Entscheidungs 7Ob55/13h. OGH, 17-09-2013

ECLIECLI:AT:OGH0002:2013:0070OB00055.13H.0917.000
Date17 Septiembre 2013
Judgement Number7Ob55/13h
Record NumberJJT_20130917_OGH0002_0070OB00055_13H0000_000
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. P***** B*****, vertreten durch Engin-Deniz Reimitz Hafner Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. J***** L*****, vertreten durch Mag. Patrycja Gamsjäger, Rechtsanwältin in Wien, und die Nebenintervenientin A*****-AG, *****, vertreten durch Dr. Thomas Lederer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 103.238,69 EUR sA, über die außerordentlichen Revisionen der klagenden Partei und der beklagten Partei sowie der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. November 2012, GZ 3 R 84/11m-74, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 27. April 2011, GZ 22 Cg 52/02v-64, teilweise abgeändert wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

I. Die hinsichtlich der Abweisung von 22.447,53 EUR sA erhobene außerordentliche Revision der klagenden Partei (die Abweisung weiterer 13.448,48 EUR sA blieb unbekämpft) wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

II. Den außerordentlichen Revisionen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin wird teilweise Folge gegeben.

a) Das Urteil des Berufungsgerichts wird in seinem klagestattgebenden Teil (67.342,58 EUR sA) teilweise dahin abgeändert, dass es als Teilurteil lautet:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 38.746,17 EUR samt 4 % Zinsen pa seit 14. 5. 2002 bei sonstiger Exekution in ihre Entschädigungsforderung aus ihrer Berufshaftpflicht-
versicherung bei der A*****-AG binnen 14 Tagen zu bezahlen.

2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei weitere 23.640,69 EUR samt 4 % Zinsen pa seit 14. 5. 2002 bei sonstiger Exekution in ihre Entschädigungsforderung aus ihrer Berufshaftpflicht-
versicherung bei der A*****-AG binnen 14 Tagen zu bezahlen, wird abgewiesen.“

b) Im Übrigen (hinsichtlich der Forderung von 4.955,72 EUR sA) wird das klagestattgebende Urteil des Berufungsgerichts einschließlich der Entscheidungen über die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

c) Die Entscheidung über die Verfahrenskosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Über das Vermögen des Beklagten - eines vormaligen Rechtsanwalts - war seit Juli 1999 der Konkurs eröffnet. Nach rechtskräftiger Einleitung des Abschöpfungsverfahrens wurde der Konkurs mit Beschluss des Konkursgerichts vom 7. 12. 2004 aufgehoben.

Im März/April 1999 präsentierte Dr. H***** R***** dem Kläger (einem Steuerberater) und dem „wirtschaftlich hinter diesem stehenden“ R***** H*****, der wiederum für eine Investorengruppe tätig war, im Beisein des Beklagten ein scheinbar lukratives Konzept zum Betrieb einer Zahnarztordination und eine damit im Zusammenhang stehende Werbetätigkeit. Nach diesem Konzept sollte die zu gründende GmbH durch gezielte Werbemaßnahmen den Umsatz der von einem Zahnarzt zu betreibenden Zahnarztordination fördern. Die Gesellschaft sollte ihre Werbe- und Beratungstätigkeit den Patienten gegenüber unentgeltlich erbringen und über eine Beteiligung am Umsatz der Zahnarztordination finanziert werden. Angedacht war eine Gewinnaufteilung im Verhältnis 70 : 30 zwischen der Gesellschaft und dem Zahnarzt. Die Gesellschaft sollte die zum Betrieb der Zahnarztpraxis erforderlichen Einrichtungsgegenstände aus der Konkursmasse des damals im Konkurs befindlichen Zahnarztes kaufen und auf diese Weise einen Zwangsausgleich finanzieren. Anlässlich der Präsentation des Konzepts war auch von einem gescheiterten Vorgängerunternehmen die Rede, das zwei Fehler begangen habe, nämlich einerseits, dass in Werbetexten von „Behandlung“ die Rede gewesen sei, und andererseits, dass die bei der Gesellschaft beschäftigten Zahntechniker Patienten in den Mund geschaut hätten, wodurch es zu Problemen mit der Ärztekammer gekommen sei. Dr. H***** R***** erklärte, dass seitens der Ärztekammer nichts zu befürchten wäre, wenn diese Fehler nunmehr nicht wiederholt würden.

