Entscheidungs 6Ob56/20h. OGH, 23-04-2020

ECLIECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00056.20H.0423.000
Record NumberJJT_20200423_OGH0002_0060OB00056_20H0000_000
Judgement Number6Ob56/20h
Date23 Abril 2020
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowonty und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1. L***** Gesellschaft mbH, *****, 2. L***** S.A., *****, beide vertreten durch Hochedlinger Luschin Marenzi Kapsch Rechtsanwälte GmbH in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der erstklagenden Partei A***** AG, *****, vertreten durch Mag. Dr. Georg Vetter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Pelzmann Gall Rechtsanwälte GmbH in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei W***** Privatstiftung, *****, vertreten durch Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen Nichtigerklärung eines Hauptversammlungsbeschlusses, über die Revisionen der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 12. Dezember 2019, GZ 3 R 66/19z-67, womit den Berufungen der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Wels vom 26. Februar 2019, GZ 26 Cg 97/17v-50, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die Erstklägerin ist schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen die mit 1.363,87 EUR (darin 227,31 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Die Zweitklägerin ist schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen die mit 1.363,87 EUR (darin 227,31 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Aktiengesellschaft hat ein Grundkapital von 17.833.500 EUR. Die Klägerinnen waren Streuaktionäre, die Nebenintervenientin der Beklagten (künftig: Nebenintervenientin) eine von zwei Kernaktionären. Deren zweiter war die F***** GmbH.

Die Beklagte führte zwischen 2008 und 2013 insgesamt fünf Aktienrückkaufprogramme durch. Das erste dauerte von 11. 4. 2008 bis 16. 5. 2008 und führte zu einem Rückkauf von 39.404 Stückaktien, das zweite, von 28. 8. 2008 bis 10. 2. 2009, von 348.015 Stückaktien. Das dritte ging vom 20. 11. 2009 bis 22. 3. 2010 und führte zu einem Rückkauf von 255.694 Stückaktien, das vierte, von 17. 3. 2011 bis 16. 5. 2012, von 429.785 Stückaktien und das fünfte und letzte, von 19. bis 20. 9. 2013 von 520 Stückaktien. Ihnen lagen jeweils Ermächtigungen durch die Hauptversammlung zugrunde; Grund für die Aktienrückkaufprogramme war das Ansinnen, die eigenen Aktien gegebenenfalls als Transaktionswährung einsetzen zu können. Insofern gab es für die zurückgekauften Aktien stets einen klaren Verwendungszweck. Bei den Anträgen zur Ermächtigung für die Aktienrückkaufprogramme wurde der Zweck auch immer kommuniziert und erläutert. Ein Squeeze-Out war während der Rückkaufprogramme kein Thema. Während der Aktienrückkaufprogramme und beim Erwerb der eigenen Aktien war es nie ein Motiv oder Ziel der Beklagten, nur die Voraussetzungen für einen Gesellschafterausschluss zu schaffen.

Die Beklagte dachte den Einsatz eigener Aktien als Transaktionswährung seit Beginn der Aktienrückkaufprogramme auch mehrfach an, er war bei mehreren Übernahmeprojekten geplant, bisher fand eine Veräußerung der von den Rückkaufprogrammen umfassten Aktien aber nicht statt; sie wurden tatsächlich bisher nie als Transaktionswährung eingesetzt. Allerdings ist der Zweck dieser Aktien nach wie vor der gleiche. Nach wie vor wird bei Akquisitionen der Einsatz der eigenen Aktien als Transaktionswährung geprüft; die eigenen Aktien sind insofern für den Einsatz als Transaktionswährung „gesperrt“. Ein Verkauf dieser eigenen Aktien kommt für die Beklagte daher nicht in Frage.

Nachdem die Rückkaufprogramme abgeschlossen waren, versuchte die Beklagte ein „Cold Delisting“, mit dem sie aber nicht durchdrang. Es entstand die Idee, einen Squeeze-Out durchzuführen, der zu diesem Zeitpunkt wegen des negativen Ausgangs des Cold Delistings allseits naheliegend war. Der Hauptgrund war nach wie vor, von der Börse wegzukommen, und nicht, die Aktionäre hinauszudrängen.

In der Hauptversammlung vom 1. 7. 2016 wurde der Vorstand der Beklagten ermächtigt, für 30 Monate ab dem Tag der Beschlussfassung mit Zustimmung des Aufsichtsrats eigene Aktien in anderer Art als über die Börse oder ein öffentliches Anbot unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre zu veräußern.

Am 23. 11. 2016 legte die F***** GmbH ein freiwilliges öffentliches Anbot an die Aktionäre der Beklagten für den Kauf sämtlicher auf Inhaber lautender Stückaktien der Zielgesellschaft, die sich nicht im Eigentum der Bieterin, mit ihr gemeinsam vorgehender Rechtsträger oder der Zielgesellschaft befänden oder ihnen zuzurechnen wären, wobei sie 23 EUR pro Aktie anbot. Sie wies darauf hin, dass die W***** Gruppe mit dem geplanten Anbot eine Aufstockung ihres Anteils an der Zielgesellschaft auf 90 % oder mehr des Grundkapitals beabsichtige und damit die Möglichkeit eines Squeeze-Outs bestünde. Der Vorstand der Beklagten äußerte sich zu diesem Anbot dahingehend, dass die dargestellte Beendigung der Börsenotierung grundsätzlich zu begrüßen sei, die Frage, ob das Anbot für die Aktionäre im Einzelnen vorteilhaft sei oder nicht aber nur eine Entscheidung sei, die jeder Aktionär aufgrund seiner individuellen Situation treffen könne, weshalb er von einer expliziten Empfehlung an die Aktionäre ausdrücklich absehe. Ohne eine ausdrückliche Empfehlung abzugeben, stellte der Vorstand aber die wesentlichen Argumente dar, die für oder gegen die Annahme des Anbots sprächen. Das Anbot wurde bis zum Ablauf der Annahmefrist für insgesamt 477.573 Aktien angenommen, was rund 2,68 % des Grundkapitals entsprach.

