Entscheidungs 7Ob2/16v. OGH, 30-11-2016

ECLIECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00002.16V.1130.000
Date30 Noviembre 2016
Judgement Number7Ob2/16v
Record NumberJJT_20161130_OGH0002_0070OB00002_16V0000_000
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U***** AG, *****, vertreten durch Walch Zehetbauer Motter Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die Beklagte D***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Dominik Schärmer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 91.413,50 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. November 2015, GZ 15 R 133/15m-12, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 28. Juni 2015, GZ 62 Cg 118/14m-8, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin war Transportversicherer der N***** GmbH (folgend: VN). Diese ersuchte am 26. 6. 2013 die Beklagte um ein Anbot für den Transport eines 20-Fuß-Containers nach Karachi (Pakistan). Der Anfrage waren drei Lieferscheine beigefügt, aus denen Gewicht und Anzahl der zu transportierenden Paletten (Colli) ersichtlich waren. Die Beklagte bot den Transport vom Werk der VN in S***** bis zum Hafen Karachi um den Fixpreis von 2.086 EUR an. Angeboten war, die Waren per LKW abzuholen, in einen 20-Fuß-Container zu verladen, nach Hamburg zu bringen und per Seefracht nach Karachi zu transportieren. Der Fußzeilentext des Anbots (E-Mail) der Beklagten enthielt (ua) den Hinweis: „Wir arbeiten ausschließlich auf der Grundlage der allgemeinen österreichischen Spediteurbedingungen (AÖSp), in der jeweils neuesten Fassung, soweit diesen nicht zwingende Bestimmungen (wie CMR, WA, MC, CIM usw.) entgegenstehen.“

Am 28. 6. 2013 sandte die VN den Transportauftrag an die Beklagte mit der Bitte um Abholung der Waren am 1. 7. 2013 und der Anforderung, die Waren im Hafen Karachi entweder am „Karachi International Container Terminal (KICT)“ oder am „Pakistan International Container Terminal (PICT)“ zu entladen. Dem E-Mail waren jeweils vier Rechnungen und Lieferscheine angehängt, aus denen sich (ua) das zu transportierende Stückgut mit insgesamt 32 Colli ergab.

Am 5. 7. 2013 „wurden die Waren im Werk der VN in S***** auf einen LKW der Beklagten verladen“. Zusätzlich dazu wurden „irrtümlich“ 14 Colli weiterer Waren auf den LKW verladen. Diese Waren waren nicht in dem per E-Mail vom 28. 6. 2013 erteilten Transportauftrag und den angeschlossenen Papieren enthalten, sondern hätten von einem anderen Transportunternehmen nach Indien geliefert werden sollen. Die insgesamt 46 Colli wurden per LKW zum Hamburger Hafen gebracht, dort in einem 20-Fuß-Container verstaut und nach Karachi verschifft.

Im Hafen von Karachi wurde die komplette Sendung gelöscht und dem bevollmächtigten Vertreter (Zollbroker) des Empfängers übergeben. Erst bei der zolltechnischen Überprüfung des Containers wurde festgestellt, dass statt der in den Frachtdokumenten angegebenen 32 Colli insgesamt 46 Colli geliefert worden waren. Dies führte zu Schwierigkeiten bei der Zollabwicklung. Die für Pakistan bestimmte Ware konnte erst verspätet und nach Bezahlung zusätzlicher Zollkosten dem Empfänger zugestellt werden. An Zollkosten und an aus der Verspätung resultierenden Entschädigungsleistungen bezahlte die VN insgesamt 8.393 EUR. Die für Indien bestimmte Ware konnte nicht wiedererlangt werden; ihr Einkaufswert betrug 83.020,50 EUR. Die Klägerin ersetzte als Transportversicherer der VN den Schaden von insgesamt 91.413,50 EUR.

Die Klägerin begehrt mit ihrer am 3. 11. 2014 beim Erstgericht eingebrachten Klage von der Beklagten gestützt auf § 67 VersVG den Ersatz der geleisteten 91.413,50 EUR sA. Es habe sich um einen multimodalen Transport gehandelt, weshalb das Haftungsrecht des Schadensortes maßgeblich sei. Da die für Indien vorgesehene Ware vom LKW-Fahrer der Beklagten irrtümlich abgeholt worden sei, sei der Schaden dem Straßentransport zuzuordnen. Aufgrund der Warenübernahme in S***** seien die CMR maßgeblich, deren zwingende Bestimmungen die AÖSp verdrängten. Es sei daher auch die dreijährige Verjährungsfrist nach Art 32 CMR maßgeblich. Die VN habe die Haftung der Beklagten bereits am 25. 10. 2013 geltend gemacht, wodurch eine allfällige Verjährung gehemmt sei. Überdies sei der Klägerin erst am 9. 8. 2014 mitgeteilt worden, dass die Ware nicht mehr habe aufgefunden werden können, weshalb selbst die Verjährungsfrist nach § 64 AÖSp gewahrt sei.