Der Kläger, der die Rolle des Financiers übernehmen sollte, war zu einer wirtschaftlichen Beteiligung nur unter der Voraussetzung bereit, dass die Tätigkeit der zu gründenden Gesellschaft und die von ihr durchzuführenden Werbemaßnahmen im Rahmen des rechtlich Zulässigen blieben und es zu keiner Kollision mit den einschlägigen ärztlichen Berufsausübungsvorschriften kommt. Das war dem Beklagten und den übrigen Beteiligten bekannt.

Der Beklagte widersprach zu keinem Zeitpunkt der Darstellung von Dr. H***** R*****, dass bei Vermeidung der Fehler der Vorgängergesellschaft keine Probleme mit der Ärztekammer zu befürchten seien. Er wies zu keinem Zeitpunkt darauf hin, dass die gewählte Konstruktion schon im Hinblick auf das Provisionsverbot des § 53 (Abs 2 und 3) ÄrzteG unzulässig sein könnte. Der Beklagte setzte sich mit dem Inhalt dieser Bestimmung nicht auseinander. Er ging der Darstellung von Dr. H***** R***** folgend davon aus, dass die Konstruktion an sich rechtlich zulässig sei.

Der Beklagte wurde nicht explizit mit der rechtlichen Beurteilung der von der Gesellschaft vorzunehmenden Werbetätigkeit im Zusammenhang mit den einschlägigen Berufsausübungsvorschriften, insbesondere nach dem ÄrzteG, beauftragt. Er wurde jedoch weder vom Kläger noch von R***** H***** oder einem sonstigen Beteiligten von der Prüfung der mit der geplanten Akquisitionstätigkeit der GmbH verbundenen Rechtsfragen entbunden. Weder der Kläger noch R***** H***** teilten dem Beklagten mit, dass ihnen die einschlägigen Rechtsvorschriften, insbesondere die Bestimmungen des § 53 ÄrzteG, bekannt seien. Derartiges gaben sie dem Beklagten auch sonst nicht zu erkennen.

Der Kläger sollte die erforderlichen Mittel im Rahmen einer „Darlehenskonstruktion“ bereitstellen. Weiters wurde vereinbart, dass aus den Gewinnen zunächst diese „Einlage“ an den Kläger zurückgezahlt werden sollte.

Der Kläger beauftragte in der Folge den Beklagten mit der Gründung der GmbH und der Verfassung eines Treuhandvertrags, wonach der Beklagte die Gesellschaftsanteile des Klägers (50 %), des Zahnarztes (40 %) und von Dr. H***** R***** (10 %) treuhändig als Alleingesellschafter halten sollte. Im Innenverhältnis war der Kläger nur zu 10 % selbst an der Gesellschaft beteiligt, die weiteren 40 % hielt er treuhändig für R***** H*****, der wiederum für eine Investorengruppe tätig war.

Mit der Errichtung eines „Ergebnisabführvertrags“ zwischen dem Zahnarzt und der GmbH und der Erstellung der vom Kläger grundsätzlich gewünschten Besicherungsverträge wurde der Beklagte nicht beauftragt.

Am 30. 4. 1999 erfolgte die Unterzeichnung des Treuhandvertrags. Am 3. 5. 1999 wurde die GmbH vom Beklagten errichtet. Die Eintragung im Firmenbuch erfolgte am 29. 7. 1999.

Im Zusammenhang mit der GmbH und dem Projekt betreffend deren Zusammenarbeit mit dem Zahnarzt leistete der Kläger „darlehensweise“ diverse Zahlungen, die er durch Privatentnahmen aus seinem Steuerberatungsunternehmen finanzierte.

Über das Vermögen des Zahnarztes war im Jahr 1998 das Konkursverfahren eröffnet worden. Um die Aufhebung des Konkurses durch Abschluss eines Zwangsausgleichs zu erreichen, verlangte dessen Masseverwalter einen Kaufpreis von 500.000 S für die Ordinationseinrichtung und darüber hinaus noch eine weitere Zahlung von 259.985,97 S. Der...

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