Entscheidungs 7Ob117/20m. OGH, 16-09-2020

ECLIECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00117.20M.0916.000
Record NumberJJT_20200916_OGH0002_0070OB00117_20M0000_000
Date16 Septiembre 2020
Judgement Number7Ob117/20m
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** H*****, vertreten durch Mag. Martin Divitschek und andere Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, gegen die beklagte Partei G***** AG, *****, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Wiedenbauer Mutz Winkler & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 20.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Jänner 2020, GZ 5 R 168/18i-22, womit das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 28. September 2018, GZ 3 Cg 106/17f-15, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung – unter Einschluss der in Rechtskraft erwachsenen Abweisung von 800 EUR sA – insgesamt wie folgt lautet:

„Die Klagsforderung besteht mit 19.200 EUR zu Recht.

Die Gegenforderung besteht mit 14,69 EUR zu Recht.

Die beklagte Partei ist daher schuldig, der klagenden Partei 19.185,31 EUR samt 4 % Zinsen seit 29. 7. 2016 binnen 14 Tagen zu zahlen.

Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei weitere 814,69 EUR samt 4 % Zinsen seit 29. 7. 2016 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.005,56 EUR (darin 543,76 EUR USt und 743 EUR Gerichtsgebühren) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.613,46 EUR (darin 530,41 EUR USt und 1.431 EUR Gerichtsgebühren) bestimmten Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Verbraucher, österreichischer Staatsbürger und wohnt in Österreich. Er schloss mit der Beklagten, einem in Deutschland ansässigen Versicherer, einen Vertrag über eine fondsgebundene Rentenversicherung mit Garantieleistungen „G***** VarioRent – ReFlex“ ab 1. 10. 2011 mit einer Laufzeit bis 1. 10. 2044.

Dem Kläger wurde im von ihm am 12. 8. 2011 unterfertigten Versicherungsantrag unter der Überschrift „Erklärungen und wichtige Hinweise für Versicherungsnehmer in Österreich“ unter anderem folgende Belehrung erteilt:

„Widerrufsrecht

Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 30 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Telefax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt, nachdem Sie den Versicherungsschein, die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die weitere Informationen nach § 7 Abs. 1 und 2 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) in Verbindung mit den §§ 1 bis 4 der VVG-Informationspflichtenverordnung und diese Belehrung jeweils in Textform erhalten haben. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an: G***** AG, *****, Deutschland.

● Widerrufsfolgen

Im Falle eines wirksamen Widerrufs endet der Versicherungsschutz, und wir erstatten Ihnen den auf die Zeit nach Zugang des Widerrufs entfallenden Teil der Beiträge, wenn Sie zugestimmt haben, dass der Versicherungsschutz vor dem Ende der Widerrufsfrist beginnt. Den Teil des Beitrags, der auf die Zeit bis zum Zugang des Widerrufs entfällt, dürfen wir in diesem Fall einbehalten; dabei handelt es sich pro Tag um einen Betrag in Höhe von 1/360 des von Ihnen für ein Jahr zu zahlenden Beitrags. Den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile nach § 169 des Versicherungsvertragsgesetzes zahlen wir Ihnen aus. Die Erstattung zurückzuzahlender Beiträge erfolgt unverzüglich, spätestens 30 Tage nach Zugang des Widerrufs. Beginnt der Versicherungsschutz nicht vor dem Ende der Widerrufsfrist, hat der wirksame Widerruf zur Folge, dass empfangene Leistungen und gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben sind.

● Besondere

Hinweise

Ihr Widerrufsrecht erlischt, wenn der Vertrag auf Ihren ausdrücklichen Wunsch sowohl von Ihnen als auch von uns vollständig erfüllt ist, bevor Sie ihr Widerrufsrecht ausgeübt haben. Soweit eine vorläufige Deckung erteilt wurde, endet diese mit dem Zugang des Widerrufs bei uns.