Am 11. 4. 2017 verlangte die Nebenintervenientin von der Beklagten einen Beschluss der Hauptversammlung auf Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre auf sie gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung. Am 11. 7. 2017 setzte sie die Barabfindung mit 16,51 EUR je Aktie fest. Der Bemessung lag ein Unternehmenswertgutachten der D***** GmbH (künftig: D*****) vom 30. 6. 2017 zugrunde. Diese Gesellschaft, bei der die im Stiftungsvorstand der Nebenintervenientin tätige Dr. C***** beschäftigt ist, wurde von der F***** GmbH beauftragt, einen objektivierten Unternehmenswert der Beklagten zu ermitteln. Es wurde ein angemessener Wert pro Aktie von 16,51 EUR ermittelt. In ihm waren das Budget vom 12. 12. 2016 und die Mehrjahresplanung vom 24. 5. 2017 inhaltlich enthalten. Das Gutachten wurde vor der Hauptversammlung zur Verfügung gestellt und lag zur Einsicht auf.

Mit 11. 7. 2017 erstatteten der Vorstand der Beklagten und die Nebenintervenientin einen gemeinsamen Bericht gemäß § 3 Abs 1 GesAusG, in dem vorgeschlagen wurde, den Aktionären in der Hauptversammlung eine Barabfindung in Höhe von 16,51 EUR pro Aktie zu zahlen, wobei zur Beurteilung der Angemessenheit der Barabfindung im Wesentlichen auf das D*****-Gutachten verwiesen und dieses wiedergegeben wurde.

Am selben Tag erstattete der sachverständige Prüfer, L***** GmbH *****, den Bericht über die Prüfung gemäß § 3 Abs 2 GesAusG. Er hielt fest, dass die Bewertung der Beklagten als Grundlage für die Bemessung der Barabfindung durch die D***** gemäß den Grundsätzen des österreichischen Fachgutachtens für Unternehmensbewertung erfolgt sei und die Unternehmensbewertung auf der Mehrjahresplanung für die Geschäftsjahre 2017 bis 2019 basiere. In weiterer Folge setzte er sich mit dem Gutachten inhaltlich auseinander und hielt fest, dass die von D***** herangezogene Bewertungsmethode und deren Plausibilisierung den Grundsätzen gemäß dem österreichischen Fachgutachten für Unternehmensbewertung des Fachsenats für Betriebswirtschaft und Organisation der Kammer der Wirtschaftstreuhänder (KFS/BW1) entspreche. Als Ergebnis der Prüfung stellte er fest, dass der gemeinsame Bericht des Vorstands der Beklagten und der Nebenintervenientin über den geplanten Ausschluss der Minderheitsaktionäre die gesetzlich geforderten Angaben enthalten habe, die angewandten Methoden sowie die inhaltliche Vorgehensweise nach den Grundsätzen der Unternehmensbewertung, insbesondere dem Fachgutachten KFS/BW1 angemessen seien, im Zusammenhang mit der Bewertung keine besonderen Schwierigkeiten aufgetreten seien und die im Bericht des Vorstands der Beklagten und der Nebenintervenientin vorgeschlagene Barabfindung von 16,51 EUR pro Aktie innerhalb der von D***** mittels Sensitivitätsanalyse errechneten Bandbreite liege und somit angemessen sei.

Die Hauptversammlung am 14. 8. 2017 wurde um 9:34 Uhr eröffnet und dauerte bis 21:15 Uhr. Der siebente Tagesordnungspunkt war jener zur Beschlussfassung über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre und Übertragung ihrer Anteile an die Nebenintervenientin als Hauptgesellschafterin der Beklagten gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung. Die Unterlagen lagen auch in der Hauptversammlung ausgedruckt vor. Ein Vorstandsmitglied der Beklagten erläuterte den vom Vorstand der Beklagten gemeinsam mit der Nebenintervenientin erstatteten Bericht über den geplanten Gesellschafterausschluss. Nach einer stundenlangen Debatte wurde über den Antrag der Hauptgesellschafterin auf Gesellschafterausschluss abgestimmt, der die erforderliche Mehrheit fand und angenommen wurde.

Nach wie vor hat die Beklagte rund 6 % eigene Aktien, die restlichen 94 % sind immer noch im Besitz der Nebenintervenientin und der F***** GmbH.

Die Klägerinnen begehren, den zu Punkt 7 der Tagesordnung in der Hauptversammlung vom 14. 8. 2017 gefassten Beschluss über das Squeeze-Out für nichtig zu erklären, hilfsweise dessen Nichtigkeit festzustellen. Zur Begründung brachten sie zusammengefasst vor, das Gesellschafterausschlussverlangen sei rechtsmissbräuchlich, treu- und sittenwidrig, weil der Hauptaktionär seine 90%ige Beteiligung nur habe erreichen können, indem die Beklagte in gemeinsamer Abstimmung mit ihm ihre eigenen Aktien pflichtwidrig nicht verkauft habe. Ohne das pflichtwidrige...

Um weiterzulesen

FORDERN SIE IHR PROBEABO AN

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT