Entscheidungs 6Ob109/00y. OGH, 23-11-2000

ECLIECLI:AT:OGH0002:2000:0060OB00109.00Y.1123.000
Record NumberJJT_20001123_OGH0002_0060OB00109_00Y0000_000
Judgement Number6Ob109/00y
Date23 Noviembre 2000
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adam U*****, vertreten durch Dr. Ulrich Polley, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Ing. Mathias R*****, vertreten durch Mag. Huberta Gheneff-Fürst, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung ehrenrühriger Behauptungen, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 23. Februar 2000, GZ 6 R 223/99g-12, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 20. Juni 1999, GZ 24 Cg 41/99g-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wieder hergestellt wird.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 33.192,56 S (darin enthalten 3.323,76 S USt 13.250,-- S Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 6. 4. 1989 verschuldete der Kläger, der damals bereits Abgeordneter zum Kärntner Landtag war, dadurch, dass er einem links abbiegenden PKW auffuhr, einen Verkehrsunfall, bei dem der andere PKW-Lenker eine Platzwunde am Vorderkopf erlitt, die im Krankenhaus ambulant behandelt wurde. Der Kläger wies Symptome einer Alkoholbeeinträchtigung auf, verweigerte aber sowohl den "Alkotest" als auch eine klinische Untersuchung und Blutabnahme. In dem gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren bekannte er sich wegen fahrlässiger Körperverletzung unter Alkoholbeeinträchtigung schuldig. Er wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Spittal an der Drau vom 18. 9. 1989 gemäß § 88 Abs 1 und 3 StGB zu einer Geldstrafe von fünfzig Tagessätzen zu je 1.000,-- S, im Uneinbringlichkeitsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von fünfundzwanzig Tagen verurteilt.

Der ehemalige Abgeordnete zum Nationalrat Ing. Walter M***** wurde mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 5. 8. 1997 wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach den §§ 11, 33 Abs 2 lit b FinStrG verurteilt, weil er gemeinsam mit einem Mitangeklagten im Juni 1994 durch die Forderung, für diesen Mitangeklagten vor Unterzeichnung eines Vertrages mit einem Fußballverein einen Betrag von 3,000.000,-- S in bar "schwarz" auszubezahlen, den Finanzreferenten und Vorstandssprecher dieses Vereins dazu bestimmt hat, die Verpflichtung zur Führung einkommensteuergerechter Lohnkonten zu verletzen, wodurch eine Verkürzung von Lohnsteuer in Höhe von 1,442.255,-- S sowie von Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen in Höhe von 135.000,-- S bewirkt wurde. Über Ing. Walter M***** wurde eine Geldstrafe von 500.000,-- S, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von fünfzig Tagen verhängt. Ein Teil der Geldstrafe von 340.000,-- S wurde auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen (27 Vr 3269/94 des Landesgerichtes Innsbruck). Dieses Urteil wurde vom Obersten Gerichtshof am 16. 12. 1998 bestätigt (13 Os 30/98).

Am 22. 2. 1999 fand in S*****anlässlich des Wahlkampfes für die Kärntner Landtagswahl 1999 eine Podiumsdiskussion der Spitzenkandidaten in diesem Bezirk statt. An dieser Veranstaltung nahm unter anderem Heinz W***** teil, der Bürgermeister von M***** war und auch eine politische Funktion innerhalb der Sozialdemokratischen Partei Österreichs inne hatte. Heinz W***** griff den ebenfalls anwesenden Beklagten in dessen Eigenschaft als Vertreter der Fraktion der Freiheitlichen Partei Österreichs vehement verbal wegen der strafgerichtlichen Verurteilung des Ing. Walter M***** an.

Der Beklagte konterte und erläuterte, es gebe diesbezüglich in der FPÖ ohnedies sehr strenge Maßstäbe, wonach Ing. Walter M***** entweder sein Mandant zurücklegen müsse oder aus der Partei ausgeschlossen werde bzw zu diesem Zeitpunkt bereits ausgeschlossen sei. Der Beklagte richtete an die anderen politischen Parteien die Aufforderung, ebenso strenge Maßstäbe für ihre eigenen Parteifunktionäre einzuhalten. Als Beispiel dafür, dass die Vorgangsweise seiner Partei jedoch noch nicht der einheitlichen politischen Moral entspreche, führte der Beklagte an, dass auch sozialdemokratische Abgeordnete wie P***** (Bürgermeister und Bundesrat) und C***** (Landtagsabgeordneter) bereits strafgerichtliche Verurteilungen aufwiesen und auch der - nicht anwesende - Kläger infolge eines unter Alkoholeinfluss verursachten, mit einer Körperverletzung verbundenen Verkehrsunfalles rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt worden sei. Dem Beklagten kam es nicht darauf an, den Kläger persönlich zu beleidigen oder zu attackieren, sondern er wollte aufzeigen, dass nicht nur "kleinere" Abgeordnete oder Funktionäre, sondern auch Politiker in hohen Positionen ungeachtet strafrechtlicher Vorfälle nach wie vor im Amt verblieben, wie es der derzeit üblichen politischen Moral entspreche.

Die strafgerichtliche Verurteilung des Klägers war zum Zeitpunkt dieser Äußerung bereits getilgt. Der Kläger war Präsident des Kärntner Landtages, der Beklagte Mitglied des Kollegiums der Kärntner Landesregierung.

Der Kläger begehrt, den Beklagten zu verurteilen, Äußerungen des Inhaltes, der Kläger sei wegen eines im Jahr 1989 verschuldeten Unfalles rechtskräftig verurteilt worden, zu unterlassen. § 113 StGB verbiete es, einem Verurteilten eine vollzogene oder bedingt nachgesehene Strafe vorzuwerfen. Dies müsse um so mehr für eine getilgte Verurteilung gelten. Der Vorwurf einer getilgten Verurteilung stelle eine Ehrenbeleidigung im Sinn des § 1330 Abs 1 ABGB dar. Der Unterlassungsanspruch werde auch auf die §§ 16 und 43 ABGB sowie auf jeden sonst in Betracht kommenden Rechtsgrund gestützt.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er berief sich auf den Rechtfertigungsgrund des § 114 StGB, weil er sich als Politiker genötigt gesehen habe, dieses für die Öffentlichkeit wichtige Thema anzusprechen. Gerade die Partei des Klägers habe sich bei der Durchsetzung der 0,5 Promillegrenze im Straßenverkehr besonders hervorgetan. Im Hinblick auf die Vorbildwirkung jedes Politikers sei es daher politische Pflicht des Beklagten gewesen, für das vom Kläger gesetzte Verhalten Konsequenzen zu fordern. Eine Verurteilung wegen des Vorwurfes einer schon abgetanen...

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