Entscheidungs 4Ob227/06w. OGH, 20-03-2007

ECLIECLI:AT:OGH0002:2007:0040OB00227.06W.0320.000
Record NumberJJT_20070320_OGH0002_0040OB00227_06W0000_000
Judgement Number4Ob227/06w
Date20 Marzo 2007
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Wien 6, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KEG in Wien, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Dr. Bertram Burtscher, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 26.000 EUR), infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 11. Juli 2006, GZ 5 R 42/06t-16, mit welchem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 30. Dezember 2005, GZ 10 Cg 95/05h-10, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Revision der klagenden Partei teilweise Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die stattgebende Entscheidung des Erstgerichts zu Punkt 2 des Unterlassungsbegehrens wiederhergestellt wird und die Entscheidung über die Eventualbegehren zu Punkt 6 des Unterlassungsbegehrens wie folgt lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie von ihr geschlossenen Verträgen zu Grunde legt, und/oder in hiebei verwendeten Vertragsformblättern die Verwendung der nachstehend genannten oder einer sinngleichen Klausel zu unterlassen; sie ist weiters schuldig, es zu unterlassen, sich auf diese Klausel zu berufen, soweit sie unzulässiger Weise vereinbart worden ist:

„3 weist ausdrücklich darauf hin, dass mobile Services auf der Nutzung von Funkwellen beruhen und die entsprechenden Netzabdeckungs-Karten nur durchschnittliche Vorhersagewerte über deren Ausbreitung darstellen können. Die tatsächlichen Empfangsverhältnisse hängen von einer Vielzahl von Einflüssen ab, die teilweise außerhalb der Kontrolle von 3 liegen (zB bauliche Gegebenheiten von Gebäuden, Abschattung durch andere Gebäude oder geographische und atmosphärische Gegebenheiten). Deswegen kann 3 auch bei grundsätzlich vorhandener Netzabdeckung die Verfügbarkeit des Services, insbesondere in Gebäuden, nicht garantieren."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 5.025,80 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin 551 EUR Barauslagen, 745,80 EUR USt) zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen einen mit 3.032,98 EUR bestimmten Anteil an den Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 292 EUR Barauslagen, 456,83 EUR USt) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist ein zur Unterlassungsklage nach § 28 KSchG berechtigter Verein. Die Beklagte betreibt ein österreichisches Mobilfunknetz. Strittig sind elf Klauseln in ihren Geschäftsbedingungen.

Im Mai 2005 hatte der Kläger mehrere Klauseln der damals geltenden Geschäftsbedingungen beanstandet und die Beklagte aufgefordert, strafbewehrte Unterlassungserklärungen für diese und sinngleiche Klauseln abzugeben. Die Beklagte gab zum Teil solche Erklärungen ab, führte darin aber geänderte Fassungen einiger Klauseln an, die mangels Sinngleichheit zulässig seien. In weiterer Folge zeigte sie die beabsichtigten Änderungen nach § 25 TKG der Regulierungsbehörde an. Während des dort geführten Verfahrens nahm sie neuerlich Änderungen vor, die zu den bei Schluss der Verhandlung erster Instanz verwendeten Geschäftsbedingungen führten. Diese enthalten zehn der ursprünglich beanstandeten Klauseln in teilweise abgeänderter Form, die der Kläger nun mit den Punkten 2 bis 11 seines Hauptbegehrens bekämpft. Punkt 1 dieses Begehrens bezieht sich auf eine Klausel, die nur in der ursprünglichen und (abgeändert) in der der Regulierungsbehörde angezeigten Fassung enthalten war, nicht mehr jedoch in der aktuellen Fassung.

Der Inhalt der Klauseln, das nähere Vorbringen der Parteien und die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen werden zur besseren Übersichtlichkeit bei der Behandlung der einzelnen Klauseln wiedergegeben.

Der Kläger begehrt, der Beklagten zu untersagen, die oben genannten oder sinngleiche Klauseln zu verwenden und sich darauf zu berufen, soweit sie in unzulässiger Weise vereinbart worden seien. Hilfsweise richten sich entsprechende Begehren gegen die ursprüngliche Fassung der Klauseln 2 bis 11, und, wiederum hilfsweise, gegen die der Regulierungsbehörde angezeigte Fassung dieser Klauseln. Bei Klausel 1 bezieht sich das (einzige) Eventualbegehren auf die der Regulierungsbehörde angezeigte Fassung. Weiters begehrt der Kläger die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung in einer Samstag-Ausgabe der Kronen-Zeitung.

Der Kläger bringt vor, die Klauseln verstießen gegen gesetzliche Verbote und die guten Sitten; einige seien auch nicht ausreichend transparent. Da die Beklagte keine uneingeschränkte Unterlassungserklärung abgegeben habe, liege auch bei jenen Klauseln Wiederholungsgefahr vor, die in der aktuellen Fassung der AGB nicht mehr enthalten seien (Klausel 1 des Hauptbegehrens, Eventualbegehrens).

