Entscheidungs 6Ob281/01v. OGH, 11-07-2002

ECLIECLI:AT:OGH0002:2002:0060OB00281.01V.0711.000
Judgement Number6Ob281/01v
Date11 Julio 2002
Record NumberJJT_20020711_OGH0002_0060OB00281_01V0000_000
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin Birgit L*****, vertreten durch Dr. Franz Zimmermann, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Antragsgegner Siegfrid W*****, vertreten durch Heinrich & Seifried, Rechtsanwaltspartnerschaft in Judenburg, wegen Bestellung eines Heiratsgutes, über die Revisionsrekurse der Antragstellerin und des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 9. August 2001, GZ 2 R 148/01s-44, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Judenburg vom 16. April 2001, GZ 6 Nc 31/99p-38, infolge Rekurses des Antragsgegners aufgehoben und die Rekursbeantwortung der Antragstellerin zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen die Zurückweisung ihrer Rekursbeantwortung wird Folge gegeben, der Beschluss des Rekursgerichtes insgesamt als nichtig aufgehoben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung aufgetragen. Mit ihren Revisionsrekursen gegen die Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses werden die Parteien auf diese Entscheidung verwiesen. Die Antragstellerin und der Antragsgegner haben die Kosten ihrer Revisionsrekurse jeweils selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin ist die uneheliche Tochter des Antragsgegners. Ihre im Jahr 1983 geschlossene erste Ehe wurde im Oktober 1989 geschieden. Am 15. 5. 1995 heiratete sie zum zweiten Mal. Anlässlich ihrer ersten Eheschließung hatte sie kein Heiratsgut vom Antragsgegner erhalten.

Die Antragstellerin begehrt jetzt gemäß § 1220 ABGB ein Heiratsgut von 750.000 S (entspricht 54.504,63 EUR). Der Antragsgegner bestritt jegliche Dotationspflicht, weil er die Ehe missbillige. Der Anspruch sei zudem bei weitem überhöht.

Das Erstgericht verpflichtete den Antragsgegner zur Zahlung des begehrten Betrages.

Diesen Beschluss bekämpfte der Antragsgegner in der Hauptsache und die Antragstellerin insoweit, als keine Entscheidung über die Verfahrenskosten (zu ihren Gunsten) erging. Die Antragstellerin erstattete innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung einer Gleichschrift des Rekurses des Antragsgegners auch eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht eine Verfahrensergänzung und neuerliche Entscheidung auf. Die Rekursbeantwortung der Antragstellerin wies es zurück. Es sprach weiters aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil die Rechtsfrage erheblich sei, ob der Zeitpunkt der ersten oder zweiten Eheschließung für die Ausmessung des Heiratsgutes maßgebend und wie das Heiratsgut zu bemessen sei, wenn das Vermögen des Dotationspflichtigen vor allem einen Erbhof darstelle. Die Zurückweisung der Rekursbeantwortung der Antragstellerin begründete es damit, dass das Rekursverfahren im vorliegenden Fall einseitig sei.

Diesen Beschluss bekämpfen sowohl die Antragstellerin als auch der Antragsgegner mit Revisionsrekurs. Revisionsrekursbeantwortungen wurden trotz Zustellung der Rechtsmittelschriftsätze nicht erstattet. Beide Parteien vertreten die Ansicht, dass die Sache bereits - jeweils in ihrem Sinne - spruchreif sei. Die Antragstellerin ficht zudem ausdrücklich auch den Ausspruch des Rekursgerichtes über die Zurückweisung ihrer Rekursbeantwortung an.

Rechtliche Beurteilung

Es ist daher vorweg die Frage der Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens im Verfahren zur Festsetzung eines Heiratsgutes zu prüfen. Nach ständiger Rechtsprechung gehört der auf das Gesetz gegründete Heiratsgutanspruch in das außerstreitige Verfahren (SZ 19/35; RIS-Justiz RS0022224). Der Rekurs im Verfahren außer Streitsachen ist im Allgemeinen als einseitiges Rechtsmittel konzipiert. Nur in bestimmten Fällen ist eine Zustellung des Rekurses an den Gegner und eine Gegenschrift vorgesehen. Die Rechtsprechung erachtete bislang eine Gegenäußerung nur in den Fällen, in denen eine solche im Gesetz ausdrücklich angeordnet ist, für zulässig (RIS-Justiz RS0005991; RS0007041). Für das Verfahren über Anträge auf Bestellung eines Heiratsgutes besteht keine solche ausdrückliche Anordnung, weshalb auch in diesem Fall in der Entscheidung 4 Ob 545/87 die Zweiseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens verneint wurde. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sprach allerdings in seinem Urteil vom 6. 2. 2001, Beer gegen Österreich (= ÖJZ 2001, 516) aus, dass der aus Art 6 Abs 1 EMRK herleitbare Grundsatz der Waffengleichheit in einem Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen für jede Partei eine angemessene Gelegenheit erfordere, ihren Fall unter Bedingungen zu präsentieren, die keinen wesentlichen Nachteil gegenüber dem Verfahrensgegner realisierten. Jede Partei müsse daher die gegnerischen Stellungnahmen zur...

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