Entscheidungs 8ObA2/11v. OGH, 25-10-2011

ECLIECLI:AT:OGH0002:2011:008OBA00002.11V.1025.000
Date25 Octubre 2011
Judgement Number8ObA2/11v
Record NumberJJT_20111025_OGH0002_008OBA00002_11V0000_000
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Rolf Gleißner und Franz Kisling als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei BUAK Bauarbeiter Urlaubs- und Abfertigungskasse, 1050 Wien, Kliebergasse 1a, vertreten durch Mag. Vera Noss, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, D-*****, vertreten durch Ing. Mag. Klaus Helm, Rechtsanwalt in Linz, wegen 66.229,45 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. Oktober 2010, GZ 8 Ra 100/10z-22, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Beklagte ist ein in Deutschland ansässiges Unternehmen, das sich mit der Arbeitskräfteüberlassung befasst. Im Lauf des Jahres 2006 entsandte sie mehrere Arbeitnehmer vorübergehend für jeweils weniger als ein Jahr in österreichische Beschäftigerunternehmen, die dem BUAG unterlagen.

Die Klägerin begehrt in ihrer auf § 33h BUAG gestützten Klage die Zahlung der festgesetzten Lohnzuschläge für die Beschäftigung dieser Arbeitnehmer. Die Beklagte sei in Deutschland als Arbeitskräfteüberlasserin nicht in das deutsche Urlaubskassensystem einbezogen, sodass ihr keine Ausnahmeregelung iSd § 33i Abs 2 bzw 4 BUAG zugute komme.

Die Beklagte brachte vor, auf die Arbeitsverträge der entsendeten Leiharbeiter sei ausschließlich deutsches materielles Arbeitsrecht und daher auch das deutsche Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) anzuwenden, das hinsichtlich der Urlaubsansprüche bei Gesamtbetrachtung einen zumindest gleichwertigen Standard gewährleiste. Die Arbeitnehmer seien auch in Deutschland sozialversichert gewesen, die internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte werde bestritten.

Die betroffenen Arbeitnehmer hätten während ihrer Beschäftigung in Österreich Urlaub konsumiert und von der Beklagten Urlaubsentgelt oder Urlaubsabfindungen erhalten. Bei Bejahung einer Zuschlagspflicht nach dem BUAG käme es zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Besserstellung dieser Arbeitnehmer, weil sie deckungsgleiche Ansprüche auch gegenüber der Klägerin und damit im Ergebnis doppelte Ansprüche erwerben könnten. Andererseits werde die Beklagte gegenüber österreichischen Unternehmen in wettbewerbsverzerrender Weise benachteiligt. Die Anwendung des österreichischen BUAG auf deutsche Arbeitskräfteüberlasser widerspreche daher Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts.

Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruchs ein und wies das Klagebegehren ab. Die Einbeziehung ausländischer Arbeitgeber in ein Urlaubskassensystem des Beschäftigungsstaats sei zwar nach der Rechtsprechung des EuGH nicht grundsätzlich unzulässig, die Regelung des BUAG müsse aber im Verhältnis zu deutschen Unternehmen, die dem dBUrlG unterliegen, als überschießend beurteilt werden und verstoße wegen der damit verbundenen Doppelbelastung des Arbeitgebers gegen die Dienstleistungsfreiheit.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil über Berufung der Klägerin zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Zutreffend sei das Erstgericht von seiner internationalen und örtlichen Zuständigkeit ausgegangen, im Übrigen könne seiner rechtlichen Beurteilung aber nicht gefolgt werden.

Die Entsende-RL 96/71/EG erlaube den Mitgliedstaaten, unabhängig von dem auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Recht, für die auf ihr Hoheitsgebiet entsandten Arbeitnehmer bestimmte Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen wie im Inland zu regeln. Unter diese Ermächtigung falle auch die in Umsetzung dieser Richtlinie eingeführte streitgegenständliche Zuschlagsverpflichtung. Es begründe keinen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit, wenn eine nationale Regelung die entsendeten Arbeitnehmer eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmens in ein Urlaubskassensystem einbeziehe und ihnen damit Urlaubsansprüche garantiere, sofern sie im Entsendestaat keinen im Wesentlichen vergleichbaren Schutz genießen und ihnen daher ein deutlicher tatsächlicher Vorteil verschafft werde.

Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall zu bejahen, weil eine Erfassung des Arbeitgebers nach dem allgemeinen deutschen Urlaubsrecht speziell für Arbeitnehmer im Baugewerbe keinen „vergleichbaren Schutz“ iSd § 33i Abs 4 BUAG biete. Der Beklagten dürfe auch gegenüber inländischen Personalverleihunternehmen, die - anders als in Deutschland - in das System des BUAG einbezogen seien, kein ungerechtfertigter Wettbewerbsvorteil entstehen. Eine Doppelbelastung der Beklagten könne nicht eintreten, weil für die Dauer des grenzüberschreitenden Arbeitseinsatzes das Arbeitsrechtsstatut in den von der Entsenderichtlinie definierten Bereichen vom österreichischen Arbeitsrecht überlagert werde, soweit es für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen enthalte. Die Frage, ob bereits bezahlte Urlaubsgelder oder -abfindungen auf die Zuschläge anrechenbar sein könnten, berühre jedenfalls nicht die Zuschlagspflicht dem Grunde nach.

Da einerseits strittig sei, ob alle in die Zuschlagsberechnung einbezogenen Arbeitnehmer tatsächlich als Bauarbeiter beschäftigt waren, andererseits auch noch Feststellungen zur Höhe der Klagsforderung fehlten, sei eine Verfahrensergänzung durch das Erstgericht erforderlich. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei jedoch zuzulassen, weil noch keine höchstgerichtliche Judikatur über die richtlinienkonforme Auslegung der §§ 33d ff BUAG bezüglich der Einbeziehung deutscher Arbeitskräfteüberlasser in das Zuschlagsverfahren bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Der von...

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