Entscheidungs 4Ob75/16g. OGH, 20-04-2016

ECLIECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00075.16G.0420.000
Date20 Abril 2016
Judgement Number4Ob75/16g
Record NumberJJT_20160420_OGH0002_0040OB00075_16G0000_000
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, Wien 4, Prinz-Eugen-Straße 20-22, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 30.500 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 4.400 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 14. Jänner 2016, GZ 2 R 160/15v-15, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 19. August 2015, GZ 69 Cg 48/15f-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Begehren,

1. die beklagte Partei sei schuldig, es im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu unterlassen, ihre Kunden daran zu hindern, Flüssiggas auch von anderen Anbietern zu beziehen, insbesondere indem sie etwa Füllschlösser an den ihren Kunden im Rahmen der mit diesen abgeschlossenen Lieferabkommen für Flüssiggas in Bestand gegebenen, ortsfesten Flüssiggastanks, die sich auf der Liegenschaft des Kunden befinden, anbringen lässt oder andere Maßnahmen oder ein geschäftliches Verhalten setzt, die darauf abzielen, dass die Kunden Flüssiggas von keinen anderen Anbietern als der beklagten Partei beziehen können oder davon abgehalten werden, Flüssiggas von anderen Anbietern zu beziehen, obwohl es ihr aufgrund des rechtskräftigen und vollstreckbaren Urteils des Landesgerichtes Innsbruck verboten ist, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie den von ihr geschlossenen Verträgen zugrunde legt und/oder in hierbei verwendeten Vertragsformblättern die Klausel: „Der Kunde verpflichtet sich, während der Dauer dieses Vertrages Flüssiggas ausschließlich von P***** zu beziehen“ oder sinngleiche Klauseln zu verwenden sowie sich auf derartige Klauseln zu berufen,

in eventu

die beklagte Partei sei schuldig, es im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu unterlassen, an den ihren Kunden im Rahmen der mit diesen abgeschlossenen Lieferabkommen für Flüssiggas in Bestand gegebenen, ortsfesten Flüssiggastanks, die sich auf der Liegenschaft des Kunden befinden, ohne deren Wissen und ohne ihr Einverständnis einzuholen Füllschlösser anzubringen oder andere, ähnliche Maßnahmen oder ein geschäftliches Verhalten zu setzen, die darauf abzielen, dass die Kunden Flüssiggas von keinen anderen Anbietern als der beklagten Partei beziehen können oder davon abgehalten werden, Flüssiggas von anderen Anbietern zu beziehen,

2. die beklagte Partei sei schuldig, es im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu unterlassen, Kunden durch die Androhung, den Vertrag zu kündigen und die Herausgabe des zur Verfügung gestellten Tanks zu verlangen, falls die Kunden nicht innerhalb eines Zeitraumes von einigen Monaten Flüssiggas bei der beklagten Partei beziehen, diese Kunden zu veranlassen, das ihnen von der beklagten Partei angebotene Flüssiggas bis zum Ablauf der von der beklagten Partei gesetzten Frist zu beziehen,

3. der klagenden Partei werde die Ermächtigung erteilt, den klagsstattgebenden Teil des Urteilsspruchs samt Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung binnen sechs Monaten nach Rechtskraft des über diese Klage ergehenden Urteils auf Kosten der beklagten Partei einmal österreichweit im redaktionellen Teil in einer Samstagsausgabe der Tageszeitung „Neue Kronenzeitung“ mit Fettdruck, Umrandung und gesperrt geschriebenen Prozessparteien in Normallettern zu veröffentlichen

abgewiesen werden.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 15.078,14 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin 2.450 EUR Barauslagen und 2.104,69 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei vertreibt Flüssiggas an Privat-, Gewerbe- und Industriekunden in Österreich. Sie hat über 10.000 Kunden. Der Privatkundenanteil beträgt ca 60 %.

Mit dem zwischen den Streitteilen ergangenen rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 8. 1. 2004 zu 10 Cg 61/03s (im Folgenden: Klauselurteil) wurde der beklagten Partei untersagt, gegenüber Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie den von ihr geschlossenen Verträgen zugrunde legt und/oder in hierbei verwendeten Vertragsformblättern mehrere Klauseln zu verwenden oder sich darauf zu berufen. Eine der als unzulässig beurteilten Klauseln lautete wie folgt:

Der Kunde verpflichtet sich, während der Dauer dieses Vertrags Flüssiggas ausschließlich von P***** zu beziehen.

Auch mit der Konsumentin H***** P***** wurden bezüglich zweier Liegenschaften (unter Verwendung von Vertragsformblättern und AGB der beklagten Partei) am 25. 3. 1995 zwei Lieferverträge abgeschlossen. In einen der beiden Verträge trat vor einigen Jahren mit Zustimmung der beklagten Partei anstelle von H***** P***** deren Tochter G***** P***** in das Lieferabkommen mit allen Rechten und Pflichten ein. Wie auch vielen anderen Kunden stellte die beklagte Partei diesen Kundinnen einen stationären Tank zur Verfügung, der im Rahmen eines Mietverhältnisses von ihnen zur Lagerung von Flüssiggas genützt werden kann, wobei die Nutzungsdauer an die Dauer der Liefervereinbarung verknüpft ist. Das einmalige Bestandsentgelt von 29.400 ATS zzgl MwSt wurde zu Beginn des Vertragsverhältnisses entrichtet.

Die beklagte Partei nimmt am Flüssiggasmarkt zusammen mit den fünf größten Lieferanten bzw Mitbewerbern am sogenannten Sicherheitssystem teil. Wenn es zu einem Austritt von Gas kommt, kann einer dieser Teilnehmer gerufen werden und behebt dann das Problem. Die Fahrer der beklagten Partei führen einen sogenannten Sicherheitscheck durch, wobei die entsprechenden Daten direkt in das System der beklagten Partei gespielt werden. Wenn die Sicherheit nicht gewährleistet ist, befüllt die beklagte Partei die Tanks nicht. Sie liefert generell kein Flüssiggas ohne Prüfbescheinigung. Bevor ein Fahrer eine Befüllung durchführt, wird der Tank äußerlich gereinigt und auf Dichtheit überprüft. Der Fahrer kontrolliert auch, ob die Überprüfungen laut TÜV gemacht wurden und ob der Tank oberflächlich beschädigt ist. Wenn es gröbere Beschädigungen gibt, wird keine Befüllung durchgeführt. Jeder Mangel wird über das PC-System direkt an die Technik der beklagten Partei übermittelt. Bei der Befüllung ist auch zu beachten, dass man den Tank nicht mehr als zu 90 % befüllt. Wenn über 90 % befüllt wird, könnte sich im Falle einer Erwärmung über den Boden oder über die Sonne das Volumen derart ausdehnen, dass das Sicherheitsventil abgeht und ein Überdruck entweicht, was zu einem massiven Gasaustritt führen könnte. Es gibt Mitbewerber der beklagten Partei, die Tanks auch dann befüllen, wenn sie keine TÜV-Plakette haben. Ob und inwiefern darüber hinaus Mitbewerber der beklagten Partei allenfalls Sicherheitsaspekte bei der Befüllung von Tanks missachten, kann nicht festgestellt werden.

Um zu verhindern, dass die Kunden der beklagten Partei die Tanks mit Flüssiggas dritter Anbieter befüllen lassen, suchte ein Mitarbeiter im November...

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