Entscheidungstexte nº G151/02 ua. VfGH. 12-12-2002

Date12 Diciembre 2002
12.12.2002
www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 19
Gericht
Verfassungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
12.12.2002
Geschäftszahl
G151/02 ua
Sammlungsnummer
16772
Leitsatz
Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Bestimmungen des Auslieferungs- und Rechtshilfegesetzes
(ARHG) über die sowohl dem Oberlande sgericht als auch dem Bundesminister für Justiz zukommenden
Zuständigkeiten bei Entscheidung über eine Auslieferung; Entscheidung des OLG hinsichtlich der Zulässigkeit
der A uslieferung unter dem Gesichtspunkt der dem Betroffenen zustehenden subjektiven Rechte; Beurteilung
des Justizministers unter dem Blickwinkel des Völkerrechtes; kein Verstoß gegen den Grundsatz der Trennung
von Justiz und Verwaltung; Unzulässigkeit des Individualantrags eines US-amerikanischen und israelischen
Staatsbürgers auf A ufhebung von Bestimmungen des ARHG sowie des Auslieferungsvertrages Österreich-USA
mangels aktueller Betroffenheit; Zulässigkeit des Antrags hinsichtlic h der einen Rechtsmittelausschluß gegen die
Entscheidung des OLG über die Zulässigkeit der Auslieferung normierenden Vorschrift des ARHG; aktuelle
Betroffenheit angesich ts unmittelbar bevorstehen der Entscheidung ge geben; kein zumutbare r Umweg; Verstoß
der Vorschrift gegen das Rechtsstaatsprinzip
Spruch
I. In §33 Abs5 des Auslieferungs- und Rechtshilfegesetzes, BGBl. Nr. 529/1979, wird der zweite Satz
("Gegen den Beschluß, der zu begründen ist, ist kein Rechtsmittel zulässig.") als verfas sungswidrig aufgehoben.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
Die aufgehobene Bestimmung ist in dem beim Oberlandesgericht Wien zu 22 Ns 8/02 geführten Verfahren
nicht mehr anzuwenden.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I
verpflichtet.
II. Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
III. Der Bund (Bundesminister für Justiz) ist schuldig, dem Antragsteller zu Handen seines Rechtsvertreters die
mit € 670,50 bestimmten Kosten des Verfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekuti on zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Die maßgebende Rechtslage stellt sich dar wie folgt:
Nach dem Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz (ARHG), BGBl. Nr. 529/1979 idgF, ist die Frage, ob dem
Ersuchen eines ausländischen Staates um Auslieferung einer Person entsprochen wird, zum Teil vom örtlich
zuständigen Gerichtshof zweiter Instanz (Oberla ndesgericht), zum Teil jedoch vom B undesminister für Justiz
(künftig: Bundesminister) zu beurteilen:
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1. Nach §30 ARHG obliegt es dem Bundesminister, einlangende Auslieferungsersuchen vorweg
summarisch zu prüfen. Ergibt sich dabei, daß dem Ersuche n nicht entsprochen werden kann, ohne die öffentliche
Ordnung oder "andere wesentliche Interessen der Republik Österreich" zu verletzen (vgl. §2 ARHG), oder daß
keine Gegenseitigkeit gegeben ist (vgl. §3 Abs1 ARHG), so ist das Ersuchen ohne weiteres abzulehnen; ebens o,
wenn das Ersuchen "zur gesetzmäßigen Behandlung ungeeignet" ist.
2. Die "Zulässigkeit" der Auslieferung ist gem. §33 ARHG v om Gerichtshof zweiter Instanz
(Oberlandesgericht) zu beurteilen. Die seinem Beschluß zugrunde liegenden Erhe bungen werden vom
Gerichtshof erster Instanz (Untersuchungsrichter) gepflogen, der auch eine "begründete Äußerung" darüber
abzugeben hat, ob die Auslieferung zulässig ist (vgl. §31 Abs2 ARHG).
