Entscheidungs 2Ob69/17m. OGH, 16-05-2017

ECLIECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00069.17M.0516.000
Record NumberJJT_20170516_OGH0002_0020OB00069_17M0000_000
Judgement Number2Ob69/17m
Date16 Mayo 2017
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** AG *****, vertreten durch Dr. Herbert Laimböck, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Ö***** AG, *****, vertreten durch Dr. Martin Wandl und Dr. Wolfgang Krempl, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen 19.864,72 EUR sA, über die Revisionen der klagenden Partei (Revisionsinteresse 16.550,75 EUR) und der beklagten Partei (Revisionsinteresse 3.313,97 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Jänner 2017, GZ 14 R 141/16g-18, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 19. August 2016, GZ 18 Cg 72/15p-12, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 418,78 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 69,80 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden in der Abweisung eines Begehrens von 16.550,76 EUR samt 4 % Zinsen seit 11. November 2015 und im Kostenpunkt aufgehoben, und die Rechtssache wird insofern zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Beklagte betreibt als Eisenbahninfrastrukturunternehmen (idF: EIU) die in Niederösterreich gelegene Pottendorfer Linie. Am 11. 1. 2013 fiel dort aufgrund eines technischen Defekts bei einer Eisenbahnkreuzung eine Schranken- und Signalanlage aus. Die Schranken blieben daher offen, weder Lichtzeichen noch Läutwerk funktionierten. Die Störung wurde nach etwa 15 Minuten von der Sicherungsanlage der Beklagten erfasst, worauf unverzüglich Mitarbeiter zur Kreuzung entsandt wurden. Ein Fahrdienstleiter verständigte den Triebwagenführer eines von einem Eisenbahnverkehrsunternehmen (idF: EVU) betriebenen Zuges, der sich der Kreuzung näherte. Er wies ihn entsprechend den für diesen Fall bestehenden Vorschriften an, vor der Kreuzung anzuhalten und erst nach Abgabe von akustischen Signalen weiterzufahren. Der Triebwagenführer hielt sich an diese Weisung, blieb vor der Kreuzung stehen und gab zwei akustische Signale ab.

Zu diesem Zeitpunkt näherte sich auch ein bei der Klägerin haftpflicht- und kaskoversicherter Pkw der Kreuzung. Der Lenker verringerte wegen des Verkehrszeichens „Eisenbahnkreuzung mit Schranken“ – bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h – seine Geschwindigkeit auf etwa 50–60 km/h. Den angehaltenen Zug nahm er nicht wahr, weil die Sicht auf die Gleise durch einen dichten, mindestens 3 m hohen Bewuchs mit Bäumen und Sträuchern (Windschutzgürtel) stark eingeschränkt war. Auch die akustischen Signale hörte er nicht.

Der Triebfahrzeugführer fuhr nach Abgabe der Signale und einer Sichtkontrolle unter Abgabe eines weiteren Signals in die Kreuzung ein. Der Lenker des Pkw leitete nach Wahrnehmen des Zuges eine Vollbremsung ein, konnte aber den Zusammenstoß nicht mehr verhindern. Dabei wurden sowohl das Triebfahrzeug als auch der Pkw und die Infrastruktur beschädigt.

In einem Parallelverfahren begehrte die (hier) Beklagte von der Klägerin und dem Lenker des Pkw den Ersatz der Schäden an ihrer Infrastruktur. Die dort Beklagten wurden rechtskräftig zum Ersatz des halben Schadens verpflichtet. Nach den Entscheidungsgründen hafteten EIU und EVU als Eisenbahnbetreiber solidarisch. Die Beklagte (dort Klägerin) habe als Infrastrukturunternehmen wegen des Ausfalls der Schrankenanlage eine außergewöhnliche Betriebsgefahr zu vertreten, der Lenker des Pkw habe leicht fahrlässig gehandelt. Diese Zurechnungsgründe hätten gleiches Gewicht.

In weiterer Folge begehrte das EVU von der Klägerin außergerichtlich den Ersatz seines 33.101,51 EUR betragenden Schadens. Die Klägerin kündigte der Beklagten an, sie nach Zahlung auf Regress in Anspruch zu nehmen, und leistete dem EVU den begehrten Betrag. Weiters zahlte sie ihrem Versicherungsnehmer aufgrund seines von der Kaskoversicherung gedeckten Schadens 6.627,94 EUR. Beide Beträge sind der Höhe nach unstrittig.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin 19.864,72 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 9. 2015. Sie habe aufgrund des Unfalls Leistungen von 39.729,45 EUR erbracht. Aus dem rechtskräftigen Urteil im Parallelverfahren ergebe sich, dass die Beklagte für die Hälfte des Schadens hafte. Durch den Unfall hätten sich Gefahren verwirklicht, die sowohl in die Sphäre der Beklagten als auch des EVU fielen. Beide seien daher Betriebsunternehmer iSv § 5 EKHG, die nach § 5 Abs 2 EKHG solidarisch hafteten. Die Klägerin habe die „Rechnungen“ des EVU irrtümlich zu Gänze bezahlt, „welche sie daher von der beklagten Partei als Solidarschuldnerin im Umfang der – nicht geschuldeten – Haftungsquote von 50 % zurückfordert“.

Die Beklagte wendet ein, dass das alleinige Verschulden am Unfall den Lenker des Pkw treffe, weil er sich der Kreuzung nach § 97 Abs 1 Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012 (idF: EKV) so hätte annähern müssen, dass er erforderlichenfalls davor anhalten hätte können, und weil er nach § 99 Abs 1 EKV in der konkreten Situation zum Anhalten verpflichtet gewesen sei. Hingegen seien die Beklagte und der Lenker des Triebwagens vorschriftsmäßig vorgegangen; es treffe sie kein Verschulden. Nach dem EKHG hafte die Beklagte als bloßes...

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