Entscheidungs 3Ob130/17i. OGH, 21-02-2018
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00130.17I.0221.000 |
Record Number | JJT_20180221_OGH0002_0030OB00130_17I0000_000 |
Judgement Number | 3Ob130/17i |
Date | 21 Febrero 2018 |
Court | Oberster Gerichtshof (Österreich) |
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen E*****, in Obsorge der Mutter I***** und des (rechtlichen) Vaters Ing. A*****, beide vertreten durch Dr. Helene Klaar, Dr. Norbert Marschall, Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Kontakt- und Auskunftsrechts des Antragstellers A*****, vertreten durch Hornek Hubacek Lichtenstrasser Epler Rechtsanwälte OG in Wien, über die außerordentlichen Revisionsrekurse des Antragstellers und der Antragsgegner gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 31. März 2017, GZ 16 R 371/15w-40, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 23. September 2015, GZ 17 Ps 1/15i-25, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegner wird zurückgewiesen.
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die im Umfang der Abweisung des Antrags auf Einräumung eines Auskunftsrechts in Teilrechtskraft erwuchsen, werden im Übrigen, also zum Antrag auf Einräumung eines Kontaktrechts aufgehoben und die Außerstreitsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz zurückverwiesen.
Begründung:
Unstrittig ist:
Die Mutter I***** brachte am 17. Juli 2014 ihre Tochter E***** zur Welt und war zu diesem Zeitpunkt seit 5. Juni 2014 mit Ing. A***** (rechtlicher Vater) verheiratet. Das Mädchen wird von der Mutter und dem rechtlichen Vater (Eltern oder Antragsgegner) betreut und wächst seit seiner Geburt in deren gemeinsamen Haushalt in Österreich im Familienverband auf, zu dem auch ein derzeit etwa siebenjähriger Sohn der Mutter zählt, der vom rechtlichen Vater adoptiert wurde.
Im Zeitraum zwischen 18. und 20. Oktober 2013 kam es zwischen der Mutter und dem in Großbritannien wohnhaften Antragsteller zu einem Intimverkehr. Seit ein Schwangerschaftstest bei der Mutter im November 2013 positiv ausfiel, behauptet der Antragsteller, er sei der Vater des Kindes. Ende November 2013 sandte ihm die Mutter eine SMS-Nachricht mit den Worten, er hätte sie geschwängert. Später übermittelte sie ihm auch ein Ultraschallbild. Im Jänner 2014 begleitete der Antragsteller die Mutter über seinen Wunsch zu einer Ultraschalluntersuchung in Österreich.
Am 17. Oktober 2014 begehrte der Antragsteller beim Erstgericht (ua) die Feststellung seiner Vaterschaft zu dem Kind. Er habe der Mutter in der empfängniskritischen Zeit im Oktober 2013 mehrmals beigewohnt. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 28. November 2014 wies das Erstgericht den Antrag zurück, weil ein Antrag auf Feststellung der Nichtabstammung vom Ehemann der Mutter gemäß § 151 Abs 2 ABGB nur vom Kind gegen den Ehemann der Mutter und von diesem gegen das Kind gestellt werden könne.
Der Antragsteller hat das Kind bisher nie persönlich gesehen oder kennengelernt, weil das die Mutter ablehnt.
Am 16. März 2015 begehrte der Antragsteller, ihm ein Kontaktrecht zu dem am 17. Juli 2014 geborenen Mädchen einzuräumen, und zwar alle drei Wochen am Samstag für zwei Stunden, allenfalls an einem neutralen Ort und in den ersten beiden Jahren unter Begleitung. Weiters beantragte er ein Auskunftsrecht iSd § 189 ABGB. Er wiederholte sein Vorbringen vom vorhergehenden Antrag und ergänzte, die Mutter habe ihm auch mitgeteilt, dass ihr Arzt als Empfängniszeitpunkt den 20. Oktober 2013 errechnet habe. Zu diesem Zeitpunkt sei sie bei ihm in Großbritannien gewesen. Beide hätten sich auf die Geburt des gemeinsamen Kindes gefreut. Seit Kenntnis der Schwangerschaft sei es sein Wunsch, für das Kind Sorge zu tragen und eine Beziehung zu ihm auszubauen. Er habe die Mutter stets unterstützt und ihr am 5. März 2014 mitgeteilt, dass er trotz des Endes der Beziehung ein Kontakt- und Auskunftsrecht zu seiner Tochter haben und für diese sorgen wolle, was die Mutter bisher völlig abgelehnt habe. Als mutmaßlicher leiblicher Vater, der noch keine sozial-familiäre Beziehung zu seinem Kind habe, sondern eine solche erst aufbauen wolle, sei nach der Rechtsprechung des EGMR sein nach Art 8 MRK geschütztes Recht auf Achtung des Privatlebens verletzt, wenn ihm ein generelles Umgangs- und Auskunftsrecht zu seinem Kind verweigert werde. Er habe die Mutter nie unter Druck gesetzt. Sie sei sich seiner Vaterschaft vollkommen sicher gewesen, beide hätten ihr Kind zusammen großziehen wollen. Ihre Beziehung habe von Anfang Oktober 2013 bis etwa März 2014 gedauert. Die Kenntnis über die Person des biologischen Vaters sei für das Wohl des Kindes unerlässlich, das Vorenthalten dieser Kenntnis könnte das Kind langfristig in seiner Entwicklung hemmen. Auch wenn das Mädchen noch ein Kleinkind sei, habe es das Recht, zu erfahren, wer seine leiblichen Eltern sind. Sollten die vorliegenden Beweise auch nach Einvernahme der Parteien nicht ausreichen, um den entscheidungsrelevanten Sachverhalt festzustellen, sei mittels DNA-Analyse im Kontaktrechtsverfahren die Vaterschaft inzident festzustellen. Zum Beweis dafür, dass das Umgangsrecht des Kindes mit ihm als potentiellem leiblichen Vater dem Kindeswohl entspreche, sei ein kinderpsychologisches Gutachten einzuholen.
