Entscheidungs 7Ob110/08i. OGH, 05-11-2008

ECLIECLI:AT:OGH0002:2008:0070OB00110.08I.1105.000
Date05 Noviembre 2008
Judgement Number7Ob110/08i
Record NumberJJT_20081105_OGH0002_0070OB00110_08I0000_000
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadtgemeinde Salzburg, 5020 Salzburg, Schloss Mirabell, vertreten durch Univ.-Prof. Dr. Friedrich Harrer und Dr. Iris Harrer-Hörzinger, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, diese vertreten durch Dr. Reinfried Eberl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 925.506,87 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 26. Februar 2008, GZ 1 R 199/07a-85, mit dem das Teilzwischenurteil des Landesgerichts Salzburg vom 24. August 2007, GZ 5 Cg 6/03h-73, abgeändert wurde, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Aus Anlass der Revision werden die Entscheidungen der Vorinstanzen - soweit sie nicht bereits als unbekämpft in Teilrechtskraft erwachsen sind (Teilurteil auf Abweisung von 74.494,76 EUR samt 4 % Zinsen seit 15. 11. 2002) ersatzlos aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird das gesamte bisherige Verfahren für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen.

Sämtliche Verfahrenskosten werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt den Ersatz von zwischen 1997 und 2002 getätigten Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Aufsuchen und der Bergung von aus dem Zweiten Weltkrieg stammenden Fliegerbombenblindgängern auf in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken von (zuletzt) 925.506,87 EUR. Sie stützte sich dabei auf jeden erdenklichen Rechtsgrund sowie ausdrücklich auf Geschäftsführung ohne Auftrag und § 1042 ABGB, hilfsweise auf Amtshaftung.

Fliegerbombenblindgänger stellten weiterhin eine enorme Gefahr für Leben und Gesundheit dar, die sich durch Zeitablauf nicht vermindere, sondern vergrößere. Es müsse demnach alles unternommen werden, um diese Gefahr zumindest zu begrenzen. Die Aufwendungen dafür seien in den Verantwortungs- und Zuständigkeitsbereich der Beklagten gefallen, die jedoch trotz entsprechender Hinweise der Klägerin untätig geblieben sei. Ihr sei somit keine andere Möglichkeit geblieben, als der Gefahr durch Veranlassung der notwendigen Aufsuch- und Bergungsmaßnahmen zu begegnen. Unabhängig davon, ob man Fliegerbomben der alliierten Streitkräfte dem Waffen-, Munitions- und Sprengmittel- sowie Schießwesen (Art 10 Abs 1 Z 7 B-VG) oder den militärischen Angelegenheiten und Kriegsschadensangelegenheiten (Art 10 Abs 1 Z 15 B-VG) zuordne, liege die Zuständigkeit nach der verfassungsrechtlichen Ausgangslage bei der Beklagten. Die einfachgesetzliche Regelung des § 42 Abs 4 und 5 WaffG erfasse den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht; eine (einfach-)gesetzliche Regelung der gebotenen Such- und Sondierungsmaßnahmen betreffend Fliegerbombenblind- gänger sei bislang unterblieben. Die Abwehr von Gefahren sei aber polizeiliche Tätigkeit im Rahmen der Verwaltungspolizei; die Zuständigkeit dafür folge der Kompetenz des Sachgebiets, sodass der Bund verpflichtet gewesen wäre, die gebotene polizeiliche Tätigkeit zu entfalten. Die Haftung des Bundes ergebe sich aus der Eigentümerstellung im Hinblick auf die Bomben und die umfassende Zuständigkeit in Bezug auf Gesetzgebung und Vollziehung. Den Bund treffe eine Gefahrenabwendungspflicht.

Die Maßnahmen der Klägerin seien zweckmäßig gewesen. 52 Bombenverdachtspunkte seien sondiert worden, daraus 40 aus der Luftbildauswertung und 12 aus der Salzburger Bombenkarte. Von den Verdachtspunkten aus der Luftbildauswertung seien drei positiv gewesen. Die Nützlichkeit der Geschäftsführertätigkeit der Klägerin sei auch damit zu begründen, dass Haftungsrisken des Bundes minimiert oder ausgeschlossen würden. Auch die begrenzten Finanzierungsmöglichkeiten der Beklagten würden eine planvolle und sinnvolle Suchtätigkeit nicht hindern.

