Entscheidungs 3Ob228/13w. OGH, 21-08-2014

ECLIECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00228.13W.0821.000
Judgement Number3Ob228/13w
Record NumberJJT_20140821_OGH0002_0030OB00228_13W0000_000
Date21 Agosto 2014
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Hofrätin Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Neumayr, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. M***** und 2. H*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Monika Linder, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei W*****verein, *****, vertreten durch Mag. Werner Hauser, Rechtsanwalt in Wien, wegen 104.808,51 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 11. Oktober 2013, GZ 13 R 186/13p-23, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 30. Juli 2013, GZ 20 Cg 10/13a-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der beklagte Verein und das Institut „H*****“ sind je zur Hälfte Erben der am 23. Juni 1999 verstorbenen H***** S*****, die ihrerseits zu einem Viertel Erbin nach ihrem am 15. April 1956 verstorbenen Ehemann A***** S***** gewesen war. Die Einantwortung an den Beklagten und das Institut „H*****“ erfolgte mit Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom 22. Juni 2001.

Die beiden Kläger betreiben das Gewerbe der Erbensuche und befassen sich dabei insbesondere mit arisierten Vermögenswerten. Sie fanden heraus, dass A***** S***** unbeanspruchte Vermögenswerte hinterlassen hatte. Er war in der NS-Zeit rassisch verfolgt gewesen und sein Liegenschaftsvermögen war arisiert worden. Erst nach der deutschen Wiedervereinigung war es möglich, für die in der ehemaligen DDR gelegenen Liegenschaften Restitutionsansprüche zu erheben.

Mit Schreiben vom 17. Dezember 2003 informierte der Zweitkläger den Beklagten und das Institut „H*****“ über die vermuteten Ansprüche aufgrund der möglichen Restitution des Vermögens von A***** S*****. Er bot die Durchsetzung der Erbansprüche unter Beiziehung der deutschen Rechtsanwaltskanzlei J***** R***** & L***** F***** an, wobei diese sowie die bisher geleisteten Tätigkeiten mit einem Drittel des dem Beklagten zugekommenen Reinnachlasses zuzüglich 20 % Umsatzsteuer abgegolten werden sollten. Das Institut „H*****“ nahm dieses Angebot im Jänner 2004 an. Hingegen teilte der Beklagte den Klägern am 25. Februar 2004 mit, dass er das Angebot nicht annehme und die Ansprüche ohne die Kläger durchsetzen werde. Mit Schreiben vom 1. März 2004 stellte er gegenüber den Klägern klar, dass er ihnen weder Auftrag noch Vollmacht erteilt habe.

Die Kläger erstellten in der Folge für das Institut „H*****“ eine umfangreiche Dokumentation, die die Schädigung von A***** S***** aufgrund rassischer Verfolgung nachwies und die erbrechtliche Rechtsnachfolge nach ihm belegte.

Der Beklagte arbeitete ab 2005 mit dem deutschen Anwalt L***** F***** zusammen. Am 21. Oktober 2008 beauftragte er ihn mit der Vertretung in der Restitutionsangelegenheit und der Durchsetzung seiner Erbansprüche. Das Honorar für diese Tätigkeit betrug 20.563,51 EUR. L***** F***** erhielt die Informationen betreffend die Restitution des Liegenschaftsvermögens und die Durchsetzung der Erbansprüche von den Klägern.

Im Oktober 2008 waren die Recherchen abgeschlossen und es erging der Restitutionsbescheid. Der Beklagte erhielt 2011 aus der Verlassenschaft nach A***** S***** einen Betrag von 262.021,28 EUR.

In der Branche der Genealogen ist es üblich, dass für die erfolgreiche Erbensuche ein prozentuales Honorar bezahlt wird. Die Höhe des Prozentsatzes, der sich auf den Wert der Verlassenschaft bezieht, hängt ua vom Ermittlungsaufwand, dem Verwandtschaftsverhältnis und einem allfälligen internationalen Bezug des Falles ab. Üblich sind Honorare von 15 bis 35 % des Reinnachlasses zuzüglich 20 % Umsatzsteuer.

Mit der am 22. Jänner 2013 erhobenen Klage begehren die Kläger vom Beklagten 104.808,51 EUR (= 1/3 des dem Beklagten zugekommenen Betrags zuzüglich 20 % Umsatzsteuer) sA. Sie seien im Rahmen ihres Gewerbes zum klaren und überwiegenden Vorteil des Beklagten tätig geworden; ihre Tätigkeit für andere Erben sei auch dem Beklagten zugute gekommen. Der Beklagte schulde daher einen branchenüblichen Aufwandersatz.

