Entscheidungs 6Ob169/16w. OGH, 24-10-2016

ECLIECLI:AT:OGH0002:2016:0060OB00169.16W.1024.000
Date24 Octubre 2016
Record NumberJJT_20161024_OGH0002_0060OB00169_16W0000_000
Judgement Number6Ob169/16w
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Dr. Bernhard Umfahrer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Oberhammer Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen und Beschlussfeststellung (35.000 EUR, Revisionsstreitwert 34.000 EUR) über die Revisionen beider Streitteile gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Mai 2016, GZ 4 R 195/15y-16, womit das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 25. September 2015, GZ 6 Cg 46/15x-12, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegenseitig aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Aktionär der Beklagten und hat in der Hauptversammlung am 20. 3. 2015 gegen folgende Beschlüsse gestimmt und Widerspruch zur Niederschrift erklärt:

1. Die Ausschüttung von dem sich aus dem Geschäftsjahr vom 01. 10. 2013 bis 30. 09. 2014 ergebenden Bilanzgewinn in Höhe von EUR 10.174.318,67 (Euro zehn Millionen einhundertvierundsiebzigtausend dreihundertachtzehn Cent siebenundsechzig) eines Betrags von EUR 1.028.419 (Euro eine Million achtundzwanzigtausend vierhundertneunzehn) in Form einer Dividende an die Aktionäre im Verhältnis ihrer jeweiligen Beteiligung (10 Cent je Aktie) und Vortrag des Restbetrags in Höhe von EUR 9.145.899,67 (Euro neun Millionen einhundertfünfundvierzigtausend achthundertneunundneunzig Cent siebenundsechzig) wird auf neue Rechnung beschlossen.

2. Der Antrag der Aktionärin V***** auf Ausschüttung des gesamten im Jahresabschluss 2013/2014 der Gesellschaft ausgewiesenen Bilanzgewinns in Höhe von EUR 10.174.318,67 wird abgelehnt.

3. Der Antrag der Aktionärin, V***** auf Ausschüttung des gesamten im Jahresabschluss 2013/2014 der Gesellschaft ausgewiesenen Billanzgewinns in Höhe von EUR 10.174.318,67 wird abgelehnt.

Die unter Punkt 2. und 3. genannten, gleichlautenden Beschlüsse wurden zweimal gefasst, weil der Vorsitzende der Hauptversammlung zweimal über den Antrag des Klägers abstimmen ließ.

§ 23 Abs 2 der Satzung der Beklagten lautet:

Die Hauptversammlung beschließt alljährlich in den ersten acht Monaten des Geschäftsjahres über die Verwendung des Bilanzgewinns wenn im Jahresabschluss ein solcher ausgewiesen ist, die Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrates, die Wahl [...].

Der Jahresabschluss der Beklagten für das Geschäftsjahr 2013/2014 weist einen Bilanzgewinn von 10.174.318,67 EUR aus. Der Kläger hält seit 15. 1. 2015 10 Stück auf Namen lautende Stückaktien der Beklagten, dies entspricht 0,00009 % aller Anteile am Grundkapital. Bei Vollausschüttung des Bilanzgewinns in der Höhe von 10.174.318,67 EUR erhält der Kläger 7,42 EUR.

Der Kläger begehrte die Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse und die Feststellung des Beschlusses der Vollausschüttung des gesamten ausgewiesenen Bilanzgewinns. Die angefochtenen Beschlüsse würden gegen das gesetzliche Gebot verstoßen, den Bilanzgewinn vollständig an die Aktionäre auszuschütten, weil die Satzung keine dahin gehende Ermächtigung enthalte.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie sei ein Familienunternehmen; nur 5,25 % der Aktien befänden sich im Streubesitz. Die Satzung ermächtige die Beklagte, den Bilanzgewinn auch anders als durch Ausschüttung zu verwenden. Zumindest sei die Satzung von den Aktionären immer so verstanden worden. Eine Vollausschüttung des seit Jahren erwirtschafteten und angesammelten Bilanzgewinns laufe den Eigenkapital basierenden Finanzinteressen der Beklagten zuwider. Der Kläger verletze eine Treuepflicht. Sein Begehren sei rechtsmissbräuchlich.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren im Wesentlichen mit der Begründung ab, es sei schikanös und rechtsmissbräuchlich, wegen eines Interesses in Höhe von bloß 7,42 EUR die Beklagte zur Ausschüttung eines Betrags von 10,2 Millionen EUR zu zwingen. Eine positive Feststellungsklage sei für das Begehren des Klägers unzulässig.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil teilweise dahin ab, dass es der Beschlussanfechtungsklage stattgab und das Begehren auf Feststellung eines Beschlusses über die Vollausschüttung abwies.

In der Satzungsbestimmung „Die Hauptversammlung beschließt alljährlich in den ersten acht Monaten des Geschäftsjahres über die Verwendung des Bilanzgewinns“ liege keine Ermächtigung im Sinne des § 104 Abs 4 AktienG, den Bilanzgewinn ganz oder teilweise von der Verteilung auszuschließen. Das Klagebegehren sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Der Gesetzgeber habe mit § 196 Abs 1 AktienG klar zum Ausdruck gebracht, dass jedem (auch einem Zwerg-)Aktionär, der in der Hauptversammlung teilnimmt, das Anfechtungsrecht gemäß § 195 Abs 1 AktienG zur Verfügung stehe, wenn sein Aktionärrecht auf Gewinnbeteiligung durch einen Gewinnverwendungsbeschluss gemäß § 104 Abs 2 Z 2 iVm Abs 4 AktienG verletzt werde. Ausreichende Anhaltspunkte für Rechtsmissbrauch lägen nicht vor.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof sich bisher nicht mit der Satzungsstrenge aufgrund von § 104 Abs 4 AktG, mit den Voraussetzungen einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Anfechtungsrechts gemäß § 195 Abs 1 iVm § 196 Abs 1 Z 1 AktienG, insbesondere im Hinblick auf die Pflichten- und Treuebindung in personalistisch organisierten Familien-AGs und mit der Zulässigkeit einer positiven Feststellungsklage im Fall einer rechtlich gebotenen, aber dem Abstimmungsergebnis widersprechenden Beschlussfassung auseinander zu setzen hatte.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Die Revisionen sind aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie sind aber nicht berechtigt.

Zur Revision der Beklagten:

1.1. In der Entscheidung 3 Ob 59/07h hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, die Hauptversammlung dürfe ohne...

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