Entscheidungs 3Ob177/10s. OGH, 14-07-2011

ECLIECLI:AT:OGH0002:2011:0030OB00177.10S.0714.000
Date14 Julio 2011
Judgement Number3Ob177/10s
Record NumberJJT_20110714_OGH0002_0030OB00177_10S0000_000
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei L*****.Com *****, vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati, Partnerschaft von Rechtsanwälten in Wien, gegen die verpflichtete Partei Jürgen H*****, vertreten durch Doralt Seist Csoklich, Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, wegen 150.527,74 EUR sA, über die Rekurse der betreibenden Partei und der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 30. Juni 2010, GZ 23 R 104/10y-16, womit über die Rekurse der betreibenden Partei und der verpflichteten Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom 10. Mai 2005, GZ 10 E 5357/09v-10, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs der verpflichteten Partei wird nicht Folge gegeben.

Dem Rekurs der betreibenden Partei wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass es im ersten Absatz anstelle der Wortfolge „im eigenen Namen“ zu lauten hat: „anstelle des Stifters“.

Die Parteien haben die Kosten des Rekursverfahrens zweiter Instanz jeweils selbst zu tragen.

Der betreibenden Partei werden die Kosten für ihren Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss mit 2.269,44 EUR (darin 378,24 EUR USt) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Verpflichtete ist Stifter der „H*****`schen Privatstiftung“. Zweck der Stiftung ist die Versorgung der Begünstigten durch eine einheitliche Erhaltung, Vermehrung und Sicherung des der Stiftung gewidmeten Vermögens. Die Verwendung der Stiftungsmittel erfolgt unter der Verantwortung des Stiftungsvorstands (§ 3 der Stiftungsurkunde). Die Begünstigten der Stiftung werden durch den Stifter bestimmt. Ihnen steht ein Rechtsanspruch auf Zuwendungen nach Maßgabe des Stiftungszwecks zu (§ 14 der Stiftungsurkunde). § 15 der Stiftungsurkunde sieht vor, dass der Stifter unter einem eine Stiftungszusatzurkunde errichten kann (Punkt 1.) und der Stifter zu seinen Lebzeiten berechtigt ist, die Stiftungsurkunde in allen Belangen zu ändern, wofür er jedoch stets der Zustimmung des Sitftungsvorstands bedarf (Punkt 2.). Nach § 12 der Stiftungsurkunde besteht der Beirat der Stiftung aus zwei Mitgliedern (derzeit aus dem Stifter und seiner Schwester). Der Stifter hat auf Lebenszeit das Recht, jeweils ein Mitglied zu nominieren und ein solches abzuberufen (so auch § 18 letzter Absatz der Stiftungsurkunde). Nach § 12 der Stiftungszusatzurkunde in der Fassung vom 2. Juli 2002 kann deren Änderung ebenfalls nur mit Zustimmung des Vorstands erfolgen. Nach der derzeit geltenden Fassung der Stiftungszusatzurkunde ist die Schwester des Stifters als Begünstigte festgestellt.

Das Erstgericht bewilligte der Betreibenden mit rechtskräftigem Beschluss vom 9. Dezember 2009, GZ 10 E 5357/09v-2, zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von 150.527,74 EUR sA unter anderem die Exekution durch Pfändung der dem Verpflichteten als Stifter zustehenden Gesamtrechte, insbesondere des umfassenden Änderungsrechts sowie des dem Stifter zustehenden Rechts zur Bestimmung des Begünstigten, erließ gegenüber dem Verpflichteten das Gebot, sich jeder Verfügung über diese Rechte zu enthalten und der Stiftung gegenüber das Verbot, an den Verpflichteten zu leisten bzw dessen Verfügungen über gepfändete Rechte zu akzeptieren. Die Entscheidung über den Verwertungsantrag behielt sich das Erstgericht vor.

In der Tagsatzung vom 2. März 2010 zur Verhandlung über den Verwertungsantrag (§ 331 Abs 2 EO) präzisierte und erweiterte die Betreibende ihre Verwertungsanträge: Die betreibende Partei möge zur Bestellung des Verpflichteten zum Begünstigten der Privatstiftung (erster Hauptantrag) und zur Ausübung des Rechts zur Abberufung der derzeitigen Mitglieder des Beirats und zur Bestellung neuer Mitglieder (zweiter Hauptantrag) ermächtigt werden. Hilfsweise wird zum ersten Hauptantrag der Antrag gestellt § 14 der Stiftungsurkunde bzw § 2 der Stiftungszusatzurkunde dahin abzuändern, dass der Stifter (Verpflichtete) als alleiniger Begünstigter vorgesehen wird.

Das Erstgericht ermächtigte die Betreibende im eigenen Namen zur Bestellung des Verpflichteten als Begünstigten und wies das auf die Ermächtigung zur Abberufung der Mitglieder des Beirats der Stiftung und Bestellung neuer Beiratsmitglieder gerichtete Verwertungsmehrbegehren ab.

Die zweite Instanz gab den Rekursen beider Parteien Folge, hob den Beschluss des Erstgerichts auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Eine Befriedigung des Betreibenden sei solange zu ermöglichen, als noch keine vollständige Trennung und Verselbständigung des Stiftungs- vom Stiftervermögen erfolgt sei. Der exekutive Zugriff auf das Änderungsrecht des Stifters werde daher auch bei einer Bindung an die Zustimmung des Vorstands solange möglich bleiben müssen, als dem Verpflichteten noch ein maßgeblicher Einfluss auf den Vorstand bzw dessen Willensbildung zukomme. Fraglich sei, anhand welcher Umstände dies im Rahmen des Verwertungsverfahrens geprüft werden könne und müsse, ob hiefür allein die Stiftungsurkunde oder auch die Stiftungszusatzurkunde maßgeblich sei und inwieweit faktische Einflussmöglichkeiten auf das zustimmungsberechtigte Organ miteinzubeziehen seien. Das Verfahren sei ergänzungsbedürftig, weil noch nicht beurteilt werden könne, ob der Zustimmungsvorbehalt eine so weitreichende Einschränkung des Änderungsrechts des Stifters bewirke, dass eine unabänderliche Trennung des Stiftungsvermögens vom Vermögen des Stifters vorliege. Zur Frage der Verwertbarkeit eines unter Vorbehalt der Zustimmung des Vorstands stehenden Änderungsrechts eines Stifters fehle Judikatur des Obersten Gerichtshofs, weswegen der Rekurs an diesen zulässig sei.

Gegen den Aufhebungsbeschluss richten sich die „Revisionsrekurse“ (richtig: Rekurse; die unrichtige Bezeichnung schadet nicht: RIS-Justiz RS0036258 [T4 und T6]). Die Betreibende beantragt die Stattgebung beider Verwertungsanträge, der Verpflichtete deren Abweisung. Die Rekurse sind zulässig. Teilweise berechtigt ist nur der Rekurs der Betreibenden.

Rechtliche Beurteilung

Zum Rekurs des Verpflichteten ist vorauszuschicken, dass der relevierte Rekursgrund der Aktenwidrigkeit geprüft wurde, aber nicht vorliegt (§ 78 EO iVm §§ 528a, 510 Abs 3 ZPO). Im Folgenden können die...

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