Entscheidungstexte nº B559/08. VfGH. 02-07-2009

Date02 Julio 2009
02.07.2009
www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 17
Gericht
Verfassungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
02.07.2009
Geschäftszahl
B559/08
Sammlungsnummer
18833
Leitsatz
Keine unzulässige Doppelverfolgung wegen derselben strafbaren Handlung und somit keine Verletz ung des
Doppelbestrafungsverbotes durch Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Lenkens eines Fahrzeuges in
alkoholisiertem Zustand nach Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens wegen fahrlässiger Körperverletzung
angesichts der Verfolgung verschiedener, sich in ihren wesentlichen Elementen unterscheidender
Straftatbestände
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich
gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt
worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer lenkte am 15. Juli 2005 ein
Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand. In ei nem Kreuzungsbereich ka m es zu einem
Zusammenstoß mit einem Fußgänger, der am rechten Fuß im Bereich des Außenknöchels verletzt wurde.
1.1. Mit Nachtragsstrafantrag der Staatsanwaltschaft St. Pölten vom 18. November 2005 wurde dem
Beschwerdeführer auf Grund dieses Vorfalles
1. das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach §88 Abs1 und Abs3 iVm §81 Abs1 Z2 StGB,
2. das Vergehen des Imstichlassens eines Verletzten nach §94 Abs1 StGB und
3. das Vergehen der Unterdrückung eines Beweismittels nach §295 StGB vorgeworfen.
Mit Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 1. Deze mber 2005 wurde die Erstellung eines Gutachtens
u.a. hinsichtlich des Blutalk oholgehaltes des Beschwerdeführers in Auftrag gegeben. Das Gutachten des
Sachverständigen vo m 13. Jänner 2006 geht vom Ergebnis des Alkomattests der Polizeiinspektion Traisen am
Unfalltag aus, der einen Alkoholgehalt in der Atemluft von 0,84 mg/l erbrachte. T atsächlich aber werden die
Berechnungen ausschließlich mit Bezug zum Bluta lkoholgehalt angestellt und als Einheit g/ l, dh. Promille,
herangezogen. Abschließend heißt es im Gutachten: "Somit sind vom gemessenen Alkoholspiegel 0,84 lediglich
0,2485 Promille in Abzug zu bringen. Der ermittelte Blutalkoholgehalt bei Herrn E.G. zum Zeitpunkt des
Unfalles vor Einnahme der 0,5 Liter und 0,33 Liter Biere hätte somit 0,555 Promille betragen müssen."
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1.2. Mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 31. Jänner 2006 wurde der Beschwerdeführer des
Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt und des Vergehens der Unterdrückung eines
Beweismittels sc huldig er kannt und zu einer Freiheitsstraf e verurteilt. Gleichzeiti g wurde folgender Beschluss
gefasst:
"Gemäß §57 StPO wird das Verfahren gegen G.E. wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung
gem. §88 Abs1 und Abs3 (§81 Z2 StGB) StGB und d es Vergehens des Imstichlassen eines Verletzten (§94 Abs1
StGB) zur Vermeidung von Verzögerungen wegen der eingetretenen Spruchreife im restlichen Verfahren
ausgeschieden und an das sachlich und örtlich zuständige B G Lilienfeld zur weiteren Amtshandlung
(Einvernahme der Zeugen H.R. und A.A. sowie Durchführung eines Lokalaugenscheins scheint unu mgänglich)
abgetreten."
1.3. In der Folge zog die Staatsanwaltschaft T eile des Nachtragsstrafantrages mit folgender Begründung
zurück: "Die Staatsanwaltschaft St. Pölten zieht die Punkte 1.) sowie Punkt 2.) des Nachtragsstrafantrages vom
18.11.2005 aus dem Grund des §34 Abs2 Z1 StPO zurück". Mit Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 7.
Februar 2006 wurde das Verfahren wegen "§§88 Abs1,3 (§81 Z. 2) Strafgesetzbuch, 94 Abs1 Strafgesetzbuch,
295 Strafgesetzbuch gemäß §227 Abs1 StPO eingestellt".
2. Mit Straferkennt nis der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld vom 7. November 2006 wurde über den
Beschwerdeführer eine Geldstrafe iHv € 1.199, - verhängt, weil er ein Fahrzeug im alkoholisierten Zustand
gelenkt (§§5 Abs1 iVm 99 Abs1a StVO 1960) und an der Feststellung des Sachverhaltes nicht mitgewirkt habe
(§§4 Abs1 litc iVm 99 Abs2 lita StVO 1960). Der Alkoholgehalt seiner Atemluft wurde (unter Abzug des
behaupteten Nachtrunkes) mit 0,69 mg/l angenommen; das entspricht einem Blutalkoholgehalt v on 1,38‰.
2.1. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltu ngssenates im Land
Niederösterreich (kurz: UVS NÖ) vom 7. Februar 2008 keine Folge gegeben. Begründend wird ausgeführt, dass
keine unzulässige Dop pelbestrafung vorliege, weil weder die Frage der Alkoholisierung des Beschwerdeführers
noch der Umstand, dass er sich nach der Verkehrsunfallverursachung mit Sachschaden in Fremdeigentum von
der Unfallstelle entfernt habe, ohne an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken, vom
Strafgericht inhaltlich geprüft wurden.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die
Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte gemäß Art4 Abs1 d es
7. ZPEMRK nicht wegen derselben strafbaren Handlung erneut vor Gericht gestellt zu werden, sowie auf
Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht wird.
II. 1. Die Bestimmungen des Strafgesetzbuches, BGBl. 60/1974, in
den für das Verfahren vor dem LG St. Pölten maßgeblichen Fassungen lauten:
"§81. (1) Wer fahrlässig den Tod eines anderen herbeiführt
1. unter besonders gefährlichen Verhältnissen,
2. nachdem er sich vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch Genuss von Alkoho l oder den Gebrauch
eines anderen berauschenden Mittels in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand
versetzt hat, obwohl er vorhergesehen hat oder hätte vorhersehen können, dass ihm ei ne Tätigkeit bevorsteh e,
deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicher heit
eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet sei, oder
3. [...]
(2) [...]
[...]
§88. (1) Wer fahrlässig einen anderen a m Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt, ist mit
Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen.
(2) [...]

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