Die Antragsgegner hielten dem entgegen, für sie bestehe kein Zweifel, dass der rechtliche auch der leibliche Vater sei. Sie führten schon seit Jahren eine Lebensgemeinschaft mit regelmäßigem ungeschützten Intimverkehr. Trotz dieser aufrechten Beziehung zum rechtlichen Vater habe die Mutter im Oktober 2013 einen einmaligen Intimverkehr mit dem Antragsteller gehabt, ohne dass zwischen ihnen eine Beziehung bestanden hätte oder sie schwanger hätte werden wollen. Die Behauptungen des Antragstellers, er sei der Vater, hätten „sich derartig auf die Kindesmutter übertragen, dass sie anfänglich selbst daran glaubte“; deshalb habe sie ihm gesagt, er habe sie geschwängert, ihm ein Ultraschallbild übersendet und ihn an einer Untersuchung im Jänner 2014 teilnehmen lassen. Der Antragsteller habe ihr angekündigt, dem rechtlichen Vater von der Schwangerschaft zu berichten und sie, falls dieser sie „rausschmeißen“ würde, aufzunehmen. Während der Schwangerschaft habe er die Mutter nach ihrer Mitteilung, das Kind sei nicht von ihm und sie wolle den Kontakt zu ihm abbrechen, regelrecht terrorisiert und behauptet, ein Recht auf das Kind zu haben. Aufgrund dieses massiven Drucks – sie habe damals dem rechtlichen Vater den Seitensprung noch nicht gestanden gehabt – sei es ihr vorerst nicht gelungen, sich vom Antragsteller und seinen Behauptungen zu lösen. Sein weiteres Beharren auf der Vaterschaft und seine Ankündigung, die Obsorge und ein Umgangsrecht zu beantragen und den Hauptaufenthalt des Kindes zu ihm zu verlegen, habe enormen Druck und Stress auf das Familienleben der Eltern ausgeübt. Der Antragsgegner, der nach eigenen Angaben wegen einer Burnout-Erkrankung und aggressiven Verhaltens in medizinischer Behandlung gewesen sei, störe das aus den Eltern und zwei Kindern bestehende familiäre Gefüge enorm. Es sei zu befürchten, dass der Antragsteller das Mädchen an sich nehmen und entführen könnte, dass er die Ehe der Eltern zum Scheitern bringen wolle, noch immer an einer Beziehung mit der Mutter interessiert sei und den Antrag benutze, um sich in deren Leben zu drängen. Eine inzidente Vaterschaftsfeststellung stehe zum geltenden Recht, das Entscheidungen über die Abstammung ausschließlich im dafür vorgesehenen Verfahren zulasse, im Widerspruch. Angesichts der Geburt am 17. Juli 2014 per geplantem Kaiserschnitt sei eine behauptete Konzeption am 18. Oktober 2013 ausgeschlossen. Die Behauptung, die Mutter habe eingewilligt, ihre Kinder gemeinsam mit ihm großzuziehen, sei absurd. Der Antragsteller sei nicht als Dritter iSd § 188 Abs 2 ABGB anzusehen, weil er nicht der biologische Vater sei. Ein kinderpsychologisches Gutachten sei nicht einzuholen, weil die soziale Familie der Mutter vor dem Eindringen des fremden Antragstellers zu schützen sei.
Das Erstgericht vernahm nur die Mutter. Ohne den übrigen Beweisanträgen des Antragstellers nachzukommen wies es den Antrag zurück, weil die Vaterschaft des Antragstellers zum Kind nicht festgestellt worden sei. Ein Recht darauf habe der Antragsteller nicht. Bis zum Beweis des Abstammungsverhältnisses sei er als Dritter ohne besonderes persönliches oder familiäres Verhältnis zum Kind iSd § 188 Abs 2 letzter Satz ABGB anzusehen und könne eine gerichtliche Kontaktregelung nur anregen, sofern sonst das Kindeswohl gefährdet wäre. Sollte das Kind den Antragsteller nicht kennenlernen, sei hier eine Gefährdung des Kindeswohls weder anzunehmen noch behauptet worden. Die Einholung eines kinderpsychologischen Gutachtens erübrige sich daher.
Dagegen erhob der Antragsteller Rekurs und brachte beim Verfassungsgerichtshof einen auf Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B-VG gestützten Antrag ein, die Wortfolge „sofern diese zu dem Kind in einem besonderen persönlichen oder familiären Verhältnis steht oder gestanden ist“ in § 188 Abs 2 ABGB als verfassungswidrig aufzuheben.
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) erachtete den Antrag in seinem Erkenntnis vom 13. Dezember 2016, G 494/2015, als zulässig, wies ihn aber inhaltlich mit einer Begründung ab, auf die später eingegangen wird.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs mit der Maßgabe nicht Folge, dass der Antrag abgewiesen wurde. Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig.
Durch die schlüssige Behauptung, der leibliche Vater zu sein, sei der Antragsteller als Dritter iSd § 188 Abs 2 dritter Fall ABGB anzusehen, dem grundsätzlich ein Antragsrecht zukomme. Auch der Oberste Gerichtshof habe bereits ausgesprochen, es sei nicht auszuschließen, dass die Feststellung der biologischen Vaterschaft inzident stattfinden könne. Der Umstand, dass ein enges persönliches Verhältnis aus Gründen nicht bestehe, die nicht dem Antragsteller...
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