Die Vermengung der für Pakistan und Indien bestimmten Waren durch die Beklagte sei grob fahrlässig im Sinn des Art 29 CMR gewesen.

Selbst wenn man von einer deliktischen Haftung der Beklagten ausginge, lägen die Voraussetzungen nach § 1315 ABGB aufgrund der Untauglichkeit ihres LKW-Fahrers vor. Auch diese Ansprüche verjährten gemäß § 1489 ABGB erst nach drei Jahren.

Der in § 37 lit d bzw § 39 lit d AÖSp zu Gunsten des Spediteurs enthaltene Ausschluss eines Regresses des Versicherers binde Letzteren jedenfalls nicht, weil es sich dabei um einen Vertrag zu seinen Lasten handle, an dem er nicht beteiligt gewesen sei.

Die Beklagte bestritt das Klagsvorbringen und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der behauptete Schaden liege ausschließlich in der Sphäre der VN, Anhaltspunkte für ein Verschulden der Beklagten lägen nicht vor. Die Beladung hätten ausschließlich Mitarbeiter der VN vorgenommen, sodass diese für den Fahrer der Beklagten nicht kontrollierbar gewesen sei. Die Waren seien also nicht durch die Beklagte vermischt, sondern ihrem Fahrer durch die Versandabteilung der VN aufgrund eines Organisationsfehlers übergeben worden. Die Beklagte habe die komplette Sendung einschließlich der von der VN irrtümlich mitverladenen „Indien-Sendung“ ordnungsgemäß dem bevollmächtigten Vertreter (Zollbroker) des Empfängers übergeben. Erst bei der zolltechnischen Abwicklung habe sich herausgestellt, dass 14 Colli zu viel verladen worden seien. Die Beklagte habe in das Zollverfahren nicht eingreifen können. Dem von der VN vor Ort beauftragten Unternehmen sei es mangels Erfahrung nicht gelungen, das Gut aus der Zollbeschlagnahme zu befreien, obwohl dies durch entsprechende Erklärungen bzw einen Eigentumsnachweis möglich gewesen wäre. Der behauptete Anspruch der Klägerin sei daher bereits aufgrund des Alleinverschuldens ihrer VN nicht berechtigt.

Die Klägerin stehe mit der Beklagten in keiner Vertragsbeziehung betreffend die für Indien bestimmt gewesenen Waren. Eine deliktische Haftung der Beklagten scheide mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 1315 ABGB in Bezug auf die Fahrerin aus.

Nach dem vereinbarten § 64 AÖSp, aber auch nach § 414 UGB und Art 32 CMR seien allfällige Ansprüche der Klägerin verjährt.

Gemäß § 37 lit d AÖSp sei ein Regress der Klägerin ausgeschlossen. Schließlich wäre die Haftung nach § 54 lit a Z 2 AÖSp mit maximal 1.090,09 EUR beschränkt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte auf der Grundlage des eingangs zusammengefassten Sachverhalts rechtlich aus, dass die Parteien einen multimodalen Transport vereinbart hätten, bei dem sich die Ersatzpflicht des mit der Beförderung über die gesamte Strecke beauftragten Frachtführers nach der für das jeweilige Beförderungsmittel geltenden Haftungsordnung richte. Der Schaden sei erst im Anschluss an die per Seefracht zurückgelegte Strecke im Hafen von Karachi eingetreten, weil die Ware bis dorthin unbeschädigt und disponierbar gewesen sei. Die CMR würden nur für den Transport von Gütern auf der Straße gelten und kämen deshalb nicht zur Anwendung. Vielmehr seien die vereinbarten AÖSp maßgeblich. Gemäß § 39 lit d AÖSp (§ 37 lit d AÖSp) sei in dem Fall, dass der Auftraggeber selbst die Versicherung abgeschlossen habe, jeder Schadenersatzanspruch aus den gedeckten Gefahren gegen den Spediteur ausgeschlossen und ein solcher gehe auch nicht auf den Versicherer über. Die Regelung binde den Versicherer nur dann nicht, wenn der zugunsten des Spediteurs vereinbarte Haftungsausschluss unwirksam sei. Die Klägerin habe...

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