Entscheidungs 6Ob97/15f. OGH, 09-09-2015

ECLIECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00097.15F.0909.000
Date09 Septiembre 2015
Record NumberJJT_20150909_OGH0002_0060OB00097_15F0000_000
Judgement Number6Ob97/15f
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. E. Solé und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Martin Löffler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei c***** SE, *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung einer Zurechnung gemäß § 23 ÜbG, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Bescheid der Übernahmekommission vom 18. März 2015, GZ 2014/1/8-74, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Am 4. 6. 2014 brachte die C***** GmbH gegen die c***** SE eine Beschlussanfechtungs- und Feststellungsklage vor dem Handelsgericht Wien ein. Die Klägerin ist Aktionärin der Beklagten und war als solche in der 13. ordentlichen Hauptversammlung am 7. 5. 2014 anwesend. Sie erklärte zu sämtlichen angefochtenen Beschlussgegenständen Widerspruch zu Protokoll. Am 6. 6. 2014 erhob Dkfm. Karl E***** eine inhaltlich gleichlautende Beschlussanfechtungs- und Feststellungsklage. Gegenstand dieser Klagen ist der Stimmrechtsausschluss der Aktionäre Dkfm. Karl E*****, Ingrid E*****, John F***** E***** und Karl P***** E***** in der Hauptversammlung der c***** am 7. 5. 2014 aufgrund behaupteter Verstöße gegen börsegesetzliche Meldepflichten.

I. Vorbringen der Klägerin

Dazu brachten die Klägerin und Dkfm. Karl E***** in ihren insoweit gleichlautenden Klagen vor, dass die Aktionäre Dkfm. Karl E*****, Ingrid E*****, John F***** E***** und Karl P***** E***** während der Hauptversammlung überraschend und rechtswidrig von ihrem Stimmrecht ausgeschlossen worden seien. Wären die Stimmen dieser Aktionäre gezählt worden, so wäre im Rahmen der Abstimmung für den 4. Verwaltungsratssitz der Klägerin P***** H***** und nicht Dr. A***** S*****, für den 5. Verwaltungsratssitz Dr. A***** P***** und nicht Dr. M***** P***** gewählt worden.

Der bloße Umstand der familiären Verbundenheit sei nicht ausreichend, um die Stimmrechte der Familie E***** zusammenzurechnen. Die Aktien würden getrennt verwaltet; die einzige Verbindung zwischen den Aktionären sei die gemeinsame Familienzugehörigkeit. Das Verhalten der Beklagten sei nicht nachvollziehbar, zumal sie mit keinem Wort erwähnt habe, dass die Mitglieder der Familie E***** börserechtliche Meldepflichten verletzt hätten. Darüber hinaus sei keinem Mitglied der Familie E***** eine Möglichkeit zur Stellungnahme vor der Hauptversammlung zum angeblichen Verstoß gegen börsegesetzliche Meldepflichten aufgrund der Zurechnung von Stimmrechten eingeräumt worden.

Die Stimmrechte seien nicht gemäß § 92 Z 7 BörseG iVm § 23 Abs 1 oder 2 BörseG zuzurechnen. Nach dem Rundschreiben der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 19. 6. 2013 betreffend Melde- und Veröffentlichungspflichten von Emittenten („Emittentenleitfaden“) führe ein zufälligerweise gleichförmiges Verhalten ohne diesbezügliche Akkordierung nicht zu einem gemeinsamen Vorgehen. Zudem müsse Ziel der Abstimmung des Stimmverhaltens nach § 1 Z 6 ÜbG die Kontrollausübung bzw -erlangung an der Zielgesellschaft sein. Kein gemeinsames Vorgehen liege vor, wenn die Bestellung nicht der Beherrschung, sondern lediglich der optimalen Besetzung der Position diene. Das Stimmverhalten der Familie E***** basiere insbesondere auf den Empfehlungen der Institutional Shareholder Services Inc („ISS“), der Glass Lewis & Co, LLC sowie des IVA („Interessenverband für Anleger“). Bei der Neubesetzung im Verwaltungsrat der c***** sei lediglich auf eine optimale sowie den Empfehlungen der Stimmrechtsberater entsprechende Besetzung der Positionen durch zwei unabhängige Mitglieder, nämlich P***** H***** und Dr. A***** P*****, geachtet worden. In Anbetracht der Anzahl der zu vergebenden Positionen im Verwaltungsrat der c***** könne weder eine nachhaltige Einflussnahme auf die Gesellschaft noch eine dauernde Beeinflussung der Geschäftsführung stattfinden.

