Entscheidungs 9ObA8/15i. OGH, 25-02-2016

ECLIECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00008.15I.0225.000
Date25 Febrero 2016
Record NumberJJT_20160225_OGH0002_009OBA00008_15I0000_000
Judgement Number9ObA8/15i
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johanna Biereder und Mag. Matthias Schachner in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich *****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, gegen die beklagte Partei M***** V*****, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, und die auf Seiten der beklagten Partei beigetretene Nebenintervenientin V***** - AG, *****, vertreten durch Dr. Manfred Steininger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 231.152 EUR sA und Feststellung (Streitwert: 5.000 EUR) (Rekursinteresse der klagenden Partei: 152.696,34 EUR sA; Revisionsinteresse der beklagten Partei und der Nebenintervenientin: 78.455,66 EUR sA; Rekursinteresse der beklagten Partei und der Nebenintervenientin: 157.696,34 EUR sA), über die Revisionen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin sowie die Rekurse der klagenden Partei, der beklagten Partei und der Nebenintervenientin gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Oktober 2014, GZ 12 Ra 49/14h-19, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 18. März 2014, GZ 32 Cga 156/13a-14, teilweise Folge gegeben und das Ersturteil teilweise bestätigt, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

1. Der Rekurs der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

2. Den Revisionen und den Rekursen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin wird jeweils keine Folge gegeben.

3. Die Kostenentscheidung ist der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Republik Österreich wurde im Amtshaftungsverfahren ***** des Landesgerichts Salzburg mit Urteil vom 1. Mai 2012 nach erfolgloser Berufung und erfolgloser Revision (1 Ob 250/12i) verurteilt, an den Ersatzwerber H***** H***** einen Betrag von 225.303,40 EUR samt Stufenzinsen und Prozesskosten von 112.723,31 EUR zu bezahlen. Grundlage für den Amtshaftungsanspruch war eine unrichtige Rechtsauskunft des Gerichtskommissärs Notar Dr. ***** V***** im Verlassenschaftsverfahren nach der am ***** 1998 verstorbenen B***** H*****, der geschiedenen Ehefrau des Ersatzwerbers und Mutter der zwei gemeinsamen minderjährigen Töchter (geboren 1983 und 1984). Im Vertrauen auf die Auskunft des Gerichtskommissärs verkaufte der Ersatzwerber, dem nach dem Tod der Mutter die Obsorge über die Töchter erteilt worden war, im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens die erbliche Wohnung der Töchter und tätigte mit dem Erlös Investitionen in den Bau eines neuen Hauses. Mangels pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung mussten die Investitionen rückabgewickelt werden, wodurch dem Ersatzwerber der im Amtshaftungsverfahren zugesprochene Schaden entstand. Der dem Amtshaftungsverfahren als Nebenintervenient beigetretene Gerichtskommissär verstarb am 22. Oktober 2009. Sein Nachlass wurde mit Einantwortungsbeschluss vom 8. Mai 2012 zur Gänze der nunmehrigen Beklagten als erblicher Witwe mit der Rechtswohltat des Inventars eingeantwortet. Die Republik zahlte nach Abschluss des Amtshaftungsverfahrens am 29. März 2013 an den Ersatzwerber einen Betrag von 446.350,14 EUR.

Das vorliegende Verfahren betrifft die Regressforderung der Republik Österreich als Klägerin gegen die Witwe als Beklagte.

Auf der Grundlage der im Amtshaftungsverfahren ergangenen Urteile sowie nach Verlesung des Verlassenschafts- und des Pflegschaftsaktes stellte das Erstgericht im Wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Mit Beschluss vom 10. März 1999 wurden die je zur Hälfte des Nachlasses abgegebenen bedingten Erbserklärungen der beiden minderjährigen erblasserischen Töchter angenommen und dem Ersatzwerber als gesetzlichen Vertreter die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses über den PKW und zwei Girokonten erteilt.

Mit Kaufvertrag vom 6. Juli 1999 erwarb eine Käuferin von der Verlassenschaft die Eigentumswohnung der Verstorbenen um 2,3 Mio ATS. Im Kaufvertrag ist angeführt, dass die Verlassenschaft durch den mit der Verwaltung des Nachlasses betrauten Ersatzwerber vertreten wird. Weiter ist festgehalten, dass der Kaufpreis bis spätestens 27. August 1999 auf dem Treuhandkonto des Vertragserrichters gutgebucht sein müsse und er den Kaufpreis (unter näher genannten Voraussetzungen zur Wahrung der Rangordnung) an die verkaufende Partei weiter zu überweisen hat.

Mit Schriftsatz vom 6. Juli 1999 beantragte der Vertragserrichter die pflegschaftsbehördliche Genehmigung des Kaufvertrages und der Ranganmerkung der Veräußerung. Der Kaufvertrag wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 29. Juli 1999 abhandlungsgerichtlich genehmigt. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 20. Jänner 2000 wurde den erblasserischen Töchtern je zur Hälfte der Nachlass ihrer Mutter aufgrund ihrer bedingten Erbserklärung eingeantwortet.

Infolge des Einschreitens der Großmutter der beiden Töchter, die gerichtlich zu Protokoll gab, dass der Vater nach dem Tod ihrer Tochter die Eigentumswohnung verkauft und danach ein Haus gekauft habe, wurde mit Beschluss vom 28. März 2001 Rechtsanwalt Dr. ***** K***** zum besonderen Sachwalter zur Geltendmachung und Hereinbringung der Ansprüche der beiden minderjährigen Töchter gegen ihren Vater infolge Verwendung der ihnen gehörigen Barmittel bestellt.