Eine Katastrophenbetreuung im Sinn des Salzburger Katastrophenhilfegesetzes habe mit dem systematischen Suchen von Fliegerbomben nichts zu tun.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete ein, das von der Klägerin geforderte Tätigwerden der Behörden der Beklagten könnte nur im Rahmen einer dieses Tätigwerden vorschreibenden gesetzlichen Bestimmung erfolgen. Dafür komme allein § 42 Abs 4 und 5 WaffG in Frage, der allerdings nur gefundene oder wahrgenommene Fliegerbombenblindgänger betreffe, nicht jedoch bloß vermutete. Weder die Salzburger Bombenkarte noch die von der Klägerin herangezogenen Luftbildauswertungen seien verlässlich genug, um von einer Wahrnehmung ausgehen zu können. Auch die Bohrlochsondierungsergebnisse würden beträchtliche Unsicherheiten aufweisen. Die Verpflichtung zur Gefahrenabwehr könne nur dort gegeben sein, wo ein Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich sei; hingegen reiche die entfernte Möglichkeit eines Schadens nicht aus. Die Beklagte habe daher keine Verpflichtung zur Gefahrenabwehr getroffen.

Anträge auf Entschädigung nach § 42 Abs 5 WaffG seien mit Bescheid zu erledigen. Ersatzansprüche gegen den Bund könnten durch Klage unter anderem erst nach Ablauf dreier Monate nach Einlangen des Antrags beim Bundesminister für Inneres geltend gemacht werden. Diese Frist sei zum Zeitpunkt der Klagseinbringung noch nicht abgelaufen gewesen, sodass der Rechtsweg noch gar nicht eröffnet sei.

Die Klägerin treffe ein überwiegendes Mitverschulden am Zustandekommen der hohen Klagsforderung, da sie trotz Kenntnis von den Bombenverdachtspunkten auf zahlreichen Flächen bis in die jüngste Vergangenheit Baugenehmigungen erteilt habe. Die Klägerin habe den Aufwand im eigenen Interesse und zum eigenen Vorteil getätigt, weshalb sowohl § 1042 ABGB als auch die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag ausscheiden müssten. Es treffe sie auch die Verletzung der Schadensminderungspflicht, da sie Aufträge auch freihändig ohne Einholung von Vergleichsanboten vergeben habe, wodurch um mehr als 100 % überhöhte Preise gezahlt worden seien. Die mit den Instandsetzungsarbeiten nach den Grabungen einhergehenden großzügigsten Neuasphaltierungen stellten eine Ersparnis für die Klägerin dar, weil ihr dieser Aufwand sonst durch die regelmäßig notwendige Erneuerung der Straßen erwachsen wäre. Hinsichtlich aller Positionen, die vor dem 10. 1. 2000 entstanden seien, werde Verjährung eingewendet, sofern für diese Ansprüche die dreijährige Verjährungsfrist gelte.

Nach § 1 Abs 1 des Salzburger Katastrophenhilfegesetzes sei unter einer Katastrophe ein durch elementare oder technische Vorgänge ausgelöstes Ereignis zu verstehen, dessen Folgen in größerem Umfang Menschen oder Sachen gefährden würden. Die Katastrophenpolizei umfasse sämtliche Maßnahmen, die der Abwehr und der Bekämpfung von Katastrophen dienten, dies einschließlich der Vorsorge dagegen. Kostenträger für die Katastrophenvorsorge sei das Land, sodass die Beklagte nicht passiv legitimiert sei. Die Aufwendungen durch die Klägerin seien der Katastrophenabwehr zuzuordnen.

Mangels gesetzlicher Regelung durch den Gesetzgeber bestehe keine Verpflichtung der Beklagten zur flächendeckenden Untersuchung von Fliegerbombenverdachtspunkten. Es bleibe dem einzelnen Grundeigentümer überlassen, seine Flächen auf eigene Kosten zu untersuchen. Die Klägerin habe daher weder eine Geschäftsführung vorgenommen, die im Interesse oder zum...

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