Die Familie E***** habe unmöglich eine materielle Kontrolle über die c***** ausüben können. Unterhalb der Beteiligungsschwelle von 30 % sei § 92 Z 7 BörseG nicht anwendbar. Dkfm. E***** und seine Angehörigen seien daher von dieser Vorschrift nicht erfasst und hätten somit gegen keine börsengesetzlichen Meldepflichten verstoßen.

II. Vorbringen der Beklagten

Die Beklagte brachte in ihren Klagebeantwortungen vom 14. 7. 2014 und 11. 8. 2014 vor, die börserechtliche Beteiligungspublizität stelle unter anderem eine frühzeitige Ergänzung des Übernahmerechts, einen Vorfeldschutz, dar. Dieser Vorfeldschutz müsse im Zeitverlauf viel früher ansetzen, um mögliche künftige übernahmerechtliche Sachverhalte transparent zu machen. Die Zurechnungsbestimmung des § 92 Z 7 BörseG iVm § 23 Abs 1 ÜbG müsse daher als zeitlich vorgelagerte Verhaltenspflicht verstanden werden. Eine Zusammenrechnung setze daher weder voraus, dass die Stimmrechte der beteiligten Rechtsträger die übernahmerechtliche formale Kontrollschwelle überschreiten, noch dass materielle Kontrolle im übernahmerechtlichen Sinn angestrebt werde. Das BörseG solle nämlich jedes Zusammenwirken der Aktionäre bei Erreichen der Meldeschwellen transparent machen, sodass das Zusammenwirken - mit oder ohne Kontrollübernahmeabsicht - relevant sei. Das Tatbestandsmerkmal der Erlangung bzw Ausübung der Kontrolle sei im Interesse einer normativ bezweckten Transparenz vielmehr extensiv auszulegen. Bei Gesamtbetrachtung der einzelnen Momente vom Erwerb der Beteiligungen im Zuge der K*****-Transaktion bis zur Ausübung der Aktionärsrechte sowohl in der 12. als auch in der 13. ordentlichen Hauptversammlung der c***** ergebe sich deutlich das Gesamtbild des gemeinsamen Vorgehens der Familie E*****. Dieses sei auch nach übernahmerechtlichen Standards relevant. In der Hauptversammlung 2014 sei das Aktienpaket der Familie E***** das beschlussentscheidende „Zünglein an der Waage“ gewesen. Darin liege keine bloße Minderheitsposition, die nicht kontrollrelevant wäre. Eine Absprache über die Wahl von Verwaltungsratsmitgliedern sei notwendigerweise auch auf eine Beeinflussung der Geschäftsführung der Gesellschaft gerichtet und damit kontrollrelevant. Dkfm. E*****, John F***** E*****, Karl P***** E***** und Ingrid E***** seien demnach als gemeinsam vorgehende Aktionäre der c***** im Sinne von § 23 Abs 1 iVm § 1 Z 6 ÜbG anzusehen. Das gemeinsame Vorgehen werde nach § 1 Z 6 ÜbG auch gesetzlich vermutet.

III. Unterbrechungsbeschluss

Das Handelsgericht Wien unterbrach zur Frage der Verletzung der börserechtlichen Meldepflicht nach § 92 Z 7 BörseG das zwischen den Streitteilen anhängige Verfahren gemäß § 29 Abs 2 ÜbG und übermittelte den Akt der Übernahmekommission zur Beurteilung der Vorfrage, ob die Aktien von John F*****, Karl P***** und Dkfm. Karl E***** gemäß § 23 Abs 1 oder 2 ÜbG zusammenzurechnen seien.

