Entscheidungs 7Ob106/19t. OGH, 16-12-2019

ECLIECLI:AT:OGH0002:2019:0070OB00106.19T.1216.000
Date16 Diciembre 2019
Record NumberJJT_20191216_OGH0002_0070OB00106_19T0000_000
Judgement Number7Ob106/19t
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. A***** S*****, vertreten durch Dr. Sebastian Schumacher, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei R***** AG, *****, vertreten durch die Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, und deren Nebenintervenientin C***** GmbH in Liquidation, *****, vertreten durch die Wess Kux Kispert & Eckert Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen 53.468,49 EUR sA und Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. April 2019, GZ 129 R 26/19w-52, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 19. Dezember 2018, GZ 64 Cg 19/16w-46, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil wie folgt zu lauten hat:

1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei

a. Zug um Zug gegen die Abgabe des Angebots, der beklagten Partei die Hälfte ihrer Rechte betreffend die Kommanditanteile an der Siebenundvierzigste Sachwert Rendite-Fonds Holland GmbH & Co KG abzutreten, den Betrag von 7.421,19 EUR;

b. Zug um Zug gegen die Abgabe des Angebots, der Beklagten die Hälfte ihrer Rechte betreffend die Kommanditanteile an der Einundfünfzigste Sachwert Rendite-Fonds Holland GmbH & Co KG abzutreten, den Betrag von 11.452,55 EUR;

c. Zug um Zug gegen die Abgabe des Angebots, der Beklagten die Hälfte ihrer Rechte betreffend die Kommanditanteile an der Sechsundfünfzigste Sachwert Rendite-Fonds Holland GmbH & Co KG abzutreten, den Betrag von 7.860,49 EUR;

insgesamt daher den Betrag von 26.734,23 EUR samt 4 % Zinsen aus 64.114,05 EUR von 19. 2. 2015 bis 23. 1. 2017 und 4 % Zinsen aus 26.502,23 EUR von 24. 1. 2017 bis 6. 11. 2017 und 4 % Zinsen aus 26.734,23 EUR seit 7. 11. 2017 binnen 14 Tagen zu Handen des Klagevertreters zu bezahlen.

Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für die Hälfte aller Ansprüche, die im Zusammenhang mit der Beteiligung an der Siebenundvierzigste Sachwert Rendite-Fonds Holland GmbH & Co KG gegenüber der klagenden Partei geltend gemacht werden, haftet.

2. Hingegen wird das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei

a. Zug um Zug gegen die Abgabe des Angebots, der beklagten Partei die Hälfte ihrer Rechte betreffend die Kommanditanteile an der Siebenundvierzigste Sachwert Rendite-Fonds Holland GmbH & Co KG abzutreten, den Betrag von 7.421,20 EUR;

b. Zug um Zug gegen die Abgabe des Angebots, der Beklagten die Hälfte ihrer Rechte betreffend die Kommanditanteile an der Einundfünfzigste Sachwert Rendite-Fonds Holland GmbH & Co KG abzutreten, den Betrag von 11.452,56 EUR;

c. Zug um Zug gegen die Abgabe des Angebots, der Beklagten die Hälfte ihrer Rechte betreffend die Kommanditanteile an der Sechsundfünfzigste Sachwert Rendite-Fonds Holland GmbH & Co KG abzutreten, den Betrag von 7.860,50 EUR;

insgesamt daher den Betrag von 26.734,26 EUR samt 4 % Zinsen aus 64.114,05 EUR von 19. 2. 2015 bis 23. 1. 2017 und 4 % Zinsen aus 26.502,23 EUR von 24. 1. 2017 bis 6. 11. 2017 und 4 % Zinsen aus 26.734,26 EUR seit 7. 11. 2017 binnen 14 Tagen zu Handen des Klagevertreters zu bezahlen, und

es werde festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für die Hälfte aller Ansprüche, die im Zusammenhang mit der Beteiligung an der Siebenundvierzigste Sachwert Rendite-Fonds Holland GmbH & Co KG gegenüber der klagenden Partei geltend gemacht werden, hafte,

abgewiesen.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 2.101 EUR an Barauslagen des erstinstanzlichen Verfahrens zu ersetzen. Im Übrigen werden die Prozesskosten des erstinstanzlichen Verfahrens gegeneinander aufgehoben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei jeweils binnen 14 Tagen 1.073 EUR an Barauslagen des Berufungsverfahrens und 1.430,50 EUR an Barauslagen des Revisionsverfahrens zu ersetzen. Im Übrigen werden die Prozesskosten des Rechtsmittelverfahrens gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger zeichnete über Beratung durch die Beklagte folgende Beteiligungen:

am 22. 8. 2003 13.000 EUR an der Siebenundvierzigste Sachwert Rendite-Fonds Holland GmbH & Co KG (folgend: Holland 47);

am 16. 2. 2004 30.000 EUR an der „Michelangelo Star“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co KG (folgend: Michelangelo Star);

am 24. 2. 2004 20.000 EUR an der Einundfünfzigste Sachwert Rendite-Fonds Holland GmbH & Co KG (folgend: Holland 51);

am 19. 7. 2004 30.000 EUR an der „Miro Star“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co KG (folgend: Miro Star);

am 8. 2. 2005 30.000 EUR an der „Mahler Star“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co KG (folgend: Mahler Star) und

am 13. 3. 2005 20.000 EUR an der Sechsundfünfzigste Sachwert Rendite-Fonds Holland GmbH & Co KG (folgend: Holland 56).

Bei diesen Veranlagungen handelte es sich um Beteiligungen an geschlossenen Immobilien- bzw Schiffsfonds in der Rechtsform einer deutschen GmbH & Co KG. In Österreich wurden diese Kommanditbeteiligungen durch die Nebenintervenientin (folgend: C GmbH) vertrieben und für den Kläger treuhändig von der T***** GmbH (folgend: T GmbH) gehalten.