Der Beklagte wendet ein, dass er die Kläger weder beauftragt noch bevollmächtigt, sondern deren Angebot ausdrücklich abgelehnt habe. Die Kläger seien für das Institut „H*****“ tätig geworden und könnten die Entlohnung ihrer Mühen nicht doppelt verrechnen. Er selbst habe sich zur Durchsetzung seiner Ansprüche des Rechtsanwalts L***** F***** bedient und diesen bezahlt. Im Übrigen seien die Ansprüche der Kläger verjährt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Beklagte habe die Tätigkeit der Kläger ausdrücklich abgelehnt. Die Kläger hätten ihre Tätigkeit für die zweite Erbin, deren Anspruch untrennbar mit jenem der beklagten Partei verbunden gewesen sei, fortgesetzt. Bei Handeln gegen den Willen des Geschäftsherrn gebühre kein Aufwandersatz.

Das Berufungsgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe, und ließ die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu. Die Tätigkeit der Kläger sei zum klaren und überwiegenden Vorteil des Beklagten gewesen. Dieser habe am 17. Dezember 2003 durch die Kläger erfahren, dass Ansprüche nach A***** S***** für ihn bestehen könnten. In der Folge habe sich der Beklagte - trotz ausdrücklicher Ablehnung eines Vertragsabschlusses - die von den Klägern ermittelten Informationen für die Durchsetzung seiner Erbansprüche zunutze gemacht. Der Aufwand sei nach branchenüblichen Sätzen abzugelten, die noch ermittelt werden müssten. Der Anspruch unterliege der dreißigjährigen Verjährungsfrist und sei daher nicht verjährt. Zudem sei die Zuweisung der Erbschaft an den Beklagten erst im Jahr 2011 erfolgt, sodass die Kläger ihre Forderung erst ab diesem Zeitpunkt geltend machen hätten können.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das die Klage abweisende Ersturteil wiederherzustellen. In der freigestellten Revisionsbeantwortung beantragen die Kläger, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Rechtsprechung zum Aufwandersatzanspruch von Erbensuchern einer Überprüfung bedarf; sie ist auch berechtigt.

1. Die Kläger stützen sich auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Aufwandersatzanspruch gewerblicher Erbensucher. Dieser Rechtsprechung lagen bisher Fälle zugrunde, in denen Genealogen die vorerst unbekannten Erben zu einem bekannten, aber scheinbar erblosen Nachlass ermittelt hatten. Hier geht es demgegenüber - zumindest vordergründig - um die Ermittlung eines weiteren Nachlassbestandteils für bereits bekannte Erben. Dennoch ist zunächst - aufgrund der in der Lehre geübten Kritik - die Rechtsprechung zu typischen Erbensucherfällen einer neuerlichen Prüfung zu unterziehen (Punkte 2. bis 8.). In einem weiteren Schritt ist zu klären, ob sich aus den Besonderheiten des vorliegenden Falls davon Abweichendes ergibt (Punkte 9. und 10.).

2. Der Oberste Gerichtshof hat bisher in zwei Entscheidungen einen außervertraglichen Aufwandersatzanspruch von gewerblich handelnden Erbenermittlern („Erbensuchern“) bejaht.

2.1. Der Leitentscheidung 1 Ob 2168/96x (NZ 1997, 290) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger hatte einen gesetzlichen Erben zu einem für erblos erklärten Nachlass ausgeforscht und mit ihm eine Honorarvereinbarung geschlossen. Dabei hatte er erfahren, dass es mit dem Bruder des Ausgeforschten einen weiteren Erben gab und (offenbar) auch diesen informiert. Dieser nahm ebenfalls seinen Anteil am Nachlass in Anspruch, weigerte sich aber, dem Kläger ein Entgelt zu zahlen. Der Oberste Gerichtshof bejahte ihm gegenüber einen Anspruch aufgrund nützlicher Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 1037 ABGB), wobei der Kläger entsprechend der Verkehrsübung im Fall eines Vertragsabschlusses zu entlohnen sei. Würde er danach einen bestimmten Anteil am Nachlasswert erhalten, so sei dies auch für die Bemessung des Aufwandersatzes nach § 1037 ABGB maßgebend.

2.2. Diese Auffassung hielt der Oberste Gerichtshof in 7 Ob 155/00w aufrecht. Dort hatten die klagenden Erbensucher den späteren Beklagten als möglichen Erben ermittelt. Dieser schloss mit ihnen zunächst eine Vereinbarung, wonach er ihnen für seine Ausforschung ein Entgelt von 20 % des Werts des zu erlangenden Vermögens leisten würde, trat dann aber nach § 3 KSchG von der Vereinbarung zurück. Die Vorinstanzen...

Um weiterzulesen

FORDERN SIE IHR PROBEABO AN

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT