Entscheidungstexte nº A6/01. VfGH. 01-03-2002

Date01 Marzo 2002
01.03.2002
www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 16
Gericht
Verfassungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
01.03.2002
Geschäftszahl
A6/01
Sammlungsnummer
16457
Leitsatz
Abweisung der Klage einer Gemeinde gegen den Bund wegen Entfalls von Einnahmen aus der gemeindeeigenen
Getränkesteuer infolge Änderung des FAG 1997 nach Aufhebung der Getränkesteuer als
gemeinschaftsrechtswidrig durch ein Urteil des EuGH; kein Anspruch der klagenden Partei auf
Ausgleichszahlungen oder Schadenersatz; Österreic hischer Stabilitätspakt nur für Zurechnung von Defizitquoten
und allfälligen Sanktionslasten maßgeblich; kein Widerspruch der "Getränkesteuer-Ersatzlösung" gegen das F-
VG 1948; geeigneter und nach sachlichen Gesichtspunkten gestalteter Ausgleich für die entfallene
Getränkesteuer
Spruch
Das Klagebegehren wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Die klagende Partei beantragt mit der vorliegenden, auf Art137 B-VG gestützten, gegen die "Republik
Österreich" (gemeint wohl: den Bund) gerichteten Klage folgendes Urteil:
"1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei de n Betrag von S 3,500.000,-- samt 4 % Zinsen seit
09.03.2000 zu bezahlen; sowie
2. zwischen der klagenden und der beklagten Partei wird festgestellt, dass der klagenden Partei gegen die
beklagte Partei seit 01.01.2001 ein Anspruch auf Ersatz des entstehenden Entfalles der gemeindeeigenen
Getränkesteuer auf alkoholische Getränke, die diese gemäß §15 (2) Zif. 3 FAG 1997 in der Fassung BGBl.
1996/201 einzuheben berechtigt war , sowie ein Anspruch auf Ersatz des der klagenden Partei entstehenden
Entfalles der gemeindeeigenen Getränkesteuer auf alkoholfreie Getränke und Speiseeis, zu steht.
3. Der Bund ist sch uldig, der klagenden Partei die Kosten des verfassungsgerichtlichen Verfahrens binnen
14 Tagen bei sonstiger Exekution zu Handen deren ausgewiesenen Vertreters zu ersetze n."
1.2. Die Klage wird wie folgt begründet:
1.2.1.a) Bis zur Änderung des FAG 1 997, BGBl. I 29/2000, habe dessen §15 Abs3 Z2 die Gemeinden
ermächtigt, durch Beschluß der Gemeindevertretung, vorbehaltlich weitergehender Ermächtigun g durch die
Landesgesetzgebung, die gemäß §14 Abs1 Z8 bezeichneten Abgaben im Ausmaß von 10 vH des Entgelts bei
Speiseeis u nd alkoholhältigen Getränken und von 5 vH des Entgelts bei alkoholfreien Getränken einzuheben.
Mit Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Pasching vom 13. Dezember 1990 habe die kla gende Partei
die Einhebung der gemeindeeigenen Getränkesteuer auf alkoholische Getränke, Speiseei s und antialkoholische
Getränke beschlossen. Die Einnahmen aus der Getränkesteuer hätten in den Jahren 1993 bis 1999 insgesamt
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ATS 59,867.054,-- betragen, wobei auf die Getränkesteuer für alkoholische Getränke ATS 33,525.550,40
entfallen seien. In diesen J ahren sei das Getränkesteuerauf kommen der klagenden Partei durchschnittlich pro
Jahr um ca. 10,5 vH gestiegen.
b) Mit Urteil des EuGH vom 9. März 2000, Rs. C-437/97, sei die gemeindeeigene Getränkesteuer auf
alkoholische G etränke "als gemeinschaftswidrig aufgehoben" worden; die klagende Partei hätte diese Abgabe
sohin nicht mehr einheben können.
c) Mit BGBl. I 29/2000 sei den Gemeinden durch eine Novellierung des FAG 1997 das freie Beschlußrecht
hinsichtlich der Steuern auf alkoholhältige Getränke genommen worden. Statt dessen sei mit dem eben zitierten
Bundesgesetz u.a. das EStG 1988, das UStG 1994, das BiersteuerG 1995, das Alkohol-Steuer und MonopolG
1995, da s SchaumweinsteuerG 1995 sowie das FAG 1997 verändert und zusätzlich das WerbeabgabeG 2000
geschaffen worden. Die dabei vom Bundesgesetzgeber erlassenen Maßnahmen hätten den Zweck verfolgt, die
Auswirkungen des Entfalles der Getränkesteuer einzudämmen.
Seit 1. Jänner 2001 könne die klagende Partei auch keine Getränkesteuer auf alkoholfreie Getränke und
Speiseeis mehr einheben.
d) Mit BGBl. I 101/1999 sei eine Vereinbarung zwisc hen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden
betreffend die Koordination der Haushaltsführung von Bund, Ländern und Gemeinden getroffen worden
(Österreichischer Stabilitätspakt). Der Stabilitätspakt lege die Determ inanten für eine gemeinsame
Haushaltskoordinierung und unter Art4 Maßnahmen hinsichtlich der A ufteilung der Defizitquoten und der
Sanktionslasten zwischen dem Bund einerseits sowie den Ländern und Gemeinden andererseits fest. Art 4 Abs5
litb des Stabilitätspaktes sehe folgendes vor:
"Wird der Ertrag einer aus schließlichen Abgabe durch ein Urteil eines Höchstgericht es vermindert, wird der
Bund über geeignete Vorschläge der betroffenen Gebietskörpersc haften rechtliche Rahmenbedingungen für
ausschließliche Abgaben der betroffenen Gebietskörperschaften schaffen, die bundesweit einen möglichst
weitgehenden Ersatz schaffen."
Durch die oben zitierte Entscheidung des EuGH sei eine ausschließliche Gemeindeabgabe, nämlich die
gemeindeeigene Geträn kesteuer auf a lkoholische Getränke, die gemäß §15 Abs3 Z2 FAG 1997 ausschließlich
den Gemeinden z ukam und zukommen sollte, durch ein Urteil eines Höchstgerichtes "aufgehoben worden".
Dadurch vermindere sich auch das bislang erzielte Steueraufkommen der klagenden Par tei.
e) Im März 2000 seien seitens der Vertreter des Österreichischen Städtebundes und des Österreichischen
Gemeindebundes Gespräche mit dem Bundesminister für Finanzen geführt w orden. Die Vert reter des
Österreichischen Städtebundes und des Öster reichischen Gemeindebundes hätten dabei einen Vorschlag einer
sog. mehrwertsteuerorientierten Ersatzlösung für die Getränkesteuer über geben, wobei auch die von einer
Expertengruppe analysierte Mengensteuervariante dargestellt worden sei. Diese Lösungsvorschläge seien jedoch
seitens des Bundesministeri ums für Finanzen abgelehnt worden. Letztendlich seien die Maßnahmen, die der
Bund trotz mehrfacher Ablehnu ng durch den Gemeinde- und den Städtebund vorgeschlagen habe, rechtlich
durchgesetzt worden. Die klagende Partei habe diesen Änderungen nie zugestimmt. Darüber hi naus sei seitens
der Vertreter der Gemeinden von falschen Prämissen ausgegangen worden.
Zu Art4 Abs5 Stabilitätspakt wird wörtlich folgendes ausgeführt:
"Art4 (5) litb des Stabi litätspaktes sieht weiters vor, dass sich bis zum Inkrafttreten e iner solchen
(Ersatz-)Regelung (also der Schaffung einer ausschließ lichen Abgabe) die Defizitquote der betroffenen
Gebietskörperschaften entsprechend erhöht, wobei die Erhöhun g ab dem Zeitpunkt der Erstattung der
Vorschläge im Verhältnis der geltenden Defizitaufteilung von alle n Gebietskörperschaften gemeinsam aus ihren
Defizitquoten getragen wird.
Die im Stabilitätspa kt getroffene Regelung sieht daher grundsätzlich eine anteilige Erhöhung der
Defizitquote vor. Nach derzeitigem Stand trifft jedoch die Erhöhung der Defizitquote bloß die Gemeinden und
sohin auch die klagende Partei, da diese nunmehr nicht nur auf die gemeindeeigene Getränkesteuer für
alkoholische und alkoholfrei e Getränke und Speiseeis, sonde rn auch auf 2 weitere ausschließliche Abgaben,
nämlich der Ankündigungs- und der Anzeigenabgabe, verzichten muss.
Die Bestimmung des Ar t4 (5) litb des Stabilität spaktes kann nicht s o ausgelegt werden, dass die
Defizitquote der t atsächlich betroffenen Gebietskörperschaften erhöht wird, der Bund sich im Gegenzug jedoch

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