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klauseln stünden mit dem Gesetz und den guten Sitten im Einklang und seien nicht intransparent. Klausel 1 des Hauptbegehrens und alle Klauseln der Eventualbegehren würden nicht mehr verwendet, sodass die Wiederholungsgefahr fehle. Zu den Klauseln 2 bis 11 des Hauptbegehrens habe der Kläger kein Abmahnverfahren durchgeführt.

Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren zur Gänze statt. Das Berufungsgericht wies das Haupt- und die Eventualbegehren für die Klauseln 2 und 6 ab. Klausel 11 verbot es nur für eine der beiden davon erfassten Situationen (Folgen einer einvernehmlichen Auflösung), für die andere (Folgen einer außerordentliche Kündigung durch die Beklagte) wies es das Klagebegehren ab. Ansonsten bestätigte es die erstinstanzliche Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richten sich die Revisionen beider Parteien. Der Kläger beantragt für die Klauseln 2 und 6 die Wiederherstellung der stattgebenden erstinstanzlichen Entscheidung, die Beklagte strebt für alle Klauseln die Klagsabweisung an.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionen sind zulässig. Jene des Klägers ist teilweise, jene der Beklagten ist nicht berechtigt. Aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit werden sie gemeinsam behandelt.

1. Zum Unterlassungsanspruch im Allgemeinen

1.1. Die Revision der Beklagten bezweifelt die „Zulässigkeit" der „vorbeugenden Unterlassungsklage". In Bezug auf die Klauseln 2 bis 11 des Hauptbegehrens habe sie der Kläger nicht abgemahnt, Klausel 1 des Hauptbegehrens und die Klauseln der Eventualbegehren verwende sie nicht mehr.

1.2. Ein Unterlassungsanspruch besteht nur dann, wenn ein Zuwiderhandeln gegen eine nach materiellem Recht bestehende Unterlassungspflicht droht (RIS-Justiz RS0037660). Das wird vermutet, wenn der Belangte bereits einmal gegen die Unterlassungspflicht verstoßen hat (Wiederholungsgefahr). In diesem Fall hat er Umstände zu behaupten und zu beweisen, aus denen sich gewichtige Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen (RIS-Justiz RS0037661, RS0012087).

1.3. Diese Grundsätze gelten auch für Unterlassungsansprüche nach § 28 KSchG. Hat der Unternehmer unzulässige Klauseln verwendet, wird die Wiederholungsgefahr vermutet (Eccher in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 28 KSchG Rz 3; Kathrein in KBB § 28 KSchG Rz 4; Krejci in Rummel3 §§ 28 - 30 KSchG Rz 18; vgl zuletzt 7 Ob 78/06f mwN). Dass hier zusätzlich eine Abmahnung erforderlich wäre, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen.

Insbesondere folgt ein solches Erfordernis nicht aus § 28 Abs 2 KSchG. Danach besteht die Gefahr einer Verwendung unzulässiger Bedingungen „nicht mehr, wenn der Unternehmer nach Abmahnung durch eine gemäß § 29 klageberechtigte Einrichtung binnen angemessener Frist eine mit angemessener Konventionalstrafe (§ 1336 ABGB) besicherte Unterlassungserklärung abgibt". Mit dieser Regelung auf Grund der KSchG-Novelle 1997 BGBl I 1997/6 sollte nach den EB zur RV (311 BlgNR 20. GP, 32; vgl dazu Langer, Wiederholungsgefahr in § 28 KSchG, ecolex 1999, 636) die Rechtsstellung der klageberechtigten Institutionen verbessert werden: Zwar sei eine Abmahnung für das Bestehen des Unterlassungsanspruchs nicht erforderlich. Erfolge sie aber, so falle nach einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (6 Ob 572/87 = RdW 1988, 289) die Wiederholungsgefahr weg, wenn der Belangte die beanstandeten Vertragsmuster vor der Klagseinbringung verändere; eine Verständigung der abmahnenden Institution sei nicht erforderlich. Die Neuregelung sollte „klarstellen", dass die klagebefugten Organisationen ein Abmahnverfahren durchführen könnten, ohne sich der Gefahr auszusetzen, dadurch in einem gerichtlichen Verfahren - durch Übersehen einer rechtzeitigen Änderung der Klauseln - in eine ungünstigere Position zu gelangen.zusätzliches Erfordernis für das Bestehen des Unterlassungsanspruches abzuleiten (Eccher aaO Rz 13; Kathrein aaO Rz 7; Kühnberg, Die konsumentenschutzrechtliche Verbandsklage [2006] 147 Apathy in Schwimann, ABGB3 V §§ 28 - 30 KSchG Rz 19).

Daraus folgt zusammenfassend:

Aus § 28 Abs 2 KSchG kann nicht abgeleitet werden, dass der Erfolg einer Unterlassungsklage eine vorangegange Abmahnung voraussetzt.

1.4. Die Klauseln 2 bis 11 des Hauptbegehrens werden in der aktuellen Fassung der Geschäftsbedingungen verwendet. Damit ist die Wiederholungsgefahr indiziert; Anhaltspunkte für ihren Wegfall gibt es nicht. Das Unterbleiben einer gesonderten Abmahnung ist nach den oben angestellten Erwägungen kein Hindernis für das Bestehen...

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