IV. Bescheid der Übernahmekommission

Mit Bescheid vom 18. 3. 2015 stellte die Übernahmekommission fest, dass die von Dkfm. Karl E*****, Karl P***** E***** und John F***** E***** gehaltenen Beteiligungspapiere an der Beklagten diesen Aktionären nicht gemäß § 23 Abs 1 ÜbG wechselseitig zuzurechnen seien. Auch seien die von den beiden Söhnen gehaltenen Beteiligungspapiere an der Beklagten dem Vater nicht gemäß § 23 Abs 2 ÜbG einseitig zuzurechnen.

Dabei ging die Übernahmekommission von folgendem Sachverhalt aus:

c***** SE („c*****“ oder „Zielgesellschaft“), eingetragen unter FN *****, ist eine monistische Societas Europeas (SE) mit Sitz in Wien. Das Grundkapital beträgt 426.796.365 EUR und ist in 85.359.273 Stück unterteilt, welche im Amtlichen Handel der Wiener Börse zugelassen sind und im Segment Prime Market notiert werden. C***** unterliegt daher gemäß § 2 ÜbG dem Vollanwendungsbereich des Übernahmegesetzes. Der derzeitige Aktienkurs liegt bei 12,395 EUR (Stand: 13. 3. 2015), woraus eine Marktkapitalisierung von rund 1.058 Mrd EUR resultiert. Am 16. 2. 2015 waren beim Börsekurs der c***** deutliche Aufwärtsbewegungen festzustellen, die auf die Bekanntgabe der Absicht der D***** AG, ein freiwilliges Angebot zur Kontrollerlangung gemäß § 25a ÜbG zu legen, zurückzuführen sind.

Den Verwaltungsrat der c***** bilden derzeit Mag. K***** G***** (Vorsitzende), DI Alexander T***** (stellvertretender Vorsitzender) und Mag. Dr. Evelin S***** (Mitglied). Darüber hinaus wurden in der Hauptversammlung vom 7. 5. 2014 Dr. A***** S***** sowie Dr. M***** P***** in den Verwaltungsrat gewählt; diese wurden aufgrund gerichtsanhängiger und hier entscheidungsgegenständlicher Anfechtungsklagen noch nicht ins Firmenbuch eingetragen.

Geschäftsführende Direktoren sind derzeit Mag. Thomas D***** und Mag. Clemens S*****.

C***** hielt zum Zeitpunkt der 13. ordentlichen Hauptversammlung am 7. 5. 2014 2.576.464 eigene Aktien. Dies entspricht einem Anteil des Grundkapitals von 3,02 %.

C***** GmbH („C*****“), eingetragen unter FN *****, ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Wien. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 35.000 EUR. Alleingesellschafter-Geschäftsführer ist Dr. A***** P*****. C***** ist Kläger im Anfechtungsprozess vor dem Handelsgericht Wien mit der AZ 34 Cg 40/14k.

P***** A***** LLP („P*****“) ist eine von der Financial Conduct Authority (FCA) regulierte Investmentgesellschaft mit Sitz in London, die Investoren im Hinblick auf nachhaltige Wertsteigerungen ihres Kapitals berät. Gründer und Managing Partner von P***** A***** ist Klaus U*****.

Dkfm. Karl E*****, geboren am *****, ist ein Hamburger Kaufmann und mit Ingrid E*****, geboren am *****, verheiratet. Seine beiden Söhne sind Karl P***** E*****, geboren am *****, und John F***** E*****, geboren am *****. Dkfm. Karl E***** ist Kläger im Anfechtungsprozess vor dem Handelsgericht Wien zu AZ 34 Cg 49/14h (davon AZ 23 Cg 35/14v).

Die Verfahren AZ 34 Cg 40/14k und AZ 34 Cg 49/14h wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Zur Frage der...

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