In einem am 1. August 2001 abgeschlossenen prätorischen Vergleich verpflichtete sich der Vater, an seine Töchter zuhanden des Rechtsanwalts Dr. K***** bis 31. Juli 2002 einen Betrag von je 1.150.000 ATS samt 4 % Zinsen seit Oktober 1999 zu bezahlen. Für den Fall eines Verkaufes (eines Teils) der Liegenschaft innerhalb der Jahresfrist verpflichtete er sich zur Bezahlung binnen vier Wochen ab Erhalt des Verkaufserlöses. Weiter verpflichtete er sich, dem Rechtsanwalt zur Abgeltung seiner Mühewaltung binnen sechs Wochen 48.000 ATS zu bezahlen und die Gerichtsgebühren zu tragen. Der Vergleich wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 2. August 2011 pflegschaftsbehördlich genehmigt.

Mit beim Landesgericht Salzburg eingebrachter Amtshaftungsklage vom 6. Februar 2002 begehrte der Vater als Ersatzwerber von der Republik Österreich zuletzt 240.081,62 EUR als Schadenersatz sowie die Feststellung, dass die Republik Österreich ihm für sämtliche zukünftige Schäden aus dem rechtswidrigen und schuldhaften Verhalten der in den Verfahren ***** A ***** und ***** P ***** je Bezirksgericht Salzburg, beteiligten Organe des Bundes, Richter des Bezirksgerichts Salzburg Dr. ***** P***** sowie öffentlicher Notar Dr. ***** V***** in seiner Funktion als Gerichtskommissär hafte.

Als anspruchsbegründenden Sachverhalt stellte das Landesgericht Salzburg in jenem Verfahren fest, dass anlässlich der Tagsatzung zur Abgabe der Erbserklärungen am 17. Februar 1999 der Vater dem Gerichtskommissär erzählt hatte, die Wohnung der Verstorbenen verkaufen und den Erlös für den Hausbau auf seinem Grund verwenden zu wollen. Er wolle wissen, ob er dies dürfe. Er hatte die Austauschpläne für das neue Haus und die Pläne der alten Wohnung dabei. Er gab an, dass im neuen Haus fünf Wohnungen entstehen sollten, und er erklärte über Befragen des Gerichtskommissärs, dass nicht jede Tochter eine eigene Wohnung erhalten solle, sondern nur eine Wohnung für beide Töchter vorgesehen sei. Erst nach Ablauf der Kreditlaufzeit sollte auch die zweite Tochter eine Wohnung erhalten. Die Wohnung im Obergeschoss sollte von ihm und den beiden Töchtern bewohnt werden. Hinsichtlich der übrigen Wohnungen sei eine Vermietung geplant. Der Gerichtskommissär erwiderte, er müsse erst den Gerichtsusus abklären. Drei Wochen später ging der Vater erneut zum Gerichtskommissär, um die dort zurückgelassenen Pläne abzuholen. Der Gerichtskommissär erklärte ihm, das mit dem Hausbau gehe in Ordnung, er habe dies mit dem Gericht abgeklärt. Er forderte den Vater zur Beibringung eines Schätz- und Parifizierungsgutachtens auf, sagte ihm aber nicht, dass er vor Verwendung des Verkaufserlöses für den Hausbau eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung einzuholen habe.

Ohne die unrichtige Belehrung des Gerichtskommissärs wäre das Haus zunächst nicht gebaut und die abhandlungsunterworfene Wohnung nicht verkauft worden. Die ältere Tochter wäre als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen worden, zugunsten der anderen Tochter wäre ein Pfandrecht, ein dingliches Wohnungsgebrauchsrecht oder ein Belastungs- und Veräußerungsverbot eingetragen worden. Der Vater hätte ab März 2000 bis Ende 2003 die Instandhaltungs- und Betriebskosten dieser Wohnung bezahlt. Miete hätten die beiden minderjährigen Töchter nicht bezahlt. Nach Erreichung der Volljährigkeit der jüngeren Tochter im November 2002 wäre mit dem Hausbau begonnen worden, das Haus wäre dann nach einem Jahr fertiggestellt gewesen.

Dem Gerichtskommissär wurde sein Verhalten als Verschulden angelastet. Er hätte den Vater darauf hinzuweisen gehabt, dass er vor Verwendung des Erlöses aus dem Verkauf der Eigentumswohnung eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung einholen müsse. Keinesfalls hätte er beim Vater den Glauben erwecken dürfen, dass das Gericht dem Hausbau zugestimmt habe. Er habe sich nämlich im Klaren sein müssen, dass der rechtsunkundige Vater seiner Belehrung vertrauen und dementsprechend rechtsgeschäftliche Erklärungen abgeben würde. Ein Mitverschulden des Vaters sowie eine Verletzung der Schadensminderungspflicht wurden verneint. Im zweiten Rechtsgang wurde die Republik Österreich daher zur Zahlung von 225.303,40 EUR samt Stufenzinsen und Kosten verpflichtet, die Haftung der Republik Österreich für sämtliche zukünftigen Schäden aus dem rechtswidrigen und schuldhaften Verhalten des Gerichtskommissärs festgestellt und das Mehrbegehren von 14.778,22...

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