Entscheidungs 9Ob11/08w. OGH, 20-08-2008

ECLIECLI:AT:OGH0002:2008:0090OB00011.08W.0820.000
Judgement Number9Ob11/08w
Record NumberJJT_20080820_OGH0002_0090OB00011_08W0000_000
Date20 Agosto 2008
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Gemeinde J*****, vertreten durch Dr. Klaus Rinner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei Ö*****, vertreten durch Koller & Schreiber, Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, wegen Unterlassung und einstweiliger Verfügung, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 9. Jänner 2008, GZ 5 R 67/07b-9, womit der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 14. November 2007, GZ 11 Cg 199/07y-3, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass sie insgesamt zu lauten hat:

1. Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen soweit sich die gefährdete Partei auf § 3 der Post-Universaldienstverordnung sowie § 16 der Tiroler Gemeindeordnung stützt.

2. Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens über den Antrag der klagenden Partei auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung aufgetragen, soweit sich die gefährdete Partei auf ein privatrechtliches Rechtsverhältnis als Privatkunde mit der Gegnerin der gefährdeten Partei stützt.

Die gefährdete Partei ist schuldig der Gegnerin der gefährdeten Partei

500,66 EUR (darin 83,33 EUR an USt) der Kosten des erstgerichtlichen Verfahrens

626,16 EUR (darin 104,36 EUR an USt) der Kosten des Rekursverfahrens und

838,32 EUR (darin 139,78 EUR an USt) der Kosten des Revisionsrekursverfahrens

binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Gemeinde als klagende und gefährdete Partei (im Folgenden Klägerin) begehrt, die Beklagte und Gegnerin der gefährdeten Partei (im Folgenden Beklagte) schuldig zu erkennen, sämtliche Maßnahmen zur Schließung und zur Verringerung der bisher angebotenen Dienste des näher bezeichneten Postamtes der Gemeinde zu unterlassen; damit verbunden ist ein gleichlautender Sicherungsantrag.

Zur Begründung brachte die Klägerin zusammengefasst vor, die Beklagte beabsichtige, das im Gemeindegebiet der Klägerin gelegene Postamt mit 30. 11. 2007 zu schließen. Die beklagte Partei sei nach § 4 PostG iVm § 5 PostG verpflichtet, bei Erbringung des bundesweiten Universaldienstes eine flächendeckende Grundversorgung sicherzustellen, deren Kriterien in § 3 der Post-Universaldienstverordnung (BGBl II 100/2002 UDVO) geregelt seien. Aufgrund § 3 Abs 2 UDVO gelte durch das derzeit bestehende Netz an Post-Geschäftsstellen eine flächendeckende Versorgung als gegeben, womit eine Bestandsgarantie ausgesprochen sei. Nur unter den Voraussetzungen des § 3 Abs 3 bis 5 UDVO dürfe ein bestehendes Postamt geschlossen werden. Diese Voraussetzungen seien für das Gemeindegebiet der Klägerin nicht gegeben. Die Zulässigkeit des Rechtswegs sei zufolge der Entscheidung 3 Ob 190/05w zu bejahen. Die Schließung eines Postamtes sei kein hoheitliches Handeln eines Rechtsträgers, vielmehr bestehe ein Unterlassungsanspruch einer Gemeinde gegen ein Privatrechtssubjekt, der den bürgerlich-rechtlichen Ansprüchen zuzurechnen sei. Die „Aktivlegitimation" leite die Klägerin primär aus § 3 Abs 4 und 5 UDVO ab, welcher der Gemeinde ein Mitspracherecht einräume. Die „Aktivlegitimation" stützte die Gemeinde aber auch auf § 16 Abs 1 Tiroler Gemeindeordnung, wonach der eigene Wirkungsbereich der Gemeinde unter anderem alle Angelegenheiten umfasse, die im ausschließlichen oder überwiegendem Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet seien, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden. Letztlich stützt sich die Klägerin auch auf ein „privatrechtliches Rechtsverhältnis" der Klägerin zur Beklagten, da sie auch deren Privatkunde sei. Zum Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung brachte die Klägerin vor, dass die Schließung des Postamtes per 31. 11. 2007 zweifelsohne eine Veränderung des bisherigen Zustands darstelle, welcher die gerichtliche Verfolgung des angestrebten Anspruchs auf Unterlassung vereitle. Da der Klageanspruch auf eine dauerhafte Unterlassung gerichtet sei, während mit der einstweiligen Verfügung nur ein befristetes Verbot begehrt werde, greife die beantragte einstweilige Verfügung auch der Entscheidung über die Klage nicht vor. Der Gemeinde drohe durch die Schließung des Postamtes ein unwiederbringlicher Schaden, weil dies in die Infrastruktur der Gemeinde eine spürbare Lücke reiße. Dies mindere die Attraktivität der Gemeinde als Wirtschaftsstandort und Tourismusziel erheblich.

Die Bekla...

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