Entscheidungs 9Ob28/19m. OGH, 25-06-2019

ECLIECLI:AT:OGH0002:2019:0090OB00028.19M.0625.000
Date25 Junio 2019
Judgement Number9Ob28/19m
Record NumberJJT_20190625_OGH0002_0090OB00028_19M0000_000
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** eGen, *****, vertreten durch KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei G*****, Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Brunner, Rechtsanwalt in Wien, wegen 80.438,80 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 71.716,80 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Februar 2019, GZ 4 R 150/18k-34, womit das Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom 28. August 2018, GZ 47 Cg 84/17d-30, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht

zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist eine als Genossenschaft organisierte Regionalbank. Die M***** Gesellschaft mit beschränkter Haftung (nachfolgend kurz als „M*****-GmbH“ bezeichnet) war eine Kundin der Klägerin.

Die Beklagte ist eine gemeinnützige Bauvereinigung, Eigentümerin zahlreicher Liegenschaften und der darauf (von ihr) errichteten Wohnhausanlagen, daher Bauherrin und Auftraggeberin bei vielen Bauprojekten. Zwischen der Beklagten als Auftraggeberin und der M*****-GmbH als Auftragnehmerin bestand eine jahrelange Geschäftsbeziehung, im Rahmen derer die M*****-GmbH für die Beklagte Baumeister- und Zimmermeisterarbeiten für verschiedene Bauvorhaben erbrachte. Ein im Rahmen dieser Geschäftsbeziehung zuletzt errichtetes Bauvorhaben war RHA Bad G***** 9 WE, Objekt Nr 5970, Auftragsnummer 5970/001 (nachfolgend kurz als „Bauvorhaben Bad G***** 9 WE“ bezeichnet). Diesbezüglich hatte die Beklagte die M*****-GmbH mit Verträgen vom 20. 2. 2009 mit der Durchführung von Baumeister- und von Zimmermeisterarbeiten beauftragt.

Mit E-Mail vom 14. 7. 2011 trat die M*****-GmbH mit dem nachstehenden Wunsch an die Klägerin heran:

„[…] Ich ersuche um Ausstellung von 2 Haftbriefen an die [Beklagte] gemäß beiliegendem Muster.

1. Bauvorhaben: RHA Bad G***** 9 WE, Objekt Nr. 5970 Auftrags-Nr.: 5970/001, Baumeisterarbeiten - € 63.052,06.

2. Bauvorhaben: RHA Bad G***** 9 WE, Objekt Nr. 5970 Auftrags-Nr.: 5970/001, Zimmermeisterarbeiten - € 17.386,74

Laufzeit: 01.08.2015 [...]“. Der E-Mail war das Muster einer beklagtenseits erstellten Bankgarantie angeschlossen.

Die Klägerin stellte im Auftrag der M*****-GmbH zugunsten der Beklagten zwei Bankgarantien in Form von sogenannten Haftrücklassgarantien zur Besicherung von Ansprüchen im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben Bad G***** 9 WE aus. Die – wortgleichen und jeweils bis 1. 8. 2015 gültigen – Bankgarantien lauteten auszugsweise:

Wir haben davon Kenntnis, dass in dem zwischen Ihnen und der [M*****-GmbH] anlässlich der Übertragung von Arbeiten (Lieferungen) betreffend Bauvorhaben: RHA Bad G***** 9 WE, Objekt-Nr.: 5970 Auftrags-Nr.: 5970/001, Baumeisterarbeiten [in der anderen Bankgarantie: Zimmermeisterarbeiten; Anm], abgeschlossenen Vertrag die Zurückbehaltung eines Haftrücklasses von der Bruttorechnungssumme vereinbart wurde, der erst nach Beendigung der Haftungsdauer frei wird.

Es ist uns ferner bekannt, dass Sie sich bereit erklärt haben, diesen Haftrücklass vorzeitig gegen Beibringung einer Bankgarantie auszubezahlen.

