohl von Evangelos schwer beeinträchtigen. Evangelos sei zwischenzeitig in Österreich gut integriert. Seine Verhaltensauffälligkeiten, die aufgrund der gewalttätigen, vom Vater verbreiteten Atmosphäre bestanden hätten, hätten sich gelegt. Im Hinblick auf die Strafanzeige gegen die Mutter könne diese auch gar nicht nach Griechenland reisen. Es sei ihr jedenfalls nicht zumutbar, nach Griechenland zurückzukehren. Der Vater könne auch nicht für die Betreuung des Minderjährigen selbst sorgen, dieser müsste bei der väterlichen Verwandtschaft aufwachsen.

Das Erstgericht ordnete die sofortige Rückgabe des Minderjährigen in den Bereich der Obsorge des Vaters, K*****, Santorin, Griechenland, an und forderte die Mutter auf, den Minderjährigen bei der Rückkehr nach Griechenland zu begleiten. Das Erstgericht traf folgende weitere Sachverhaltsfeststellungen:

Wenige Wochen nach der Geburt von Evangelos in Österreich kehrte die Mutter mit diesem und Simon in die Ehewohnung in K*****, Santorin, zurück. Simon besuchte dort die Schule. Danach war die Mutter zu Ostern 2007 zwischen zwei und vier Wochen in Österreich, im Sommer 2007 zwischen zwei und drei Monaten, womit der Vater jeweils einverstanden war.

Die Ehe war 2007 wegen der Eifersucht des Vaters, seines kontrollierenden Verhaltens und religiöser Auffassungsunterschiede in Bezug auf Taufriten und den orthodoxen Glauben des Vaters schon schwer angeschlagen. Der Vater war dreimal gegen die Mutter gewalttätig, und zwar im November 2006, am 19. 8. 2007 und im September oder Oktober 2007. Zweimal verständigte die Mutter deshalb die Polizei, die nicht kam, sondern ihr einmal riet, später anzurufen. Bei den Misshandlungen der Mutter durch den Vater am 19. 8. 2007 waren die beiden Schwägerinnen dabei, halfen aber der Mutter nicht. Am 23. 8. 2007 war die Mutter beim Arzt in Santorin, der blaue...

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