● Rücktrittsrecht

Die Darstellung der Regelung nach österreichischem Recht (§ 3b des österreichischen Konsumentenschutzgesetzes und § 5b des österreichischen Versicherungsvertragsgesetzes) entfällt, da durch das eingeräumte Widerrufsrecht alle diesbezüglichen Interessen zu Gunsten des Kunden gewahrt sind. Der Rücktritt ist in Schriftform gegenüber der G***** AG, Niederlassung Österreich, *****, ÖSTERREICH, zu erklären.“

Oberhalb einer Unterschrift des Klägers findet sich die Wortfolge:

„Für den von Ihnen beantragten Versicherungsvertrag wird in Übereinstimmung mit den Verbraucherinformationen deutsches Recht, insbesondere das deutsche Versicherungsvertragsgesetz, vereinbart. Soweit dieses zwingenden österreichischen Rechtsvorschriften (z.B. Konsumentenschutzgesetz) widerspricht, gilt das entsprechende österreichische Recht. [...]“

In der dem Kläger mit Schreiben vom 19. 9. 2011 übermittelten Versicherungspolizze finden sich folgende Belehrungen:

„Widerrufsrecht

Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 30 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Telefax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt, wenn Ihnen die Police, die Vertragsbestimmungen einschließlich unserer Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie die Vertragsinformationen (Produkinformationsblatt und Versicherungsinformationen) und diese Belehrung zugegangen sind. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an die G***** AG, [Adressen in der BRD].

Widerrufsfolgen

Im Falle eines wirksamen Widerrufs endet der Versicherungsschutz und wir erstatten Ihnen den Teil Ihres Beitrags, der auf die Zeit nach Zugang des Widerrufs entfällt.

Den Teil Ihres Beitrags, der auf die Zeit bis zum Zugang des Widerrufs entfällt, können wir einbehalten, wenn Sie zugestimmt haben, dass der Versicherungsschutz vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt. Wir erstatten Ihnen aber einen ggf. vorhandenen Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile nach § 169 Versicherungsvertragsgesetz.

Haben Sie eine solche Zustimmung nicht erteilt oder beginnt der Versicherungsschutz erst nach Ablauf der Widerrufsfrist, erstatten wir Ihnen den gesamten Beitrag.

Beiträge erstatten wir Ihnen unverzüglich, spätestens 30 Tage nach Zugang des Widerrufs.

Gültiges Recht

Auf Ihren Vertrag findet das Recht der Bundesrepublik Deutschland Anwendung. Die Vertragssprache ist deutsch.“

In den „Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die „G***** VarioRent – ReFlex“ (FR08-8) für Österreich“ der Beklagten finden sich in „Teil B: Allgemeine Bestimmungen“ folgende Regelungen:

㤠12 Mitteilungen РUmzug

(1) […]

(2) Auch alle anderen Mitteilungen, die Ihren Vertrag betreffen, erbitten wir so früh wie möglich schriftlich, damit wir genügend Zeit haben, uns auf Ihre Wünsche und Bedürfnisse einzustellen. Das betrifft z.B. Anträge auf Änderung Ihres Vertrages oder auch eine Kündigungserklärung.

[...]

§ 13 Anwendbares Recht – Gerichtsstand – Verjährung

(1) Auf Ihren Vertrag findet das Recht der Bundesrepublik Deutschland Anwendung. Alle in diesen Versicherungsbedingungen genannten Gesetze und Verordnungen bezeichnen jeweils die deutschen Gesetzestexte und Verordnungen. Soweit diese zwingenden Bestimmungen des österreichischen Konsumentenschutzrechts widersprechen, gilt das entsprechende österreichische Recht. […]“

Der Versicherungsvertrag wurde aufgrund eines Schreibens des Klägers vom 24. 4. 2016 ab 1. 10. 2016 beitragsfrei gestellt. Mit Schreiben vom 29. 7. 2016 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Versicherungsvertrag gemäß § 165a VersVG.

Der Kläger zahlte insgesamt 20.000 EUR an Prämien, worin eine Risikoprämie von 14,69 EUR und 800 EUR Versicherungssteuer enthalten waren.

Der Kläger...

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