Entscheidungstexte nº G229/2023 ua. VfGH. 12-12-2024

ECLIECLI:AT:VFGH:2024:G229.2023
Date12 Diciembre 2024
VERFASSUNGSGERICHTSHOF
Verfassungsgerichtshof
Freyung 8, A-1010 Wien
www.verfassungsgerichtshof.at
G 229-230/2023-57* ua.
12. Dezember 2024
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Der Verfassungsgerichtshof hat unter dem Vorsitz des Präsidenten
DDr. Christoph GRABENWARTER,
in Anwesenheit der Vizepräsidentin
Dr. Verena MADNER
und der Mitglieder
Dr. Markus ACHATZ,
Dr. Sieglinde GAHLEITNER,
Dr. Andreas HAUER,
Dr. Christoph HERBST,
Dr. Michael HOLOUBEK,
Dr. Helmut HÖRTENHUBER,
Dr. Claudia KAHR,
Dr. Georg LIENBACHER,
Dr. Michael MAYRHOFER,
Dr. Michael RAMI,
Dr. Johannes SCHNIZER und
Dr. Ingrid SIESS-SCHERZ
als Stimmführer, im Beisein der verfassungsrechtlichen Mitarbeiterin
Dr. Theresa GANGLBAUER
als Schriftführerin,
G 229-
230/2023-57 ua.*
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über den Antrag 1. der ***, bis 4. des ***, alle vertreten durch die Zacherl
Schallaböck Proksch Manak Kraft Rechtsanwälte GmbH, Teinfaltstraße 8/5.01,
1010 Wien, G 229-230/2023 und über den Antrag des ***, vertreten durch die
Singer & Kessler Rechtsanwälte OG, Seilerstätte 22/1/23, 1010 Wien,
G 2272-2273/2023, auf Aufhebung des § 77 und § 78 StGB sowie des Sterbeverfü-
gungsgesetzes, nach der am 19. September 2024 durchgeführten öffentlichen
mündlichen Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters und
der Ausführungen der Vertreter der Antragsteller Rechtsanwalt Dr. Wolfram Pro-
ksch und Rechtsanwältin Mag. Katharina Kessler, der Vertreter der Bundesregie-
rung Dr. Albert Posch, LL.M., Dr. Dietmar Dokalik, Hon.-Prof. Dr. Michael Kierein,
der von der Bundesregierung beigezogenen Auskunftspersonen Dr. Brigitte Rom,
Dr. Martin Renhardt und Dr. Michaela Wlattnig sowie der weiteren Auskunftsper-
sonen, der Österreichischen Apothekerkammer, diese vertreten durch
Mag. pharm. Alexandra Fuchsbichler, Mag. Andreas Eichtinger und Mag. Franz
Ferrari, und der Österreichischen Ärztekammer, diese vertreten durch Dr. Dagmar
Fedra-Machacek und Mag. Rita Offenberger, MSc, in seiner heutigen nichtöffent-
lichen Sitzung gemäß Art. 140 B-VG zu Recht erkannt:
I. 1. Die Zeichen- und Wortfolge ", sowie nach Ablauf eines Jahres nach ihrer
Errichtung" in § 10 Abs. 2 und die Wort- und Zeichenfolge "fünf Jahre nach
Ablauf der Jahresfrist (Abs. 2)," in § 10 Abs. 3 Z 1 des Bundesgesetzes über die
Errichtung von Sterbeverfügungen (Sterbeverfügungsgesetz - StVfG),
BGBl. I Nr. 242/2021, werden als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Diese Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Mai 2026 in Kraft.
3. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
II. 1. Die Wort- und Zeichenfolge "anbietet, ankündigt oder" in § 12 Abs. 1 des
Bundesgesetzes über die Errichtung von Sterbeverfügungen (Sterbeverfü-
gungsgesetz - StVfG), BGBl. I Nr. 242/2021, wird als verfassungswidrig aufge-
hoben.
2. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
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III. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aussprüche un-
ter I. und II. im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
IV. Die Anträge auf Aufhebung des § 78 StGB, § 6 Abs. 3, § 7 und § 8 Abs. 1 sowie
auf Aufhebung des § 10 Abs. 2, soweit nicht die Zeichen- und Wortfolge ", so-
wie nach Ablauf eines Jahres nach ihrer Errichtung" betroffen ist, § 10 Abs. 3,
soweit nicht die Wort- und Zeichenfolge "fünf Jahre nach Ablauf der Jahres-
frist (Abs. 2)," betroffen ist, § 12 Abs. 1, soweit nicht die Wort- und Zeichen-
folge "anbietet, ankündigt oder" betroffen ist, § 12 Abs. 2 und 3 sowie § 13
StVfG werden abgewiesen.
V. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.
VI. Der Bund (Bundesministerin für Justiz) ist schuldig, den Antragstellern zu
G 229-230/2023 zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit 1.918,80 und
dem Antragsteller zu G 2272-2273/2023 zu Handen seines Rechtsvertreters
die mit € 1.788, bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger
Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I. Anträge
1. Gestützt auf Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. c B-VG begehren die antragstellenden Par-
teien in dem beim Verfassungsgerichtshof zur Zahl G 229-230/2023 protokollier-
ten Verfahren, der Verfassungsgerichtshof möge
"1. die Bestimmung des § 77 StGB, StF: BGBl Nr 60/1974, idgF zur Gänze, in eventu
§§ 75 und § 77 leg cit zur Gänze, sowie
2. die Bestimmung des § 78 StGB, StF: BGBl Nr 60/1974, idgF zur Gänze, in eventu
die Bestimmungen des § 78 Abs 2 Z 3 leg cit zur Gänze, in eventu die Wortfolge 'an
einer Krankheit im Sinne des § 6 Abs. 3 des Sterbeverfügungsgesetzes (StVfG),
BGBl. I Nr. 242/2021, leidet oder die nicht', sowie
3. das Sterbeverfügungsgesetz StVfG, StF: BGBl. I Nr. 242/2021, idgF, zur Gänze,
in eventu,
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