Entscheidungstexte nº G172/2022, V172/2022. VfGH. 05-10-2023

ECLIECLI:AT:VFGH:2023:G172.2022
Date05 Octubre 2023
VERFASSUNGSGERICHTSHOF
Verfassungsgerichtshof
Freyung 8, A-1010 Wien
www.verfassungsgerichtshof.at
G 172/2022-14, V 172/2022-14
5. Oktober 2023
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Der Verfassungsgerichtshof hat unter dem Vorsitz des Präsidenten
DDr. Christoph GRABENWARTER,
in Anwesenheit der Vizepräsidentin
Dr. Verena MADNER
und der Mitglieder
Dr. Sieglinde GAHLEITNER,
Dr. Andreas HAUER,
Dr. Christoph HERBST,
Dr. Helmut HÖRTENHUBER,
Dr. Claudia KAHR,
Dr. Georg LIENBACHER,
Dr. Michael MAYRHOFER,
Dr. Michael RAMI und
Dr. Ingrid SIESS-SCHERZ
sowie der Ersatzmitglieder
Dr. Nikolaus BACHLER und
Dr. Robert SCHICK
als Stimmführer, im Beisein der verfassungsrechtlichen Mitarbeiterin
Mag. Dr. Natalie PILLICHSHAMMER
Schriftführerin,
G 172/2022-14,
V 172/2022-14
05.10.2023
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über den Antrag der ************************, *********, **** **********,
vertreten durch die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH, Mölker Bastei 5,
1010 Wien, auf Aufhebung des § 3 Z 4 des Bundesgesetzes, mit dem Förderungen
des Bundes aufgrund der COVID-19-Pandemie an das steuerliche Wohlverhalten
geknüpft werden, wegen Verfassungswidrigkeit sowie des Punktes 3.1.7 des An-
hanges zur Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß § 3b Abs. 3 des
ABBAG-Gesetzes betreffend Richtlinien über die Gewährung eines Ausfallsbonus
an Unternehmen mit einem hohen Umsatzausfall (VO Ausfallsbonus I), BGBl. II
74/2021, idF BGBl. II 518/2021 wegen Gesetzwidrigkeit in seiner heutigen nichtöf-
fentlichen Sitzung gemäß Art. 140 und Art. 139 B-VG zu Recht erkannt:
I. 1. § 3 Z 4 des Bundesgesetzes, mit dem Förderungen des Bundes aufgrund
der COVID-19-Pandemie an das steuerliche Wohlverhalten geknüpft werden,
BGBl. I Nr. 11/2021, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 15. April 2024 in Kraft.
3. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
4. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche
im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
II. 1. Die Wortfolge "über den Antragsteller oder dessen geschäftsführende Or-
gane in Ausübung ihrer Organfunktion darf in den letzten fünf Jahren vor der
Antragstellung keine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Ver-
bandsgeldbuße aufgrund von Vorsatz verhängt worden sein; ein Ausfallsbo-
nus darf jedoch dennoch gewährt werden, sofern es sich um eine Finanzord-
nungswidrigkeit oder eine den Betrag von EUR 10.000 nicht übersteigende
Finanzstrafe oder Verbandsgeldbuße handelt" in Punkt 3.1.7 des Anhanges
zur Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß § 3b Abs. 3 des AB-
BAG-Gesetzes betreffend Richtlinien über die Gewährung eines Ausfallsbonus
an Unternehmen mit einem hohen Umsatzausfall (VO Ausfallsbonus), BGBl. II
Nr. 74/2021, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
2. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 15. April 2024 in Kraft.
G 172/2022-14,
V 172/2022-14
05.10.2023
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Entscheidungsgründe
I. Antrag
Gestützt auf Art. 139 Abs. 1 Z 4 B-VG und Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. d B-VG begehrt die
antragstellende Partei, der Verfassungsgerichtshof möge
"a. Punkt 3.1.7 RL Ausfallsbonus idF BGBl II 518/2021 als gesetz- bzw verfassungs-
widrig aufheben, in eventu feststellen, dass Punkt 3.1.7 RL Ausfallsbonus idF BGBl
II 518/2021 gesetz- bzw verfassungswidrig war, sowie
b. § 3 Z 4 WohlverhaltensG idF BGBl I 11/2021 als verfassungswidrig aufheben, in
eventu feststellen, dass § 3 Z 4 WohlverhaltensG idF BGBl I 11/2021 verfassungs-
widrig war".
II. Rechtslage
1. § 3b des Bundesgesetzes über die Einrichtung einer Abbaubeteiligungsaktien-
gesellschaft des Bundes (ABBAG-Gesetz), BGBl. I 51/2014, idF BGBl. I 228/2021
lautet:
"Richtlinien zur Gewährung finanzieller Maßnahmen
(1) Finanzielle Maßnahmen gemäß § 2 Abs. 2 Z 7 dürfen nur zu Gunsten von Un-
ternehmen gesetzt werden, die ihren Sitz oder eine Betriebsstätte in Österreich
haben und ihre wesentliche operative Tätigkeit in Österreich ausüben.
(2) Auf die Gewährung von finanziellen Maßnahmen besteht kein Rechtsanspruch.
(3) Der Bundesminister für Finanzen hat im Einvernehmen mit dem Vizekanzler
unter Beachtung der geltenden Vorgaben des EU-Beihilfenrechtes per Verordnung
Richtlinien zu erlassen, die insbesondere nachstehende Regelungen zu enthalten
haben und die auch im Internet zur Abfrage bereit zu halten sind:
1. Festlegung des Kreises der begünstigten Unternehmen,
2. Ausgestaltung und Verwendungszweck der finanziellen Maßnahmen,
3. Höhe der finanziellen Maßnahmen,
4. Laufzeit der finanziellen Maßnahmen,
5. Auskunfts- und Einsichtsrechte des Bundes oder des Bevollmächtigten.
6. Rückforderungen.
(4) Der Bundesminister für Finanzen hat dem Budgetausschuss monatlich einen
detailliert dargestellten Bericht, in dem sämtliche Maßnahmen zugunsten von Un-
ternehmen gem. § 3b Abs. 1, die zu Erhaltung der Zahlungsfähigkeit, Vermeidung
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