Entscheidungs 4Ob149/20w. OGH, 22-09-2020
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00149.20W.0922.000 |
Judgement Number | 4Ob149/20w |
Date | 22 Septiembre 2020 |
Record Number | JJT_20200922_OGH0002_0040OB00149_20W0000_000 |
Court | Oberster Gerichtshof (Österreich) |
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) P***** GmbH, *****, Deutschland, und 2) S***** GmbH, ebendort, beide vertreten durch Ploil Boesch Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte LLP & Co KG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 100.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 10. Juli 2020, GZ 30 R 138/20i-19, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 11. Mai 2020, GZ 30 Cg 47/19t-15, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Dem Revisionsrekurs wird mit der Maßgabe nicht Folge gegeben, dass lit b) des Spruchs der einstweiligen Verfügung lautet:
„...
b) Fernsehprogramme, hinsichtlich derer einer der Klägerinnen einzeln oder in welcher Kombination auch immer gemeinsam die Rechte des Rundfunkunternehmers und/oder des Urhebers zustehen ('ProSieben' und/oder 'kabel eins' und/oder 'sixx' und/oder 'SAT.1 Gold' und/oder 'ProSieben MAXX' und/oder Teile davon) ohne Zustimmung der jeweiligen Berechtigten an nicht im Haushalt des jeweiligen Nutzers befindliche Speicherplätze weiterzuleiten, sodass die Nutzer des Angebots 'DREI TV' auf die gespeicherten und vervielfältigten Fernsehprogramme zugreifen können, oder in sinngleicher Weise einen Online-Videorekorder/ netzbasierenden persönlichen Videorekorder anzubieten, der den Kunden einen Zugriff auf gespeicherte Fernsehprogramme der Klägerinnen oder von Teilen davon erlaubt, insbesondere durch Angebote wie die Aufnahmefunktionalität im Rahmen des Angebots 'DREI TV' und/oder vergleichbaren Angeboten.“
Die klagenden Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.
Begründung:
Die Klägerinnen sind Fernsehveranstalter mit Sitz in Deutschland, die ihre Programme unter anderem über Satellit verbreiteten. Ihre Programme werden auch als Live-Stream über Internet (OTT-Dienste) sowie über Apps für mobile Empfangsgeräte zur Verfügung gestellt.
Die Beklagte ist eine österreichische Betreiberin eines Mobil-Kommunikationsnetzes, die öffentliche Telefon- und Internetdienste anbietet.
Die Klägerinnen schlossen mit der deutschen Verwertungsgesellschaft VG Media für ihre Fernsehprogramme Wahrnehmungsverträge ab. Die Weitersendung über offene Netze (OTT-Dienste bzw internetbasierte Streamingdienste) wurde von der Rechtewahrnehmung durch die Verwertungsgesellschaft explizit ausgenommen. Die VG Media traf mit der österreichischen Verwertungsgesellschaft VG Rundfunk eine Repräsentationsvereinbarung über die Rechtewahrnehmung in Österreich.
Die Beklagte bietet einen Dienst an, mit dem ihre Kunden in Echtzeit Fernsehprogramme auf TV-Geräten, einem PC oder einem mobilen Endgerät empfangen können. Das TV-Angebot der Beklagten weist vor allem folgende technische Komponenten auf:
- Satellitenantenne: Diese dient dem Empfang des Rundfunksignals über Satellit;
- Serial Digital Interface (SDI): Eine digitale Videoschnittstelle zur Weiterleitung des Funksignals;
- Origin Server: Sie stellen den (in SD und HD) in Echtzeit aufbereiteten Live-Stream bereit;
- Content Delivery Network (CDN): Wird von der Beklagten betrieben, um alle Kunden in Echtzeit mit einem Live-Stream versorgen zu können, wobei eine Übertragung an einen konkreten Kunden nur dann erfolgt, wenn er sich zuvor über eine verschlüsselte Verbindung mittels Benutzername und Passwort authentifiziert hat;
- Variante 1 der abschließenden Weiterleitung:
Erfolgt über das Netzwerk der Beklagten, wenn der Kunde über die Internetzugangsdienste der Beklagten mit dem Internet verbunden ist;
- Variante 2 der abschließenden Weiterleitung:
Erfolgt über einen Internetzugang eines Fremdanbieters, etwa wenn der Kunde über ein WLAN mit dem Netz eines anderen Anbieters verbunden ist; in dieser Variante erfolgt das letzte Stück der Weiterleitung in Form eines passwortgesicherten „virtuellen Leitungsrohres“ über OTT-Dienste, über das die Beklagte keine Kontrolle hat.
Die Übertragung des Sendeprogramms im Rahmen des TV-Angebots der Beklagten erfolgt vollständig, gleichzeitig und unverändert.
Die von den Klägerinnen ausgestrahlten Fernsehprogramme sind im Portfolio des TV-Angebots der Beklagten enthalten. Die Klägerinnen haben der Beklagten keine Zustimmung zur Weitersendung ihrer Fernsehprogramme oder für ihren Live-Streaming-Dienst erteilt.
Die Beklagte bietet im Rahmen ihres TV-Angebots auch einen Online-Videorekorder an. Dieser ermöglicht es den Kunden, Fernsehprogramme abzuspielen und zeitentkoppelt zu konsumieren. Die Beklagte wendet dabei das De-Duplizierungsverfahren an, das über eine Speicherschicht und eine Aufnahmeschicht verfügt. In der Speicherschicht erfolgt die Speicherung der Vervielfältigungsstücke, wobei der Inhalt – unabhängig von der Anzahl der diesen Dienst für einen bestimmten Programmteil in Anspruch nehmenden Kunden – nur ein einziges Mal gespeichert wird; auf diese Weise soll die Anzahl der zu erstellenden Kopien minimiert und Speicherplatz gespart werden. Die Speicherung erfolgt auf einem Server der Beklagten, und zwar unabhängig davon, ob der Kunde die Aufnahme aktiviert hat. In der Aufnahmeschicht werden für den Kunden Zugriffsberechtigungen (Referenzen) in Bezug auf die gespeicherten Inhalte vorgesehen; über die jeweilige Referenz kann der Inhalt abgerufen werden.
Die Klägerinnen erhoben mehrere...
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