Entscheidungs 6Ob16/20a. OGH, 20-02-2020

ECLIECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00016.20A.0220.000
Judgement Number6Ob16/20a
Record NumberJJT_20200220_OGH0002_0060OB00016_20A0000_000
Date20 Febrero 2020
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*****, vertreten durch DDr. Harald Schröckenfuchs, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei D***** W*****, wegen 422.136,06 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 29. November 2019, GZ 13 R 67/19x-5, womit infolge des Rekurses der klagenden Partei gegen der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 5. April 2019, GZ 55 Cg 5/19p-2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit der beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien eingebrachten Klage begehrt die Klägerin von der in Wien wohnhaften Beklagten die Zahlung von 422.136,06 EUR sA und erhebt diverse Eventualbegehren. Sie brachte vor, die Beklagte und ihr mittlerweile verstorbener Ehemann, dessen Gesamtrechtsnachfolgerin die Beklagte sei, hätten mit der Klägerin am 13. 8. 2015 einen Abtretungsvertrag über den Erwerb von 95 % der Geschäftsanteile an der „A*****“ ***** Gesellschaft mbH (im Folgenden: „Gesellschaft“) um einen Kaufpreis von 1.440.000 EUR abgeschlossen. Der Kaufpreis sei am 8. 9. 2015 bezahlt worden. Die Gesellschaft sei auf dem Gebiet der Mechanik und Elektromechanik tätig.

Die Klägerin sei von der Beklagten (bzw deren Ehemann und ihr zurechenbaren Gehilfen wie etwa dem Steuerberater) während der Vertragsverhandlungen vorsätzlich, jedenfalls aber fahrlässig unrichtig über Eigenschaften des Unternehmens informiert worden und diese Zusagen seien auch im Vertrag selbst unrichtig angegeben. Dies stelle eine Verletzung sowohl der vorvertraglichen Schutz-, Sorgfalts- und Aufklärungspflichten (culpa in contrahendo) als auch der vertraglichen Zusagen dar. Weiters träfen diverse andere vertragliche Zusagen nicht zu, wofür Gewährleistung und Schadenersatz begehrt werde. Die Klägerin stellt folgende Ansprüche:

a) Die Verkäufer hätten der Klägerin insbesondere unrichtige Zusagen über die Richtigkeit des Jahresabschlusses zum 31. 12. 2014 und den Zwischenabschluss vom 30. 4. 2015 gemacht, sie entsprächen auch nicht den Vereinbarungen des Abtretungsvertrags. Dies betreffe die Herstellungskosten für Halbfertigfabrikate sowie die Abfertigungsrückstellungen, die insgesamt mit 109.258,84 EUR unrichtig dargestellt worden seien. Nach dem Abtretungsvertrag sei jener Zustand herzustellen, der bestünde, wenn die Zusage richtig wäre. Der genannte Betrag sei daher aus dem Titel der Gewährleistung bzw des Schadenersatzes an die Gesellschaft zu zahlen, damit der zugesicherte Zustand erreicht werde. Der den Verkäufern zuzurechnende Steuerberater der Beklagten habe zumindest fahrlässig unrichtige Angaben über das durchschnittliche Jahresergebnis (das „EBITDA“) der Jahre 2008 bis 2014 gemacht.

b) Durch diese Vorgehensweise sei überdies die Ertragskraft der Gesellschaft unrichtig dargestellt worden und die Klägerin in Bezug auf die Ertrags- und Ergebnissituation in die Irre geführt worden. Es seien damit Gewinne des Unternehmens als vorhanden oder höher dargestellt worden, die in Wirklichkeit nicht vorhanden gewesen seien. Wenngleich grundsätzlich im Wege der culpa in contrahendo der Vertrauensschaden zu ersetzen sei, könne der Erfüllungsanspruch verlangt werden, wenn ohne Pflichtverletzung der Vertrag zustande gekommen wäre. Der Vertrag wäre ohne die Irreführung über die Ertrags- und Ergebnissituation der Gesellschaft um einen Kaufpreis von 1.168.720,25 EUR zustande gekommen, sodass der Klägerin der Betrag von 271.279,75 EUR zustehe.

Bei den Ansprüchen laut lit a und b handle es sich um zwei verschiedene Ansprüche, nämlich einerseits um die unrichtige Höhe der Halbfertigfabrikate und der Abfertigungsrückstellungen selbst (lit a), andererseits um die Irreführung bezüglich der Ertragskraft des ganzen Unternehmens (lit b). Deswegen stelle sich hier auch nicht die Frage nach einer Anspruchsgrundlagenkonkurrenz, sondern es seien zwei verschiedene Ansprüche mit jeweils eigenen Anspruchsgrundlagen.

c) Darüber hinaus träfen diverse andere vertragliche Zusagen nicht zu, wofür (insbesondere) Gewährleistung bzw Schadenersatz in Höhe von 41.597,47 EUR begehrt werde.

Zwischen den Parteien sei die Anwendung der relativen Berechnungsmethode ebenso ausgeschlossen worden wie eine Vorteilsanrechnung.

Soweit Gewährleistung bzw Schadenersatz wegen Verletzung von vertraglichen Zusagen hinsichtlich des Unternehmens der Gesellschaft geltend gemacht würden (lit a und c), werde primär Leistung an die Gesellschaft begehrt, damit in deren Vermögen der zugesagte Zustand eintrete; eventualiter werde Leistung direkt an die Klägerin begehrt.

Begehrt werde daher primär die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 271.279,75 EUR sA an die Klägerin (lit b) sowie weiterer 150.856,31 EUR (109.258,84 EUR [lit a] sowie 41.597,47 EUR [lit c]) sA an die Gesellschaft. Weiters werden diverse Eventualbegehren gestellt.

Die Zuständigkeitsvoraussetzungen des § 51 Abs 1 Z 6 und 7 JN lägen nicht vor.

Das Erstgericht erklärte sich für sachlich unzuständig und wies die Klage a limine zurück. Es liege eine Streitigkeit aus der Veräußerung eines Unternehmens zwischen den Vertragsteilen vor, die gemäß § 51 Abs 1 Z 4 JN vor die Handelsgerichte gehöre.

Das Rekursgericht gab mit dem angefochtenen Beschluss dem Rekurs der klagenden Partei nicht Folge und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, beim vorliegenden Erwerb von 95 % der Geschäftsanteile sei von einem § 51 Abs 1 Z 4 JN zu unterstellenden Unternehmenskauf auszugehen.

Die Klägerin stütze ihre Ansprüche einerseits auf Gewährleistung und vertraglichen Schadenersatz. Diese fielen bei Vorliegen auch der übrigen Voraussetzungen in die handelsgerichtliche Zuständigkeit. Andererseits mache die Klägerin irrtumsrechtliche Vertragsanpassung geltend. In den Fällen des § 872 ABGB...

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