Zusätzlich zur Einlage bezahlte der Kläger bei jeder Beteiligung ein Agio, das letztlich der Beklagten für ihre Vermittlungstätigkeit zufloss. Bei Holland 51 und 56 betrug das Agio jeweils 750 EUR, beim Holland 47 390 EUR und bei den Schiffsfonds jeweils 1.125 EUR. Zusätzlich zu diesem Agio erhielt die Beklagte von der Emittentin Vermittlunsprovisionen von 1,5 % für Holland 47, je 3,125 % für Holland 51 sowie Holland 56 und je 3 % für Miro Star, Mahler Star und Michelangelo Star jeweils vom Nominalwert.

Der im Jahr 1974 geborene Kläger studierte nach der Matura Betriebswirtschaftslehre und machte im Februar 2000 seinen Abschluss. Nach dem Studium war der Kläger ausschließlich in der EDV-Branche tätig, zuletzt programmierte und konfigurierte er eine Software für personalwirtschaftliche Prozesse. Er verfügte zunächst über ein eigenes Vermögen von einigen zehntausend Schilling, das er auf Sparbüchern, einem Bausparvertrag und einem Depot mit vornehmlich gemischten Fonds veranlagt hatte.

Dem Kläger fiel 1999 eine Erbschaft von rund 20 Mio Schilling zu. Der Großteil der Erbschaft bestand aus einem Depot mit Aktien, Anleihen und Wertpapierfonds. Da der Kläger mit der Betreuung bei der früheren Bank nicht zufrieden war, wechselte er 1999 zur Beklagten. M***** S***** war sein Betreuer (folgend: Betreuer). Die Grundvorgabe des Klägers an den Betreuer für das Depot war eine langfristige Werterhaltung mit einer gewissen, die Inflation ausgleichenden Rendite, falls im Alter oder bei einer Änderung der Lebensumstände Geld benötigt werde.

Am 17. 9. 1999 unterschrieb der Kläger ein Formular der Beklagten („Anlageberatung“) betreffend einen einmaligen Anlagewunsch von ca 40.000 ATS. Darin wurde angekreuzt, dass der Kläger nicht bereit ist, Auskünfte über seine Veranlagungen und Verbindlichkeiten zu geben, weshalb er in Kauf nimmt, nur eingeschränkt beraten werden zu können. Einen generellen Beratungsverzicht – insbesondere bezogen auf die oben bezeichneten Investitionen – gab der Kläger nicht ab.

Der Kläger befasste sich selbst nicht eingehend mit seinem Depot. Anfänglich machte er gelegentlich noch selbst Veranlagungsvorschläge, weil diese aber zumeist wenig erfolgreich waren, unterließ er dies mit der Zeit. Dafür fehlte dem Kläger ab dem Beginn seiner Berufstätigkeit im Jahr 2000 auch die Zeit.

Von Beginn an machte der Betreuer Veranlagungsvorschläge, denen der Kläger, zumeist nachdem er den Grund für diese wissen wollte, im Großen und Ganzen folgte. Zunächst fanden Beratungsgespräche etwa halbjährlich in der Bank statt. Im Februar 2003 übersiedelte der Kläger nach England. Es war vereinbart, dass persönliche Beratungsgespräche anlässlich von Aufenthalten des Klägers in Wien stattfinden sollten; ansonsten sollte der Betreuer Vorschläge auch telefonisch oder per Mail erstatten.

Der Vorschlag zur Veranlagung in Holland 47 kam vom Betreuer. Am 22. 8. 2002 fand dazu ein Beratungsgespräch in Wien statt. Ob dem Kläger bereits zuvor Informationen zu diesem Produkt übermittelt worden waren, steht nicht fest. Jedenfalls hatte der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt keine Erfahrungen mit geschlossenen Fonds. Der Betreuer erklärte, dass dieser Fonds Immobilien in Holland in guter Lage besitze, die mit langfristigen Mietverträgen an renommierte Unternehmen vermietet seien. Es gebe regelmäßig Ausschüttungen, die durch Mietzinszahlungen gedeckt seien. In diesem Zusammenhang schaute man sich auch die im Verkaufsprospekt enthaltene Wirtschaftlichkeitsrechnung an, in der Ausschüttungen zwischen anfänglich 7 % bis hin zu 9 % nach zehn Jahren angeführt waren. Zu den Ausschüttungen erläuterte der Betreuer, dass diese schwanken oder auch einmal ausfallen könnten, nämlich dann, wenn ein Mietvertrag ende oder gekündigt werde. Die Ausschüttungen wurden vom Betreuer prognostiziert, regelmäßige Erträge aber nicht zugesagt. Die Laufzeit betrage zehn Jahre, danach werde die Einlage zurückbezahlt. Theoretische Risken, wie es die Insolvenz eines Schuldners darstelle, seien zu vernachlässigen. Die Einlage sei durch den Sachwert der Immobilien ausreichend gedeckt. Der Betreuer empfahl das Produkt als sichere Anlage, die eine gute Rendite verspreche zur Beimischung im Gesamtportfolio. Die Rückforderbarkeit der Ausschüttungen wurde nicht besprochen, ebenso wenig die Tatsache, dass anfängliche Ausschüttungen nicht durch Bilanzgewinne gedeckt sind. Dass den Kläger eine Kommanditistenhaftung treffen könnte, wurde nicht erwähnt. Umstände, die eine Senkung des Werts der Immobilien herbeiführen könnten, nannte der Betreuer nicht. Die rechtliche Konstruktion der Treuhandbeteiligung an einer deutschen...

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