Das Verfa hren vor dem Oberlandesgericht ist in §33 ARHG wie folgt geregelt (der angefochtene Teil ist
hervorgehoben):
"Beschlußfassung über die Zulässigkeit
§33. (1) Über die Zulässigkeit der Auslieferung entscheidet der Gerichtshof zweiter Instanz in
nichtöffentlicher Sitzung, wenn weder der Oberstaatsanwalt noch die auszuliefernde Person eine öffentliche
Verhandlung bea ntragt haben und eine solche Verhandlung zur Beurteilung der Zulässigkeit der Auslieferung
auch nicht notwendig erscheint. Ungeachtet eines Antrages auf Anberaumung einer öffentlichen Verhandlung
kann der Gerichtshof zweiter Instanz stets die Auslieferung in nichtöffentlicher Sitzung für unzulässig erklären.
Vor einer Entscheidung in nichtöffentlicher Sitzung muß dem Oberstaatsan walt sowie der auszuliefernden
Person und ihrem Verteidiger Gel egenheit geboten worden sein, zum Auslieferungsersuchen Stellung zu
nehmen.
(2) In anderen Fällen ist eine öff entliche Verhandlung anzuberaumen, zu der der Oberstaatsanwalt, die
auszuliefernde Person und der Verteidiger zu laden sind. Die auszuliefernde Person muß bei der Verhandlung
durch einen Vert eidiger vertreten sein (§41 der Strafprozeßordnung 1975). Ist die auszuliefernde Person
verhaftet, s o ist i hre Vorführung zu veranlassen. Die Vorladung der auszul iefernden Person und ihres
Verteidigers sowie die Verständigung der verhafteten auszuliefernden Person sind s o vorzunehmen, daß den
Beteiligten eine Vorbereitungsfrist von wenigstens acht Tagen zur Verfügung steht.
(3) Die Öffentlichkeit de r Verhandlung kann außer den in der Strafprozeßordnung 1975 angeführten Fällen
ausgeschlossen werden, we nn es die auszuliefernde P erson verlangt oder wenn zwischenstaatliche Beziehungen
beeinträchtigt werden könnten.
(4) In der Verhandlung trägt ein Mitglied des Gerichtshofes als Berichterstatter eine Darstellung des
bisherigen Ganges des Verfahrens vor, ohne eine Ansicht über die zu fällende Entscheidung zu äuß ern. Hierauf
erhält der Oberstaatsanwalt das Wort. Danach ist der auszulie fernden Person und ihrem Verteidiger Gelegenheit
zu gebe n, zum Auslieferungsersuchen und zu den Ausführungen des Oberstaatsanwaltes Stellung zu nehmen.
Der auszuliefernden Per son und ihrem Verteidiger gebührt jedenfalls das Recht der letzten Äußerung. Nach
diesen Vorträgen zieht sich der Gerichtshof zur Beratung zurück.
(5) Der G erichtshof entscheidet durch Beschl uß, der vom Vorsitzen den mündlich zu verkünden ist. Gegen
den Beschluß, der zu begründen ist, ist kein Rechtsmittel zulässig. V or der Beschlußfassung kann der
Gerichtshof zweiter Instanz ergänzende Erhebungen durch den Untersuchungsrichter veranlassen.
(6) Der Gerichtshof zweiter Instanz hat seinen Beschluß unter Anschluß der Akten dem B undesministerium
für Justiz zu übermitteln."
Welche Gründe es nun sind, die eine Auslieferung "unzulässig" machen, ist im Ersten Abschnitt des II.
Hauptstücks ("Auslieferung aus Österreich") des ARHG in verschiedenen Bestim mungen geregelt (s. im
einzelnen §§10 ff ARHG; so auch EB 4 BlgNR XV. GP, 33 [zu §33 ARHG]). So ist zB eine Auslieferung zur
Verfolgung wegen einer nach dem Recht des ersuchenden S taates mit der Todesstrafe bedrohten strafbaren
Handlung nur zulässig, we nn gewährleistet ist, daß die Todesstrafe nicht ausgesprochen werden wird (§20 A bs1
ARHG); eine Auslieferung zur Vollstreckung der Todesstrafe ist dagegen jedenfalls unzulässig (§20 Abs2
ARHG).

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