Wir garantieren und verpflichten uns hiermit unwiderruflich für uns und unsere Rechtsnachfolger Ihnen gegenüber, auf Ihre jeweils erste Anforderung und unabhängig von dem oben genannten Grundverhältnis, unbeschadet seiner Gültigkeit, Richtigkeit, Rechtswirksamkeit und Rechtswirkungen, vorbehaltlos, ohne jegliche Bedingungen und insbesondere auch ohne Prüfung des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses, der Höhe der Forderungen und deren Fälligkeit sowie, ob Ihrem Verlangen Einwendungen aus dem Grundverhältnis entgegenstehen, unter Verzicht auf jegliche Einwendungen unsererseits und sonstiger Dritter, sowie unter Verzicht auf die Geltendmachung jeglicher etwaiger Zurückbehaltungsrechte und Aufrechnungsmöglichkeiten, jeden Betrag beziehungsweise jede Beträge bis zu einem Höchstbetrag von insgesamt

€ 63.052.06 (in Worten […])

[in der anderen Bankgarantie: € 17.386,74; Anm]

binnen drei Tagen, nachdem wir aus dieser Garantie mit schriftlicher Aufforderung in Anspruch genommen worden sind, auf das uns von Ihnen bezeichnete Bankkonto zu überweisen. [...]

Die Klägerin verwendete für die Bankgarantien das ihr mit E-Mail vom 14. 7. 2011 zur Verfügung gestellte Muster. Nicht festgestellt werden kann, ob die Bezugnahme auf das Bauvorhaben Bad G***** 9 WE bereits in dem Entwurf der Bankgarantien der Beklagten enthalten war oder ob dieser erst von der Klägerin vor Ausstellung der Bankgarantien aufgenommen wurde.

Hinsichtlich der ausgestellten Bankgarantien gab es zwischen den Streitteilen vor Ausstellung der Bankgarantien durch die Klägerin weder persönliche oder telefonische Besprechungen noch eine schriftliche Korrespondenz.

Die Klägerin wollte die gegenständlichen Bankgarantien ausschließlich für das von der M*****-GmbH für die Beklagte geführte Bauvorhaben Bad G***** 9 WE ausstellen. Ein anderer Wunsch der M*****-GmbH ist der E-Mail vom 14. 7. 2011 auch nicht zu entnehmen. Es entsprach nicht dem Willen der Klägerin, einer „liegenschaftsübergreifenden“ Verrechnung der Bankgarantien (über das Bauvorhaben Bad G***** 9 WE hinaus auch auf andere von der M*****-GmbH geführte Bauvorhaben der Beklagten) zuzustimmen.

Mit Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 2. 7. 2013 wurde über das Vermögen der M*****-GmbH der Konkurs eröffnet und ein Rechtsanwalt zum Masseverwalter bestellt.

Mit Schreiben vom 21. 7. 2015, bei der Klägerin am 23. 7. 2015 eingegangen, rief die Beklagte die gegenständlichen Bankgarantien bei der Klägerin ohne nähere inhaltliche Begründung ab. Die Schreiben enthielten den Bezug „Bankgarantie vom 18. 7. 2011 – Baumeisterarbeiten [M*****-GmbH], BVH Bad G***** 9 WE“ bzw „Bankgarantie vom 18. 7. 2011 – Zimmermeisterarbeiten [M*****-GmbH], BVH Bad G***** 9 WE“.

Aufgrund des erfolgten Abrufs brachte die Klägerin die Garantiebeträge von 63.052,06 EUR für Baumeisterarbeiten und 17.336,74 EUR für Zimmermeisterarbeiten innerhalb der vorgesehenen 3-Tages-Frist zur Zahlung an die Beklagte.

Mit Schreiben vom 24. 7. 2015 forderte die Klägerin die Beklagte auf, ihr eine Rechtfertigung über die angeforderten Beträge bzw eine Anzeige über die zu Grunde liegenden Mängel bis zum 5. 8. 2015 zu übermitteln.

Die Beklagte antwortete der Klägerin mit Schreiben vom 29. 7. 2015, in welchem sie insbesondere festhielt: „[...] In diesem Zusammenhang dürfen wir kurz nochmals zusammenfassen, dass aufgrund des Konkursfalles eine liegenschaftsübergreifende Aufrechnung der von der Fa. M***** zu vertretenden Schadensfälle mit den vorhandenen Bankgarantien erfolgt ist. Hievon sind auch die beiden nunmehr betroffenen Bankgarantien erfasst. [...]“.

Die Klägerin begehrt die Rückzahlung des von ihr an die Beklagte geleisteten Betrags von 80.438,80 EUR samt Zinsen. Die Bankgarantien hätten sich eindeutig nur auf das Bauvorhaben RHA Bad G***** 9 WE bezogen. Einer „liegenschaftsübergreifenden“ Bankgarantie hätte die Klägerin niemals zugestimmt. Wie aus ihrem Antwortschreiben vom 29. 7. 2019...

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